Kubicki verharmlost die Chemnitzer Zustände

Nach Söder und Seehofer, die mit kläglichem Erfolg die AfD rechts überholen wollten, nun auch Kubicki (im Originalton):

Die Wurzeln für die Ausschreitungen liegen im ‚Wir-schaffen-das‘ von Kanzlerin Angela Merkel.

Es sei nicht gelungen, „die Menschen im Osten zu integrieren und ihnen anerkennende Wertschätzung entgegenzubringen“, sagte er.

Wie sollen sich Menschen fühlen, die glauben, alles was ihnen jahrelang vorenthalten oder gestrichen wurde, werde auf einmal Flüchtlingen gewährt?

Außerdem gebe es dort keine „rechtsextremistische Massenbewegung“, das sei maßlos übertrieben. Das stimmt: eine Massenbewegung gibt es dort nicht, aber das ist auch gar nicht nötig. Auch die NSDAP hat klein angefangen, erreichte aber bei den sächsischen Landtagswahlen 1930 schon 14,4% der Wählerstimmen.

Ich habe mich eingehend mit dem Ende der Weimarer Republik befaßt, und wer einmal die Reden und Artikel der damaligen Rechtsextremisten näher betrachtet, wird entsetzt sein über die Parallelen. Die Uniformen fehlen, aber sonst ist alles da: Haß und Gewalt, Grölen, ständiges Aufhetzen der Bevölkerung gegen Minderheiten (damals die Juden, heute Flüchtlinge und Muslime insgesamt). Auch das Vokabular („Altparteien“, „Lügenpresse“, „Volksverräter“ usw.), und der rhetorische Duktus etwa eines Höcke ist von den damaligen Hetzreden kaum zu unterscheiden. Da bedarf es keiner „Massen“, eine kleine Gruppe von entschlossenen Hetzern und Schlägern kann ein ganzes Dorf einschüchtern.

Warum gerade im Osten so viele Menschen den Bauernfängern auf den Leim gehen, weiß ich auch nicht. Kubickis Argument von der fehlenden „Wertschätzung“ und „Integration“ der ostdeutschen Bevölkerung ist jedenfalls kaum nachvollziehbar. Sind das jetzt Kinder? Oder Eingeborene, die man betüteln und einer mühsamen Inkulturation unterwerfen muß?

Nein, das sind gestandene, erwachsene Menschen, und sie müssen verantworten, was sie tun.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Kirchenglocken für Hitlers Krieg

Es ist ein wenig bekanntes Kapitel in der Geschichte der Nazizeit: um an kriegswichtige Metalle zu kommen, haben die NS-Behörden über 100.000 Kirchenglocken gestohlen und eingeschmolzen. Das ging nicht ohne Widerstand ab (hier nachzulesen):

Am 12. Dezember 1941 schrieb Goebbels in sein Tagebuch: „Vor allem die Wegnahme der Glocken hat in einzelnen Gauen zu schweren Verstimmungen geführt“, was er auf die „Hetze der Pfaffen“ zurückführte. Nur kurz darauf berichtete er erneut über „Kräche“ in einigen Gauen infolge der Glockenabnahme. In einigen Orten um Würzburg sei es sogar zu Demonstrationen gekommen.

Trotzdem konnte die Einschmelzung der Glocken für Hitlers Krieg fast nirgends verhindert werden. Am Ende sind nur ca. 10.000 Kirchenglocken der Vernichtung entgangen. Sie lagerten noch auf sog. „Glockenfriedhöfen“, als der Krieg zuende war, viele von ihnen konnten den Gemeinden zurückgegeben werden.

Veröffentlicht unter Christentum, Politik | Schreib einen Kommentar

Über die sächsische Polizei

Die kommunistische Herrschaft hat in allen Ländern politische und moralische Verwüstungen hinterlassen, auch in der früheren DDR. Wer geglaubt hat, daß es mit dem „Negerklatschen“ nach der Wende und dem versuchten Autodafé an den Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen sein Bewenden hatte, wird durch zahlreiche Vorkommnisse danach eines Schlimmeren belehrt.

Der neueste Fall: ein Angestellter des LKA Dresden, mit einem lustigen schwarz-rot-goldenen Hütchen ausgestattet, hat als Pegida-Demonstrant zusammen mit sächsischen Polizisten die journalistische Arbeit eines ZDF-Teams eine Dreiviertelstunde lang behindert. Und sowohl der Polizeipräsident als auch der sächsische Ministerpräsident haben darauf reagiert, als lebten wir schon heute unter einem Orbán oder einem Putin.

So mancher ähnliche Vorfall dieser Art in den letzten Jahren erweckt im politischen Betrachter den Verdacht, daß es in der Polizei der neuen Bundesländer eine klammheimliche Freude an rechtsextremen Gesinnungen gibt.

In diesem Fall muß ich (ausnahmsweise!) Katarina Barley recht geben, die auf die sächsischen Vorkommnisse schnell und richtig reagiert hat:

Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden … Pressefreiheit ist ein herausragendes Gut in unserer Gesellschaft und nach unserem Grundgesetz.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Politik, Sonstiges | Schreib einen Kommentar

Gender Studies und die „rechten Kreise“

Die ungarische Regierung, so liest man auf tagesschau.de, will das Fach Gender Studies verbieten. Und Andrej Reisin, der NDR-Redakteur, fragt (hier nachzulesen):

Warum ist das Studienfach vor allem in rechten Kreisen so umstritten?

Zunächst einmal: ich gehöre nun wirklich nicht zu den „rechten Kreisen“. Für mich sind AfD, Pegida und die Neue Rechte (die ja ganz und gar nicht neu ist, sondern allenfalls zur Verkleidung ein neues Mäntelchen angelegt hat!) die größte Gefahr für die Demokratie in unserem Land. Und Viktor Orban und sein Regime sind schon gar nicht meine Freunde.

Ich sehe aber nicht ein, daß der ganze Genderunfug nur deshalb kein Unfug mehr sein soll, weil sich die AfD, wie es ihre Art ist, zum Wählerfang dieser Sache populistisch annimmt. Die Einwände gegen die Gender Studies sind so gravierend, daß man sie nun wirklich nicht mit dem Popanz AfD wegdiskutieren kann.

Hier geht es darum, daß sich dieses „Fach“ nur deshalb an den Hochschulen etablieren konnte, weil Linke und Grüne ihre Macht in Länderparlamenten und Universitäten dazu benutzt haben, aus einer altbackenen, wissenschaftlich fragwürdigen Ideologie ein Universitätsfach zu konstruieren. Nicht um Wissenschaft geht es also, sondern um Macht, Politik und Ideologie.

Jede Wissenschaft – etwa Theologie, Philosophie, die Hirnforschung, auch jede Geisteswissenschaft – muß immer wieder die eigene Wissenschaftlichkeit überprüfen (und tut es auch, wenn sie seriös ist). Ein Fach aber, das die kritische Frage nach seiner Wissenschaftlichkeit nicht mehr stellt oder diese Frage mit politischen oder ideologischen  Argumenten (AfD!) abblockt, weckt zurecht Zweifel.

Auch wenn es dank massiver Unterstützung aus der Politik hunderte oder (weltweit) tausende Professorinnen zu den Gender Studies geben sollte, das alles ist allenfalls ein Zeichen des herrschenden Zeitgeistes. Als Beweis, daß es sich hier wirklich um eine Wissenschaft handelt, taugt es nicht.

Im übrigen, liebe Tagesschau, sind die Gender Studies nicht „umkämpft“, sondern „umstritten“. Das ist nicht dasselbe.

Veröffentlicht unter Philosophie, Politik, Sonstiges | Schreib einen Kommentar

Frankfurter Allgemeine: Italien „gedenkt Opfern“

Diese Schlagzeile habe ich heute zu meinem Entsetzen in der Online-Ausgabe der F.A.Z. gelesen:

Italien gedenkt Opfern mit Staatsakt.

Das Verb „gedenken“ verlangt im Hochdeutschen zwingend den Genitiv – oder täusche ich mich da? Es müßte also auf jeden Fall „gedenkt der Opfer“ heißen.

Oder ist jetzt auch schon in der F.A.Z. der Dativ dem Genitiv sein Tod?

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Sprache und Literatur | 1 Kommentar

Die Digitalisierung der Schule – ein einziger Schmarrn

Gerade habe ich die Meldung gehört, daß in Berlin nur noch gut 30 % der neueingestellten „Lehrer“ eine fachliche Ausbildung haben. „Unterrichten statt kellnern“ – mit diesem Motto, das von Wowereit stammen könnte, sollen Studenten und Fachfremde jeder Art wie von Zauberhand zu Lehrern werden, und das in einer Zeit, in der selbst gut ausgebildete und erfahrene Lehrer in den durch soziale Konflikte und die katastrophale, über alle Maßen dumme Inklusionsentscheidung gebeutelten Klassen vielerorts kaum noch für ein gutes Lernklima sorgen können.

Deutschland schwimmt in Geld, weiß oft nicht einmal, wohin damit – aber für die Schulen bleibt kaum etwas übrig. Allenfalls propagiert man eine völlig überflüssige und nur für die IT-Lobby erfreuliche „Digitalisierung“, für die, wie es aussieht, Milliarden Euro bereitgestellt werden sollen. Als ob nicht die Kinder schon heute von klein auf mit Handy, Tablet und Computer komplett zudigititalisiert würden! Da müßte doch die Schule einen Kontrapunkt setzen: raus mit dem ganzen Digitalkram aus den Klassen und endlich wieder auf das setzen, was Pädagogik eigentlich ausmacht: das Verhältnis des Lehrers zu seinen Schülern, sein Charisma, das unendlich viel wichtiger ist als die ganze Hardware, die man jetzt für viel Geld einkaufen will.

Jeder kann sich selbst davon überzeugen: woran erinnert man sich am ehesten, wenn man an seine Schulzeit zurückdenkt? Es sind fast immer einzelne Lehrer, oft ein bißchen schrullige, eigensinnige Lehrer, deren Begeisterung für ihr Fachgebiet aber ansteckend war. Es sind nicht irgendwelche Geräte oder Unterrichtshilfen, an die man sich erinnert, es sind immer Lehrer. Wenn diese menschliche Beziehung zwischen Lehrern und Schülern nicht zustandekommt, helfen auch die besten Computer nichts, von den lächerlichen Hymnen auf „interaktive Tafeln“ und dergleichen ganz zu schweigen.

Die zutiefst menschliche Beziehung zwischen Lehrer und Schüler ist das A und O des Lernens und damit auch des schulischen Erfolgs.

Alles andere ist nur Beiwerk.

Veröffentlicht unter Politik, Sonstiges | Schreib einen Kommentar

Kritik am Sultan = Terrorpropaganda

Erdogan hat wieder zugeschlagen: ein kurdischstämmiger Deutscher, der in Hamburg als selbständiger Taxifahrer arbeitet, ist während eines Besuchs bei seiner Mutter in der Südost-Türkei verhaftet worden. Hier kann man den Grund der Verhaftung nachlesen:

Auf seiner Facebook-Seite soll sich Ilhami A. kritisch gegenüber der türkischen Regierung geäußert haben, so der Anwalt. In dem Haftbefehl werde Ilhami A. deswegen Terrorpropaganda vorgeworfen.

Natürlich sind die Schergen des Sultans „am frühen Morgen“ in das Elternhaus des Mannes eingedrungen – das hat die Gestapo auch so gemacht.

Die mathematischen Berechnungen in Erdogans tausendzimmrigem Palast in Ankara könnte man folgendermaßen beschreiben: wieviele Geiseln muß ich noch einkerkern, um die Auslieferung des Erzfeindes Gülen zu erzwingen?

Das Auswärtige Amt sollte viel deutlicher darauf hinweisen, daß jeder, der in seinem Leben irgendwann einmal Erdogan kritisiert hat, auf keinen Fall in die Türkei reisen darf. Ob der Sultan unter den bei uns lebenden Türken Zuträger hat, die kritisch eingestellte Mitbürger denunzieren, ist noch nicht bewiesen, aber manches deutet darauf hin.

Veröffentlicht unter Islam, Politik | Schreib einen Kommentar

Adel verpflichtet – Neues aus der Feder der Beatrix von Storch

Heute ist eine Autobahnbrücke in Genua eingestürzt. Wieviele Opfer das Unglück gekostet hat, weiß man noch nicht – es soll mindestens 30 Tote gegeben haben. Spiegel Online twitterte:

In der italienischen Hafenstadt Genua ist eine vierspurige Autobahnbrücke eingestürzt. Bisher gibt es noch keine Berichte über mögliche Opfer. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Und was macht die Frau von Storch? Sie beliebt zu scherzen und twittert zurück:

Wer sind denn nun die Laufenden?

So etwas sagt viel aus: über den moralischen Zustand des deutschen Adels – und über den moralischen Zustand der AfD.

Veröffentlicht unter Internet, Politik | Schreib einen Kommentar

Ich improve mich jetzt selbst!

Die wirklich sensationellen Erkenntnisse kommen heutzutage aus dem Internet, ob das nun medizinische Studien bei heilpraxisnet.de sind, Wundersames zum Klimawandel von Alexander Gauland – oder das hier:

Bücher und Co. sind entscheidende Helfer beim Self-Improvement.

Michelle Winner hat diese völlig neue Erkenntnis (hier nachzulesen) soeben im OnlineMarketing Karrieremagazin veröffentlicht. Es sei nämlich, schreibt sie, „leider unabdingbar auch einen Teil der Freizeit zum Self-Improvement zu nutzen“:

Das tun zumindest die erfolgreichsten Menschen der Welt.

Und es geht weiter, Schlag auf Schlag:

So wurde in einer fünfjährigen Studie festgestellt, dass 86 Prozent der 200 befragten Self-Made-Millionäre lesen würden.

Auf den ersten Blick könne „ein dickes Buch abschreckend wirken“. Doch die Autorin macht uns Mut:

Ein wenig Zeit für Lektüre findet sich im Normalfall immer, zum Beispiel auf dem Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln, vor dem Schlafen oder eben auf der Toilette.

Und fünf Stunden pro Woche genügen, egal, ob man „unterhaltsame Werke“ oder „Fachliteratur zur persönlichen Weiterbildung“ liest.

Merkwürdig: daran habe ich mich immer gehalten, aber ein „Self-Made-Millionär“ bin ich nie geworden. Ich muß irgendetwas falsch gemacht haben. Auf jeden Fall werde ich von jetzt an versuchen, mich gehörig selbst zu improven.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Internet, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Neuer Orgasmus-Trend!

Wir leben in einer merkwürdigen Welt. Wie hätte es sonst in der Online-Ausgabe der Hamburger Morgenpost (hier nachzulesen) zu einer solchen Schlagzeile kommen können:

Ärzte warnen
Neuer Orgasmus-Trend nennt sich Peegasm und ist gefährlich.

Ein neuer Orgasmus-Trend also, fett gedruckt in Riesenbuchstaben. Die Bildunterschrift unter einem „Symbolbild“ bringt dann Klarheit:

Im Internet beschreiben Frauen, dass sie sich zum Orgasmus pinkeln können. Ärzte warnen davor.

Mich würde einmal etwas ganz anderes interessieren: was sind das für Menschen, die an ihrem Redaktionsschreibtisch solche Schlagzeilen produzieren? Sind sie noch bei Verstand? Oder müßten sie nicht besser (wie eben gerade Jan Ullrich) in die Psychiatrie eingewiesen werden?

Aber müßten dann nicht auch ihre Leser eingewiesen werden?

Fragen über Fragen.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Internet, Sonstiges, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar