Öffentliche Hinrichtungen in Deutschland?

Was man sonst nur von Saudiarabien und ähnlichen Ländern kennt, soll es auch in Deutschland geben.

Jedenfalls hat der Verteidiger des als Lübcke-Mörder angeklagten Stephan Ernst das am ersten Tag des Prozesses behauptet: sein Mandant sei „öffentlich hingerichtet worden, bevor er verurteilt worden sei“.

Ob Ernst ein glückliches Händchen bei der Wahl seines Verteidigers hatte, kann man schon jetzt bezweifeln.

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Gleinundernemer in Ferner Zukunft

Immer wieder findet man im Internet kluge Kommentare über die politische Zukunft unseres Landes. Einen von ihnen – er ist auf Youtube zu lesen – möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten (alles in der Original-Rechtschreibung des Verfassers):

Unter dem Deckmantel Corona werden Arbeitslose geschaffen die den Drogen und den Alkohol verfallen sollen. Gleinundernemer sollen in die Pleite getrieben werden. Das Bargeld wird abgeschafft und wir haben eine totale Überwachung. Bildungswesen wird zerfallen und die Menschen werden gegeneinander ausgespielt. In Ferner Zukunft, soll es keine Familiären Verhältnisse mehr geben, so wie wir sie heute noch kennen. Unsere Kinder sollen in Ferner Zukunft nach dem Willen der neuen Weltordnung erzogen werden. Wer sich keinen Chip verpassen lassen will, kann nicht mehr einkaufen gehen und er wird überall benachteiligt und im schlimmsten Fall wird man zum Freiwild erklärt. … In Ferner Zukunft werden die Menschen der dritten Welt an Hunger leiden und die entwickelten Ländern sollen durch Krankheiten und durch Seuchen reduziert werden und um noch einen drauf zusetzen, werden wir demnächst durch 5G verstralt und das wird von der Bundesregierung als großen Erfolg abgetan, damit wir alle die best Möglichen Kommunikation haben die uns zu gestanden werden müssen. Die neue Weltordnung darf sich nicht durchsetzen.

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Von Germanisten und ihrer Liebe zum glottalen Verschlußlaut

Henning Lobin ist, wie man in der Wikipedia nachlesen kann, Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, Professor für Germanistische Linguistik an der Universität Mannheim und Mitglied des Rats für Deutsche Rechtschreibung. Das Internetportal web.de hat ihn kürzlich zum Thema „geschlechtergerechte Sprache“ interviewt (hier nachzulesen), und ich möchte meinen Lesern auch deshalb ein paar Auszüge daraus mitteilen, weil man dadurch einiges über den Zustand unserer Germanistik erfährt:

Es gibt auf jeden Fall gesellschaftliche Gruppen, denen das „Gendern“ ein Bedürfnis ist. Und es kennzeichnet unsere Gesellschaft, dass solche Gruppen ihre Interessen klar und deutlich artikulieren. Die Medien greifen das auf und verstärken es dadurch – das ist normal, so entstehen manchmal Veränderungen.

Das klingt alles sachlich und vernünftig, und tatsächlich hat ja auch niemand etwas dagegen, daß Menschen ihre Meinung artikulieren. Auch die abstrusesten Ansichten, selbst eindeutige Unwahrheiten darf man verbreiten, das ist ein in der Verfassung verankertes Recht. Aber dürfen sie ihre Meinung, in diesem Fall ihre ideologisch begründete Auffassung von Sprache, Andersdenkenden oder gar der ganzen Gesellschaft aufzwingen? Nein, das dürfen sie nicht.

Aber genau das tun sie. Die Zergenderung der Sprache wird inzwischen von Universitäten, Schulen, Behörden, Medien und Unternehmen auf administrativem Wege erzwungen und hat – man denke an die „Rad Fahrenden“! – selbst in Gesetzestexte Eingang gefunden. Im „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ (3. Aufl. 2008) heißt es zum Beispiel:

Wird eine Rechtsvorschrift geändert, sollen bei dieser Gelegenheit generische Maskulina, die innerhalb desselben Rechtstextes neben Paarformen verwendet werden, grundsätzlich durch geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen oder kreative Umschreibungen ersetzt werden.

Was Lobin verniedlichend als ganz „normalen“ Vorgang beschreibt, ist also in Wirklichkeit nichts anderes als eine der deutschen Sprache von einem bestimmten politischen Milieu aufgezwungene Veränderung, die inzwischen offenbar als sakrosankt gilt. Wer sich dem Sprachdiktat nicht beugt, muß – etwa an Schulen und Universitäten – mit erheblichen persönlichen Konsequenzen rechnen. Von einer freien Entscheidung für oder gegen das Gendern kann heutzutage keine Rede mehr sein.

Gerade das „generische Maskulinum“ ist dem sprachfeministischen Lager ein Dorn im Auge, obwohl es ein integraler Bestandteil der deutschen Sprache und damit keinesfalls verhandelbar ist. Ein Rektor, der seine Rede mit den Worten „Liebe Schüler!“ beginnt, hat jedes Recht dazu, und vor allem: er hat die deutsche Sprache auf seiner Seite. Aber hat er auch die auf seiner Seite, die sich als Germanisten, also wissenschaftlich, mit unserer Sprache beschäftigen?

Hören wir, was Henning Lobin dazu sagt:

Wenn ein Begriff wie „Schauspieler“ in der männlichen Form auch Frauen „mitmeinen“ soll, spricht man in der Sprachwissenschaft vom „generischen Maskulinum“. Der steuert, wie viele Untersuchungen zeigen, unsere Vorstellungen und Erwartungen. Wenn Sie mit Kindern über Berufswünsche sprechen und dabei von „Feuerwehrmännern“ reden, bekommen sie ein anderes Ergebnis, als wenn sie von „Feuerwehrleuten“ sprechen. Wir haben auch aus wesentlich komplexeren psychologischen Versuchsaufbauten klare Hinweise, dass das generische Maskulinum oft nicht als „neutrales Geschlecht“ funktioniert. Es prägt stattdessen die Wahrnehmung und die Entscheidungen zulasten der Frauen.

Hier ist schon der erste Satz falsch, denn das Wort „Schauspieler“ soll nicht etwa Frauen mitmeinen, es meint sie tatsächlich mit, und das seit Jahrhunderten. Was bei Lobin dann an Sprachpsychologie und ihren „Versuchsaufbauten“ folgt, gehört nun wirklich nicht in die Germanistik, wahrscheinlich nicht einmal in die Psychologie, am ehesten noch in eine feministische Politologie, die – mit über 200 Lehrstühlen für Genderstudien allein in Deutschland – auskömmlich lebt und bis heute nicht damit begonnen hat, die eigene Wissenschaftlichkeit in Frage zu stellen.

Schon im 18. Jahrhundert wurde von „Schauspielerinnen und Schauspielern“ gesprochen – man ging also damals nicht unbedingt davon aus, dass in der männlichen Form die weibliche enthalten sei.

Woher, bitte, stammt dieses Beispiel? Und vor allem: in welchem statistischen Verhältnis steht es zur Zahl der damals üblichen generischen Maskulina? Ich habe mich in meinem Germanistikstudium intensiv mit der deutschen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts beschäftigt (und alles im Original gelesen, was ja heute aus der Mode gekommen ist), und ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß solche Formeln wie „Schauspielerinnen und Schauspieler“ bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert so selten waren, daß ihre statistische Häufigkeit gegen Null tendiert.

Aber warum sind so viele Menschen gegen den Gender-Unfug?

Mir scheint, heute dienen vielfach Appelle gegen den sogenannten „Gender-Unfug“ vor allem der politischen Verortung. Neben dem identitätspolitischen Statement demonstrieren manche damit auch ihre grundlegende politische Überzeugung. Deshalb hat die AfD im Vergleich mit den anderen im Bundestag vertretenen Parteien mit Abstand die meisten sprachpolitischen Positionen in ihrem Programm.

Wenn man das liest, und zwar aus dem Munde eines Germanisten, hat man denn doch Mühe, die Contenance zu wahren. Es stimmt, daß die AfD als einzige Partei den Kampf gegen den Gender-Unfug in ihr Programm aufgenommen hat. Sie tut das aber nur, weil sie eben eine populistische Partei ist und alles aufgreift, was die Menschen ärgert. Nicht, daß die AfD gegen das inzwischen ins Absurde gesteigerte Gendern angeht, ist der Skandal. Der Skandal ist, daß die seriösen Parteien es nicht tun. Daß sie dazu schweigen oder gar (wie vor allem die Grünen, aber auch große Teile der SPD, der Linken und selbst der CDU) die Sprachverhunzung noch forcieren – und von Germanistikprofessoren darin unterstützt werden.

Wenn es dann um den Anne Will’schen Knacklaut in Steuerzahler*innen geht, landet man endgültig im germanistischen Narrenhaus:

Wenn es schon bis ins Fernsehen durchdringt, kann sich solch ein Wandel auch weiter ausbreiten. Das kam übrigens nicht nur bei Anne Will vor – ich habe erst kürzlich auch bei Claus Kleber im „Heute journal“ den „glottalen Verschlusslaut“ gehört, wie das in der Phonetik heißt. Diesen Laut gibt es auch in unserer sonstigen Sprache, etwa wenn Sie das Wort „aktuell“ mit einer kurzen Unterbrechung aussprechen, also wie „aktu-ell“ oder bei „ide-al“. Das wäre kein sprachlicher Systembruch – das kriegt jeder hin. Und es erweist sich offenbar als ein Weg, die Doppelnennung effektiv zu verkürzen.

Ist das nicht wunderbar? Erst führen wir aus ideologischen Gründen die dummen „Doppelnennungen“ ein, und dann ersetzen wir sie, weil sie uns doch zu umständlich erscheinen, durch den noch absurderen „glottalen Verschlußlaut“, den „jeder hinkriegt“.

Soviel zum Zustand der Germanistik im Jahre 2020.

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Es gibt auch einen Mob der Gerechten

„Gendergerechte Sprache“, schreibt Johanna Usinger in ihrem Genderwörterbuch, „zeigt Wertschätzung gegenüber allen Menschen, unabhängig ihres Geschlechts.“

Das mag sein (auch wenn man als Wörterbücher verfassende Person wissen müßte, daß „unabhängig“ niemals den Genitiv regiert). Aber die feministische Sprachverhunzung zeigt vor allem eine tiefe Gleichgültigkeit, ja Verachtung gegenüber einer Sprache, die sich in Tausenden von Jahren entwickelt hat und niemals – niemals! – als Verfügungsmasse für politische und gesellschaftliche Ideologien zur Verfügung stehen darf. Sprache ist nie gerecht, das zeigt allein schon ihr Reichtum an Schimpfwörtern. Viele von ihnen sind „frauenfeindlich“ – wollen wir also demnächst auch die „dumme Gans“ oder das „Miststück“ sprachpolizeilich verbieten?

Nicht einmal den totalitären Regimen des 20. Jahrhunderts ist es gelungen, ihr newspeak durchzusetzen; sie haben allenfalls Sprachregelungen für einen Teil des Vokabulars erzwingen können, und selbst die sind mit dem Ende ihrer Herrschaft wieder verschwunden. Die Sprachen haben nämlich gottlob eine große Selbstreinigungskraft, ein Beharrungsvermögen, an dem sich die selbsternannten Gerechtigkeitsapostel, die sich dreist die Verfügungsgewalt über unsere gemeinsame Sprache anmaßen, am Ende die Zähne ausbeißen werden.

Aber immerhin: diese „Gerechten“ können eine Zeitlang, ehe der Spuk wieder vorbei ist, großen Schaden anrichten. Ihr Kampf gegen die Sprache (und nichts anderes ist es!) hat etwas Unbedingtes, Totalitäres, nichts zählt mehr, keine Geschichte, keine Kultur, keine Schönheit des Ausdrucks, es gibt nur noch (Pseudo-) Moral und (Pseudo-) Gerechtigkeit. So geht jetzt in den USA eine rabiate Bilderstürmerei um, die Columbus-Statue in Boston ist von den Gerechten geköpft worden (der Bürgermeister will sie demnächst ganz entfernen), und jenseits des Atlantiks, in Bristol, haben „Demonstrierende“ (so die taz) das Colston-Denkmal ins Wasser gestürzt, weil der Kaufmann Edward Colston im 17. Jahrhundert (!) als Mitglied der Royal African Company auch am Sklavenhandel beteiligt war. Ja, Gerechtigkeit wird auch rückwirkend durchgesetzt. In den Südstaaten der USA sollen nicht nur die Denkmäler der Südstaaten-Generäle verschwinden, auch ihre Namen will man auslöschen, so wie es die Römer mit ihren in Ungnade gefallenen Kaisern gemacht haben.

Diese Bewegung ist schon deshalb völlig ahistorisch, weil sie die Maßstäbe der Gegenwart an die kulturellen Artefakte der Vergangenheit anlegt, so wie etwa die fanatischen Sprachreiniger darauf bestehen, daß die Weltliteratur – vom „Negerkönig“ der Astrid Lindgren bis zurück zum „Huckelberry Finn“ oder gar zur Bibel – von allem gesäubert werden muß, was die zarte, sensible „Verletzlichkeit“ der Gegenwart verstören könnte.

Ja, es gibt den Mob der Plünderer und Kleinkriminellen, der in den Tagen des Aufruhrs die Gunst der Stunde zum Brandschatzen und zum Plündern von Geschäften nutzt. Aber es gibt auch den Mob der Gerechten: er nutzt die Gunst der Stunde, um die Geschichte in das Prokrustesbett der Hyper-Moral zu zwängen und alles Störende durch eine damnatio memoriae auszulöschen.

Und dieser Mob der Gerechten könnte sich am Ende als gefährlicher erweisen als alle Plünderungen und Brandschatzungen.

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Köstliche Beispiele für gendergerechte Sprache, erdacht und verfaßt von einer Abenteuer mutigen Person

Johanna Usinger nennt ihre Internetseite ganz unbescheiden „Das Genderwörterbuch„. Sie stellt darin von A bis Z den „üblichen Begriffen“ (also denen des herrschenden Patriarchats) ihre „gendergerechten Alternativen“ gegenüber.

Ein paar Beispiele gefällig? Hier sind sie:

Abenteurer: Waghals; Abenteuer liebende Person; Abenteuer mutige Person
Abonnent: Bezugsperson; Medien beziehende Person
Absolventen: Abschluss inhabende Person
Agent: auskundschaftende Person; spionierende Person
Ampelmännchen: Ampelfigürchen; Ampelmenschlein
Anhänger: Fans; Begeisterte; Gleichgesinnte; Unterstützende; Sympathisierende; sich (einer Bewegung, einem Verein) Zuordnende; Zugehörige (einer Bewegung); Mitwirkende; Befürwortende
Anrainer: Person nebenan; Person, die neben an wohnt
Arbeitgeber: Person, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellt
Architekten: Architekturschaffende
Arzt: Person im ärztlichen Dienst
Athlet: sporttreibende Person
Autofahrer: Auto fahrende Person; Auto führende Person; Person am Steuer
Autor: bücherschreibende Person
Bäcker: Backwaren produzierende Person; Gebäck herstellende Person
Bauern: Landwirtschaft Betreibende
Bergsteiger: Bergbegeisterte
Besitzer: besitzhabende Person
Bewohnerzimmer: Bewohnendenzimmer.

Und so geht es immer weiter. Ein Chirurg, den man demnächst als „chirurgische Fachkraft“ bezeichnen soll, wird darüber nicht sehr begeistert sein, ebensowenig ein Diplomingenieur, der zu einer „diplomierten technischen Fachkraft“ wird. Was ein Drachenlord ist, weiß ich nicht; jedenfalls wird er zu einer „herrschenden Drachenperson“. Aus dem Fahrgast wird eine „gegen Entgelt transportierte Person“, aus dem Fahrschüler ein „Fahrlernender“, aus dem Fan eine „in besonderem Maße begeisterte Person“. Und der altehrwürdige Gärtner muß es sich gefallen lassen, daß er aus Gründen der Gendergerechtigkeit zu einer „Gartenarbeitskraft“ herabgesetzt wird.

Immer wieder fragt man sich: ist das wirklich ernst gemeint? Oder wollte da jemand den grassierenden Genderwahn mal so richtig durch den Kakao ziehen? Aber nein, die „verfassende Person“ meint das wirklich ernst, todernst. Und während sie echte Wörter durch die absurdesten und albernsten Umschreibungen ersetzt (und gar aus dem Abonnenten eine Bezugsperson macht!), kommt sie sich – da bin ich ziemlich sicher – wie ein/e Frontsoldat*in eines gerechten Feldzugs vor. Dabei zieht sie, ohne es zu merken, in den Krieg gegen das Schönste und Wertvollste, was wir in unserer Kultur besitzen: unsere Sprache.

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Relaxt?

Das hat man gestern im Sportteil der F.A.Z. gelesen:

Vor dem Derby gegen Mainz ist die Eintracht völlig relaxt. Der Druck ist weg, stattdessen geht es allein um die Lust auf Leistung.

Stutzen Sie da auch bei dem Wort „relaxt“? Das Adjektiv ist vor langer Zeit aus dem Englischen in unsere Umgangssprache eingedrungen und ist dort – also im mündlichen Deutsch – inzwischen vollständig eingebürgert. Wenn man es nicht schreibt, sondern spricht, gibt es auch keine Probleme, die Aussprache – [riˈlɛkst] – ist im Deutschen und im Englischen gleich. „Relaxed“ wird inzwischen in fast jeder Hinsicht wie ein deutsches Wort verwendet.

Aber wie schreibt man es? Da wird es schwierig. Als Fremdwort wird man es in der Regel erst einmal so schreiben wie in der Herkunftssprache, also „relaxed“. Gegen einen Satz wie

er wirkte ganz relaxed

kann man auch nichts einwenden. So richtig schwierig wird es freilich, wenn man das Wort attributiv verwendet, etwa so:

Er machte einen ganz relaxeden Eindruck.

Man sieht sofort: „relaxeden“, das geht gar nicht, schon, weil es eher nach einem (unbekannten) Verb aussieht als nach einem Adjektiv. Der Duden bietet folgende Lösung an:

re­laxed, attributiv und bei Steigerung nur re­laxt.

Beispiele: relaxed oder relaxt sein; aber nur ein relaxter Typ; sie war die Relaxteste von allen.

Das ist eine Lösung, mit der sich mein Sprachgefühl freilich nicht so recht anfreunden kann. Ich weiß: „relaxt“ ist formal richtig, wenn man es als Partizip des (viel später eingebürgerten) „relaxen“ betrachtet. Aber es hat für mich schon beim Lesen etwas Falsches, es klingt nach brachialem Eindeutschen (fehlt nur noch, daß man irgendwann „rilächsen“ schreibt).

Eine vernünftige und zufriedenstellende Lösung für dieses Problem gibt es wohl nicht. Meine persönliche Ausweichregel wäre: das Adjektiv immer „relaxed“ schreiben und es attributiv überhaupt nicht verwenden (oder durch ein anderes Adjektiv ersetzen).

Zumindest könnte man auf diese Weise die garstige Form „relaxt“ vermeiden.

PS: Die „relaxte“ Eintracht hat heute übrigens trotz aller Relaxtheit mit 0:2 gegen Mainz verloren.

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Späte Einsicht

James Mattis teilte das Schicksal fast aller engeren Mitarbeiter des amerikanischen Präsidenten: er wurde geheuert und gefeuert, auch wenn sein Abschied nach nur zwei Jahren als Rücktritt dargestellt wurde. Dann ist es ruhig geworden um Mattis.

Jetzt hat er sich in einem Gastbeitrag in dem Magazin „The Atlantic“ mit Sätzen zurückgemeldet, denen wenig hinzuzufügen ist:

Donald Trump is the first president in my lifetime who does not try to unite the American people—does not even pretend to try. Instead he tries to divide us. We are witnessing the consequences of three years of this deliberate effort. We are witnessing the consequences of three years without mature leadership. We can unite without him, drawing on the strengths inherent in our civil society. This will not be easy, as the past few days have shown, but we owe it to our fellow citizens; to past generations that bled to defend our promise; and to our children.

Auf deutsch:

Donald Trump ist der erste Präsident in meiner Lebenszeit, der nicht versucht, das amerikanische Volk zu einen – der nicht einmal vorgibt, das zu versuchen. Stattdessen versucht er, uns zu entzweien. Wir sind Zeugen der Folgen dieses drei Jahre währenden Bemühens. Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung. Wir können uns ohne ihn vereinen und dabei Kraft aus der Stärke unserer Zivilgesellschaft ziehen. Das wird nicht leicht sein, wie die vergangenen paar Tage gezeigt haben, aber wir schulden es unseren Mitbürgern, den vorangegangenen Generationen, die ihr Blut vergossen haben, um unsere Versprechen zu erfüllen, und wir schulden es unseren Kindern.

Und er fügt hinzu:

Als ich meine militärische Laufbahn begann, leistete ich einen Eid auf die Verfassung. Ich dachte nicht im Traum daran, daß irgendwann einmal Truppen, die denselben Eid geschworen haben, den Befehl erhalten würden, die verfassungsmäßigen Rechte ihrer Mitbürger zu verletzen, geschweige denn für einen bizarren Fotoauftritt des Oberbefehlshabers zu sorgen, bei dem die Militärführung danebensteht.

Das ist alles richtig, und wer könnte sich etwas Obszöneres vorstellen als diesen „prahlerischen Hanswurst“ (so hat ihn der der große amerikanische Schriftsteller Philip Roth genannt), der sich, von seinen Hofschranzen umringt und eine Bibel in der hochgereckten Hand, vor eine Kirche für die Fotografen in Szene setzt? Aber die Einsicht kommt spät.

Die Erkenntnis, was für ein Präsident da im Amte ist, war womöglich bei Mattis schon länger da, vielleicht wollte er, als er seine Berufung ins Amt des Verteidigungsministers übernahm, auch nur das Schlimmste verhüten. Aber jetzt hat er seine Meinung öffentlich (und kraftvoll!) ausgesprochen, und das wird andere, denen es bisher an Mut gemangelt hat, hoffentlich dazu ermuntern, zu Trump nicht länger zu schweigen.

Amerika hat diesen Präsidenten gewählt, aber es hat ihn nicht verdient.

PS: Den Gastbeitrag von James Mattis können Sie hier im Wortlaut nachlesen.

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Abraham Lincoln über Donald Trump

Am 27. Januar 1838 hielt der junge Abraham Lincoln, damals Abgeordneter im Repräsentantenhaus von Illinois und noch keine dreißig Jahre alt, am Young Men’s Lyceum in Springfield, Illinois eine Rede. Es war seine erste Rede, die gedruckt wurde, und viele andere sollten ihr folgen.

Worum ging es in Lincolns Ansprache? Die höchsten Ämter, die eine Demokratie zu vergeben habe, sagte er, seien ein Sitz im Kongreß oder das Amt eines Gouverneurs oder das des Präsidenten. Aber auch in den Vereinigten Staaten werde es einmal ehrgeizige, machthungrige Menschen geben, die sich damit nicht begnügen würden.

What! think you these places would satisfy an Alexander, a Caesar, or a Napoleon? Never!

Und er fährt fort:

Ist es unvernünftig zu erwarten, dass ein Mann, der besessen ist von seinem unschlagbaren Genie, gekoppelt mit einem Verlangen, das bis zum Äußersten geht, irgendwann einmal aus unserer Mitte aufsteigt? Wenn dieser kommt, dann braucht es Menschen, die miteinander einig sind, die an Regierung und Gesetzen hängen, und die klug sind, um seine Pläne erfolgreich zu stoppen.

Im amerikanischen Original heißt die Stelle:

Is it unreasonable, then, to expect that some man possessed of the loftiest genius, coupled with ambition sufficient to push it to its utmost stretch, will at some time spring up among us? And when such an one does, it will require the people to be united with each other, attached to the government and laws, and generally intelligent, to successfully frustrate his designs.

Man weiß bei uns viel zu wenig über die amerikanische Geschichte. Dabei kann man so viel von ihr lernen.

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„Anne Will gendert seit Langem konsequent“

Zwei Tage vor dem „8. Deutschen Diversity-Tag“ (hier auch in schlichter Kürze „DDT20“ genannt), von dem hierzulande außer ein paar Splittergrüppchen zurecht niemand Notiz genommen hat, bewies Anne Will in ihrer Talkshow, wie weit die planmäßige, ideologisch verbrämte Zerstörung der deutschen Sprache als einer Kultursprache schon gediehen ist. Sie genderte munter drauflos und sprach tatsächlich vom „Bund der Steuerzahler (Pause) innen“, wobei das Päuschen zwischen „Steuerzahler“ und „innen“ als Pause oder gar als Knacklaut beschrieben worden ist.

„Wir gendern schon lange“, schrieb Anne Will dazu auf Twitter, und der ARD-Sprecher fügte hinzu (hier nachzulesen):

Anne Will gendert seit Langem konsequent. Sie hat mit ihrem Sprachgebrauch zwei Tage vor dem Diversity-Tag ein Signal gesetzt und damit eine wichtige öffentliche Diskussion angestoßen.

Sie hat eine Diskussion „angestoßen“? Na, das wäre wunderbar, man kann nämlich gar nicht genug Diskussionen anstoßen. Aber zwischen einer Diskussion und einem durch politischen und ideologischen Druck erzeugten Diktat besteht denn doch ein großer Unterschied.

Daß hier nicht einfach „die Sprache sich verändert“, wie uns viele Germanisten weismachen wollen, hat die Schriftstellerin Monika Maron schön herausgearbeitet (hier nachzulesen):

2019 hat sie eine Online-Petition gegen den „Gender-Unfug“ initiiert, die bisher 75.000 Unterzeichner fand. „Die politische Bereinigung der Sprache ist eine geradezu diktatorische, auf jeden Fall eine ideologische Anmaßung, die nur Leute mit Hoheitsgewalt durchsetzen können: in Behörden, Rathäusern, Universitäten, öffentlich-rechtlichen Sendern“, sagt sie.

Das Argument, das ihr am häufigsten entgegengehalten werde, laute, dass die Sprache sich doch ohnehin ständig verändere. „Das stimmt“, sagt Maron: „Die Sprache verändert sich. Aber jetzt soll sie gewaltsam verändert und verunstaltet werden.“

Das spricht mir aus dem Herzen. Aber wo sind ihre Schriftstellerkollegen? Sind sie nicht die eigentlichen Hüter der Sprache? Doch von den meisten kommt zu diesem Thema – nichts. Interessiert es sie nicht, was hier der deutschen Sprache angetan wird?

Die aber, die sich als Germanisten mit unserer Sprache akademisch beschäftigen, leben heute – ganz anders als noch zu meiner Zeit – in einem Zustand selbstverschuldeter Bedeutungslosigkeit und teilen dieses Schicksal mit den meisten Geisteswissenschaften. Ich verfolge, wenn auch nicht intensiv, was in der Presse gelegentlich über ihre Tagungen und Auseinandersetzungen berichtet wird, und was man da erfährt, gibt wenig Hoffnung, daß die deutsche Sprache unter ihnen kraftvolle Verteidiger finden könnte. Das Gegenteil ist der Fall.

Als Beispiel werde ich in den nächsten Tagen einen von ihnen vorstellen, der sich in einem Interview in typischer Weise zum Gendern geäußert hat.

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Der kranke Mann im Weißen Haus

Die American Psychiatric Association listet in ihrem Klassifikationssystem unter der Kennziffer 301.81 die narzißtische Persönlichkeitsstörung auf. Wer mindestens fünf der neun Kriterien erfüllt, leidet unter dieser Störung (ich habe schon einmal darüber berichtet und wiederhole mich aus gegebenem Anlaß):

Hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (z. B. übertreibt die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).

Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.

Glaubt von sich, „besonders“ und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können.

Verlangt nach übermäßiger Bewunderung.

Legt ein Anspruchsdenken an den Tag (d. h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen).

Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch (d. h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen).

Zeigt einen Mangel an Empathie: Ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.

Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie.

Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.

Kann man da überhaupt zweierlei Meinung sein? Daß viele Amerikaner auf Trumps marktschreierische „America first!“-Kampagne hereingefallen sind, kann man vielleicht noch verstehen. Warum aber eine Mehrheit von ihnen (den gesamten republikanischen Parteiapparat eingeschlossen) ihm auch heute noch treu ergeben ist, wird wohl für immer ein Rätsel bleiben.

Ein Grund für Antiamerikanismus oder mangelndes Vertrauen in die amerikanische Demokratie ist das freilich nicht, denn (um ein bekanntes Wort abzuwandeln): die Trumps kommen und gehen, das amerikanische Volk bleibt. Und erst recht bleibt für immer die grandiose Declaration of Independence, die zum Leuchtturm der Demokratie auf der ganzen Welt geworden ist.

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