Wenn eine Stadt eine leibhaftige Professorin mit einem Gutachten beauftragt, dann kostet das Geld, viel Geld. Und Geld ist in den meisten Kommunen knapp. Da will man wenigstens die Gewißheit haben, daß das Gutachten im gewünschten Sinne ausfällt. Die Auswahl des richtigen Gutachters ist also von größter Bedeutung.
Nehmen wir einmal Hannover, die Hauptstadt des Landes Niedersachsen. Dort war man unseliger Vorreiter für das amtlich erzwungene Gendern in Deutschland. Schon am 18. Januar 2019 erließ die Stadtverwaltung eine „Regelung für geschlechtergerechte Sprache“ – und plapperte darin (ganz im Szenejargon!) nach, was an Peinlichkeiten schon damals im Umlauf war: das Schreiben richtete sich „an Frauen und Männer und diejenigen, die sich selbst nicht als Frau oder Mann beschreiben“; die Regelung trage „der Vielzahl geschlechtlicher Identitäten Rechnung“ usw. Man sieht, daß es bereits vor Jahren eine inhaltliche Verschiebung von der (grundgesetzlich sogar verpflichtenden) Gleichberechtigung der Frau hin zu allen möglichen Schattierungen der „Transpersonen“ gab, die zwar nur einen fast nicht mehr meßbaren Anteil an der Gesamtbevölkerung haben, durch ihre lautstarke Lobby und (noch mehr) durch die offenbar unstillbare und vermutlich nur in medizinischen Studien zu erklärende Lust der Grünen an der „Vielzahl geschlechtlicher Identitäten“ ein politisches Gewicht bekommen haben, das ihnen in keiner Weise zusteht. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß die Grünen zumindest im ersten Jahrzehnt ihre Bestehens sogar eine ganz besonders verwerfliche „geschlechtliche Identität“, nämlich die des Pädophilen, in mehreren Parteibeschlüssen verteidigt haben (hier nachzulesen).
Der Flyer der „Regelung“ aus Hannover wurde von Maren Gehrke, der Stellvertretenden Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, erstellt – „mit freundlicher Unterstützung von Verena Balve (Gleichstellungsbeauftragte Stadt Flensburg)“. Man sieht: die Netzwerke funktionieren nicht nur bei den Professoren der Gender Studies. Eine Empfehlung, ob sie nun auf Hannoveraner oder Flensburger Mist gewachsen ist, war die Vorschrift, statt „der Ingenieur / die Ingenieurin“ müsse es nun
der*die Ingenieur*in
heißen. Die Begründung:
In solchen Fällen wird der Genderstar auch zwischen den Artikeln gesetzt, um auf die Vielfalt der Geschlechter hinzuweisen.
Narrhalla-Marsch!
Schon im März 2017 hatte Volker Epping, der Präsident der Universität zu Hannover, zusammen mit der „Leiterin Hochschulbüro für Chancenvielfalt“, Helga Gotzmann, einen „Leitfaden: Geschlechtergerechtes Formulieren von Texten“ veröffentlicht. Um einen bloßen Leitfaden handelt es sich dabei aber keineswegs, das macht Epping, ein Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht, schon in seinen Eingangsworten deutlich:
Ich bitte Sie, allen Beschäftigten Ihres Bereichs diesen Leitfaden mit der Anlage zur Kenntnis zu geben. Die Vorgaben sind für den dienstlichen Verkehr als verbindlich zu betrachten.
Das Symposium, das im Mai zum Ausscheiden der Gleichstellungsbeauftragten von der Universität Hannover veranstaltet wurde, trug übrigens den Titel „Professorinnen als Motor der Veränderung: Female Leadership im Hochschulkontext“.
Das alles war aber offenbar immer noch nicht genug. Um sich rechtlich abzusichern, hat die Stadt Hannover ein Gutachten mit folgendem Titel angefordert:
Geschlechtergerechte Amtssprache
Rechtliche Expertise zur Einschätzung der Rechtswirksamkeit von Handlungsformen der Verwaltung bei Verwendung des Gendersterns oder von geschlechtsumfassenden Formulierungen.
Der Auftrag erging an die Professorin Ulrike Lembke, die an der Humboldt-Universität zu Berlin Öffentliches Recht lehrt und zugleich Mitglied des dortigen Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien ist. Nach ihrem Zweiten Staatsexamen lehrte Lembke laut Wikipedia
bis 2015 als Juniorprofessorin für Öffentliches Recht und Legal Gender Studies an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, von 2017 bis 2018 als Professorin für Gender im Recht an der FernUniversität in Hagen und seit 2018 als Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin.
Ihre Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in den Bereichen Rechtliche Geschlechterstudien, insbesondere Intersektionalität und Postkategorialität, Gewalt im Geschlechterverhältnis, Antidiskriminierungsrecht und Rechtssoziologie.
Muß man da noch rätseln, wie das Gutachten ausgefallen ist? Die Stadt Hannover bekommt aber nicht nur, wofür sie gezahlt hat, sondern noch viel mehr: der staatliche Zwang zum Gendern, so die „Expertise“ der Gutachterin, ist nicht nur mit dem Grundgesetz vereinbar, das Gendern geht vielmehr als Pflicht unmittelbar aus dem Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes (Art.3 GG) hervor. Dabei fällt auf, daß der sprachwissenschaftliche Sachverstand der Autorin eher bescheiden ist. Als handele es sich bei ihrer Arbeit um ein feministisches Pamphlet und nicht um ein juristisches Gutachten, macht sie aus dem „generischen Maskulinum“ flugs ein „pseudo-generisches Maskulinum“ (dieses Wort taucht 123 mal in ihrem Gutachten auf!), sie schreibt, fast wie einst die 68er, im Stil des Geschlechterkampfs von einer „Perpetuierung gesellschaftlicher Machtverhältnisse durch Fortsetzung eines vorgefundenen Zustandes“, sie wirft den Verwaltungen, die noch nicht gendern, Pflichtvergessenheit vor, weil sie „in grober Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze davon ausgehen, ihre gesetzlichen Bindungen vernachlässigen zu können“, und der Rat für deutsche Rechtschreibung, der sich („vorübergehend“, wie Lembke hofft) gegen den Genderstern entschieden hat, wird geradezu beschimpft: seine Schlußfolgerungen seien „unbrauchbar“, zur „Regelung geschlechtergerechter Amts- und Rechtssprache“ habe er gar keine Kompetenz. Und weiter:
Aus rechtlicher Sicht ist die Verwendung geschlechtergerechter Amtssprache inklusive des Gendersterns keine Irregularität, sondern für hoheitliches Sprachhandeln und damit die Verwaltung insgesamt im demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar.
Natürlich kommt auch hier wieder die ideologische Formulierung von der „sprachlichen Unsichtbarmachung“ der Frauen ins Spiel, und auch die Definition des Gleichberechtigungsgebots als „ein zu Gunsten von Frauen wirkendes, antipatriarchales
Verbot, von der gesellschaftlich dominanten Gruppe der Männer unterdrückt zu
werden“ zeigt, wie in dieser „Expertise“ – man könnte beinahe in Lembkescher Manier von einer Pseudo-Expertise sprechen – die Grenze zwischen juristischer Argumentation und feministischer Agitation verschwimmt. Vieles an diesem Gutachten läßt sich, wie es Reinhard Bingener in der F.A.Z. ausdrückt, „mit dem Streben nach einer wertneutralen Sprache in der Wissenschaft schwerlich vereinbaren“.
Lembke ist übrigens seit letztem Jahr auch Richterin am Landesverfassungsgericht Berlin. Vorgeschlagen wurde sie für dieses Amt von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Ihre Mitstreiterin an der Humboldt-Universität, Susanne Baer (Lembke kann sie in den Fußnoten gar nicht oft genug zitieren), schaffte es auf Vorschlag von SPD und den Grünen sogar in den Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts (siehe unten).
Verglichen mit diesen immer dichter werdenden feministischen Netzwerken wirken die „männlichen Seilschaften“ geradezu kümmerlich.
Die bisher erschienen Folgen der kleinen Reihe „Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen“ finden Sie hier:
Kathrin Kunkel-Razum, Chefin der DUDEN-Redaktion
Katja Thorwarth und die Frankfurter Rundschau
Nina George und das PEN-Zentrum Deutschland
Lena Hornstein und wetter.com
Susanne Baer und das Bundesverfassungsgericht
Johanna Rahner, das Rumgesumse und die katholische Kirche