Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen (6): Johanna Rahner, das Rumgesumse und die katholische Kirche

Johanna Rahner ist in der katholischen Welt nicht irgendwer – sie ist Professorin für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen, wo auch schon Hans Küng und Joseph Ratzinger gelehrt haben. In einer Veranstaltung des Bistums Rottenburg-Stuttgart hat sie sich ausgerechnet auf die amerikanische Soziologin und „Aktivistin“ Robin DiAngelo bezogen, von der zum Beispiel diese dummen Sätze stammen:

Rassismus ist ein Problem der Weißen. Er wurde von Weißen konstruiert und geschaffen, und die letztendliche Verantwortung liegt bei den Weißen.

Wenn man uns lehrt, Frauen hätten 1920 das Wahlrecht erhalten, ignorieren wir, dass damals weiße Frauen uneingeschränktes Wahlrecht erhielten, weil weiße Männer es ihnen zugestanden.

Sie prägte den durchweg abwertend gemeinten Begriff der „Whiteness“ und gründete die „Weißseinsforschung“ (Whiteness Studies), die in der Wikipedia wahrhaftig mit dem Attribut „kritisch“ geadelt wird. Wer je in der „neuen“ Schwarzen- und Frauenbewegung etwas Humanistisches, Aufklärerisches gesehen hat, muß sich, um eines Besseren belehrt zu werden, nur einmal mit diesem völlig unhistorischen Konstrukt der „Whiteness“ beschäftigen, das DiAngelo in die Welt gesetzt hat – und natürlich mit der sich immer mehr radikalisierenden „Black lives matter“-Bewegung. Der Begriff der „Rasse“ feiert auf einmal wieder fröhliche Urständ – aber natürlich nur, wenn es sich um Weiße handelt. In diesem schlichten Weltbild, das nur Konstrukte bildet und keine historischen Zusammenhänge mehr kennt, gibt es nur noch Gut und Böse, und böse sind natürlich nur die Weißen, egal, was sie tun. Das alles ist, ganz buchstäblich, billige Schwarz-Weiß-Malerei.

Und ausgerechnet auf diese Aktivistin beruft sich also eine Professorin der katholischen Dogmatik (hier nachzulesen), um dann hinzuzufügen: wer an der Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche nichts ändern wolle, sei „nichts anderes als ein Rassist“.

Ein Bischof immerhin hat ihr sofort energisch widersprochen, der Bischof von Passau, Stefan Oster. Wie Rahner darauf reagiert hat, zeigt zugleich den hämischen Triumphalismus, der den erfolgreichen Gang des Neufeminismus durch die Institutionen immer öfter begleitet. Der Bischof solle sich bei ihr entschuldigen, und zwar „ohne beschwichtigende Floskeln und pastorales Rumgesumse“. Nirgendwo habe sie eine Verbindung von Rassismus und der Ablehnung der Frauenordination hergestellt. Aber – und jetzt wird es wirklich absurd: der Begriff Rassist tauge „prächtig zur öffentlich inszenierten Empörung“. Ja, und wer hat denn diesen Begriff einen Tag zuvor in die Diskussion eingeführt?

Am feministischen Jargon mit seinen sprachverhunzenden Doppelformen, Sternchen und Sprechpausen mitten im Wort hat man ein relativ zuverlässiges Kriterium, wie weit auch die zugrundeliegende Ideologie schon in eine Organisation eingesickert ist. Da schreibt etwa eine Schwester Jakoba vom „Christ- und Christin-Sein“, und eine wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Systematische Theologie der Kölner Universität forscht zum Thema „Leib Christi – gendertheoretische Dekonstruktion eines zentralen theologischen Begriffs“. Der Theologe Gerhard Marschütz fordert, die der Frau zugeschriebenen Wesenszüge wie „liebende Hausfrau und Mutter“ zu revidieren und die Erwerbstätigkeit der Frau stärker zu betonen. Eine Schwester Jakoba ist auf der Suche nach „guten Hirtinnen und Hirten“ (da will offenbar die gute Hirtin nicht mehr bloß mitgemeint sein!), und die taz, die bisher nicht für ihre Frömmigkeit bekannt war, ist begeistert, daß die „Störer*innen“ von Maria 2.0 immer mehr „Anhänger*innen“ gewinnen. Auch Bascha Mika sorgt sich neuerdings um das Wohl der Kirche: „In Scharen verlassen Katholik:innen Mutter Kirche, weil sie deren monsterhafte Züge nicht mehr ertragen.“ Die Bundesvorsitzende der katholischen Landjugendbewegung ist sich sicher, daß „Kirche sein vor allem auch politisches Handeln bedeutet“ – und ich dachte, naiv wie ich bin, daß die Kirche vor allem eine (frohe) Botschaft verkünden sollte. Ist das nicht, wie ein Unternehmensberater sagen würde, ihr „Markenkern“?

Nehmen wir einmal an, daß alle Träume des Feminismus in der katholischen Kirche in Erfüllung gehen. Stünde es dann besser um die Kirche? Kein bißchen. Dann hätten wir weibliche Pfarrer, vielleicht sogar in hundert Jahren „Päpst:innen“. Aber die Botschaft selbst würde dann ebenso wenig Gewicht haben wie bei den Protestanten, die das alles – Pfarrerinnen, Frauen in verantwortlichen Positionen auf allen Ebenen der Kirche usw. – schon immer hatten und heute auf jeden Zug des Zeitgeistes aufspringen, in ihren Predigten bloß seichte Lebensberatung kultivieren und in der Auseinandersetzung mit der säkularen Arroganz unserer Zeit noch mehr versagen als die katholische Kirche.

Ich bin auch gegen den Zwangszölibat. Ein freiwilliger Zölibat wäre eine gute Lösung fürs erste – „wer es fassen kann, der fasse es“. Verheiratete Priester wären mit ihrer Lebenserfahrung sicher eine Bereicherung der Kirche. Und auch die Ordination von Frauen wird kommen, wenn auch nicht mehr zu meinen Lebzeiten. Aber das alles ist nur ein Nebenkriegsschauplatz, denn wenn es nur um die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ginge, stünde die evangelische Kirche ganz wunderbar da. Tut sie aber nicht.

Entscheidend ist und bleibt die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft, von Glaube und Wissenschaft. Das war auch das große Thema von Benedikt XVI. Wenn es nicht gelingt, beide auf eine ehrliche Art miteinander zu versöhnen, wird die Verweltlichung in unserem säkularen Zeitalter weitergehen. Und dabei ist es völlig unwichtig, ob Frauen oder Männer diese Versöhnung schaffen. Was spricht eigentlich dagegen, daß sie diese Aufgabe gemeinsam in Angriff nehmen?

Die bisher erschienen Folgen der kleinen Reihe „Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen“ finden Sie hier:

Kathrin Kunkel-Razum, Chefin der DUDEN-Redaktion
Katja Thorwarth und die Frankfurter Rundschau
Nina George und das PEN-Zentrum Deutschland
Lena Hornstein und wetter.com
Susanne Baer und das Bundesverfassungsgericht

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