Die Weisheit Nr. 11 einer Paartherapeut*in

In der Zeitschrift „Elle“ hat uns die Berliner Paartherapeutin Birgit Fehst 13 „knallharte Wahrheiten“ über Paarbeziehungen mitgeteilt. Die „Beziehungs-Weisheit Nr. 4“ lautet (hier nachzulesen):

Alleine werden Sie sich niemals so einsam fühlen wie in einer Beziehung mit einer*einem Narzisst*in.

Was heißt das jetzt? Fühle ich mich einsam mit einem Narzisstin? Oder mit einer Narzisst? Oder fühle ich mich einsam, weil meine Paartherapeutin und die Redakteure der Zeitschrift „Elle“ jahrelang den Deutschunterricht geschwänzt haben und deshalb nur noch Deppendeutsch schreiben können?

Und weil wir schon einmal dabei sind – hier ist die „Beziehungs-Weisheit Nr. 11“, die ich aus verständlichen Gründen ganz groß schreibe:

Sie müssen die*den richtige*n Partner*in nicht davon überzeugen, dass sie*er die*der richtige Partner*in ist.

Das, lieber Leser, ist keine Satire – es steht genau so in der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Elle“.

Die Fastnachtssitzungen sind zwar schon vorbei, aber der Elferrat in Mainz würde an dieser Stelle ausrufen: „Narrhalla-Marsch!“

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Schämt euch! oder: Wie im geschichtsvergessenen Deutschland wieder einmal „Peace for our time!“ gerufen wird

Um es gleich vorweg zu sagen: ich habe mich lange nicht mehr so für eine Veranstaltung geschämt wie für diese „Friedensdemonstration“ und das dumme und zynische Manifest von Schwarzer und Wagenknecht.

Dumm ist es, weil es die wichtigste, die allerwichtigste Lehre aus dem 20. Jahrhundert bewußt unterdrückt: daß die naive Friedensseligkeit, wie sie sich 1938 im Münchner Abkommen mit Hitler manifestiert, geradewegs in den Weltkrieg geführt hat. Für einen gefräßigen Diktator ist ein Waffenstillstand das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Er würde die gewonnene Zeit nur dazu nutzen, die Kriegsproduktion noch einmal zu beschleunigen, um nach dem (ziemlich sicheren) Scheitern der Verhandlungen der Ukraine den Todesstoß zu versetzen. Der Konflikt um das Sudetenland ist eine Blaupause für den Ukrainekrieg: erst bricht man ein Stück des Nachbarlandes heraus, dann nimmt man sich den Rest. Schwarzer und Wagenknecht sind kluge Frauen, und wenn sie über diese Parallele geflissentlich hinweggehen und nur lautstark „Frieden! Frieden!“ rufen, dann muß da sehr viel Ideologie und alte Anhänglichkeit im Spiel sein – sei es die Prägung auf die „deutsch-sowjetische Freundschaft“ auf der einen oder eine nostalgische Sehnsucht nach der behaglichen alten Bundesrepublik auf der anderen Seite.

Viel schlimmer ist aber der Zynismus, der in dem Manifest ganz unverhohlen zutage tritt Es ist ein Manifest der Angst, und es will uns Angst machen:

Eskalation! Maximaler Gegenschlag! Jeder Tag bringt uns dem Weltkrieg näher! Angst um die Zukunft unserer Kinder! Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg!

„Beide Seiten“ sollen Kompromisse machen – das ist schon in der Formulierung mehr als niederträchtig, denn es stellt den brutalen Angreifer auf eine Stufe mit seinem Opfer. Schuld an den ruchlosen Verbrechen sind dann nicht die Täter, sondern die Opfer, weil sie die Frechheit haben, sich gegen den Angreifer zu wehren, statt sich ihm möglichst schnell zu unterwerfen.

„Präsident Selenskyj macht aus seinem Ziel kein Geheimnis“, heißt es im Manifest. Und was ist sein Ziel? Will er etwa sein Land gegen einen skrupellosen Angreifer beschützen? Keineswegs. Sein Ziel, so steht es im Manifest, sind „Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe“. So wird der gewählte Präsident der Ukraine, ein mutiger und sympathischer Mann, auf eine subtile und schäbige Art zum waffenlüsternen Kriegstreiber gemacht.

Hier erkenne ich übrigens sehr deutlich die Feder von Frau Schwarzer, die schon vor einem Jahr, kurz nach Beginn der Invasion, die militärischen Erfolge der ukrainischen Armee in einem Interview mit peinlich herablassenden Worten kleingeredet hat. Auch jetzt wieder schreibt sie, die Ukraine könne zwar „einzelne Schlachten gewinnen“, aber nicht den Krieg „gegen die größte Atommacht der Welt“. Fast hatte man das Gefühl, daß es ihr mit dem russischen Sieg gar nicht schnell genug gehen kann, damit sich die Deutschen wieder wie einst in der Bundesrepublik behaglich zurücklehnen und den Kampf gegen die Feinde der Demokratie wie damals anderen, vor allem den USA, überlassen können.

Die Liste der prominenten Erstunterzeichner liest sich deshalb auch wie ein Who is who der alten Bonner Republik. Vielen von ihnen – etwa Reinhard May, Hanna Schygulla und ein paar anderen – nehme ich die Sorge um den Frieden ab. Anderen nicht.

Dieses Manifest ist ein Manifest der Angst und der Feigheit. Und es ist ein Stück Demagogie von der ersten bis zur letzten Zeile. Hinter dem Friedensgerede und der „Sorge“ um „Hundertausende Tote“ versteckt sich in Wahrheit eine tiefe Verachtung für die Ukraine, der man offenbar das Recht abspricht, sich gegen einen mächtigen, verbrecherischen Angreifer zu verteidigen. Die beiden Damen wissen sehr genau, was sich in den von Rußland besetzten Gebieten zuträgt: Plünderung, Folter, Erschießungen, Vergewaltigungen – blanker Terror einer Soldateska, der man gesagt hat, daß sie mit den „Nazis“ und „Untermenschen“ machen kann, was sie will. Neuerdings schlägt man „Verrätern“ oder Deserteuren vor laufender Kamera mit dem Hammer den Schädel ein und stellt die Filme ins Internet. Kinder, die slawisch aussehen, werden zu Hunderten nach Rußland verschleppt, um sie zu russifizieren.

Es ist nicht abstrakt „der Krieg“, es sind Putins Soldaten und seine Söldner, die sich in den besetzten Gebieten benehmen wie einst die Landsknechte im 30jährigen Krieg. Für einen Moment freilich dachte ich, daß Wagenknecht diese Einsicht teilt, sagte sie doch in ihrer Rede in Berlin, daß Putin „wie ein Elefant im Porzellanladen über das internationale Parkett trampelt“. Aber beim zweiten Anhören merkte ich, daß ich mich verhört hatte. Nicht „Putin“ sagte sie, sondern „Baerbock“. Und schon wurde vom friedensbewegten Publikum „Baerbock muß weg!“ skandiert, und auch“Lügenpresse“ war wieder zu hören.

„Sie haben Angst vor uns“, rief Wagenknecht den Demonstranten triumphierend zu. Also ich, liebe Frau Wagenknecht, habe keine Angst vor Ihnen. Ich schäme mich nur für Sie.

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Liebe Frau Schwarzer, liebe Frau Wagenknecht,

da Sie in letzter Zeit so gerne Briefe schreiben, greife auch ich zur Feder. Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen.

Es war einmal ein durch und durch böser König, der herrschte über ein großes Reich. Kaum hatte er seine Feinde im Innern zum Schweigen gebracht, da gelüstete es ihn, sich das eine oder andere Nachbarland einzuverleiben. Sein Blick fiel auf ein kleines Ländchen im Südosten seines Reiches, und weil dort auch Landsleute von ihm lebten, drohte er damit, sein gewaltiges Heer in Gang zu setzen. Da bekamen es die großen Reiche in Europa mit der Angst zu tun. „Frieden, Frieden!“ riefen sie, und in den Zeitungen war zu lesen: „Wir müssen mit dem bösen König verhandeln, daran führt kein Weg vorbei. Er ist zwar böse, keine Frage, aber es gibt nichts Wichtigeres als den Frieden!“ Und so trafen sich die vier Könige mit dem durch und durch bösen König, und sie flehten ihn an und bettelten: „So hab doch Erbarmen mit unserem Kontinent, lieber König! Schenke uns Frieden!“ Und der böse König, so hatte es den Anschein, ließ sich tatsächlich erweichen und versprach, nur jene Teile des kleinen Landes in Besitz zu nehmen, wo seine Landsleute wohnten. Da waren die Könige ganz aus dem Häuschen vor Glück, und einer von ihnen schwenkte bei seiner Rückkehr den Vertrag und rief seinen Landsleuten nicht ohne Stolz zu, daß er seinem Zeitalter den Frieden gebracht habe. Und alle Menschen lebten fortan glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

So hätte das Märchen enden können. Aber es kam anders. Der König klatschte, als er wieder allein war, in die Hände und freute sich, daß ihm seine Eroberung gelungen war, ohne daß er einen einzigen Schuß abgeben mußte. Und es dauerte nicht lange, da nahm er sich auch den Rest des kleinen Landes, und er eroberte das nächste Land und das nächste und das übernächste, und bald brannte der ganze Erdkreis. Und als der große Krieg vorbei war, da wußten die Menschen (jedenfalls die klugen unter ihnen!), daß es falsch gewesen war, sich auf ein Blatt Papier und auf das Wort dieses ganz und gar bösen Königs zu verlassen.

Solche bösen Könige aber gab es von Anbeginn, und es wird sie immer geben. Und auch die Vergeßlichkeit des Menschen wird es immer geben. So konnte es geschehen, daß auch heute so ein böser, gefräßiger König sich ein Stück Land nach dem anderen einverleibt und schon wieder Menschen „Frieden! Frieden!“ rufen, statt den Anfängen zu wehren und dem bösen König in den Arm zu fallen.

„Peace for our time!“ mag 1938 ein naiver und menschlich verständlicher Wunschglaube gewesen sein. Wer aber im Jahr 2023 denselben Fehler macht, hat nichts aus der Geschichte gelernt. Auf seine Gutgläubigkeit wird er sich später einmal nicht berufen können.

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Sallust und die Widerwärtigkeit

Viele sind ja heilfroh, wenn sie nach dem Abitur das lästige Latein endlich los sind. Bei mir war das nicht so. Latein war eines meiner Lieblingsfächer, und jetzt – im fortgeschrittenen Alter – ist die alte Liebe wieder entbrannt. Deshalb greife ich gelegentlich zu einem der römischen Schriftsteller – und bin immer wieder erstaunt, wieviel sie uns heute, noch nach zweitausend Jahren, zu sagen haben.

Der eine oder andere wird das Zitat vielleicht kennen. Es stammt von Gaius Sallustius Crispus, meist nur Sallust genannt. In seiner Schrift „De Catilinae coniuratione“ bekennt er:

Sed ego adulescentulus initio, sicuti plerique, studio ad rem publicam latus sum, ibique mihi multa advorsa fuere. nam pro pudore, pro abstinentia, pro virtute audacia, largitio, avaritia vigebant.

Das heißt in der Übersetzung von Wilhelm Schöne (Sallust – Werke und Schriften, Heimeran-Verlag 1960):

Ich selbst nun habe mich in früher Jugend zunächst aus innerer Neigung wie die meisten auf die Politik geworfen; dort aber war mir vieles widerwärtig. Denn statt Anstand, Zurückhaltung und Tüchtigkeit blühten Frechheit, Bestechlichkeit und Habsucht.

Natürlich ist jede Ähnlichkeit mit unserer Gegenwart rein zufällig!

Seine „schwache Jugend“, schreibt Sallust weiter, sei „in so lasterhafter Umgebung von Ehrsucht betört worden und in ihrem Bann geblieben“. Das ist freilich belegt: zu dieser Welt des „Wiederwärtigen“ hat auch Sallust selbst lange gehört. Als Statthalter soll er die Provinz Africa Nova regelrecht ausgeplündert und sich von dem geraubten Geld eine prächtige Villa in Rom – in bester Lage! – zugelegt haben. Nach Caesars Tod zog er sich aus dem politischen Leben zurück und wurde zu einem der ersten großen römischen Geschichtsschreiber.

Kann man sich am Werk eines Künstlers oder Wissenschaftlers auch dann erfreuen, wenn man weiß, daß er menschlich und moralisch von zweifelhaftem Charakter war? Eine schwierige Frage, die man sich ja auch bei den Schriftstellern und Filmschauspielern im Dritten Reich immer wieder gestellt hat. Eigentlich müßte man die Person von ihrem Werk trennen, natürlich. Aber so ganz schafft man das oft nicht.

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Haben Sie schon ein Lobkärtchen von Ihrem Chef bekommen?

Na, dann wird’s aber Zeit! Kürzlich bei Amazon gesehen:

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100 Papierkärtchen:
Würdigen Sie Ihre Mitmenschen nachhaltig!

Die Infantilisierung schreitet also immer weiter fort. Nicht nur, daß jeder glaubt, daß er mein Kumpel ist und mich duzt (besonders penetrant der ALDI), jetzt verteilt der Chef auch noch Lobkärtchen an seine Mitarbeiter. Da steht dann drauf „exzellent“ oder „alle Achtung“ oder „fantastisch“. So bleibt man ein Erstkläßler sein Leben lang.

Kein Wunder, daß die Kunden begeistert sind. „Sorgt für Freude unter Kollegen oder im Alltag!“, schreibt einer. Weitere Stimmen:

Alle Kollegen finden es sei eine tolle Idee, jemandem so nachhaltig eine Freude zu bereiten.

Als Supervisor setze ich diese Kärtchen sehr gerne ein und sie werden von den Teams super aufgenommen. Kann man immer und zu jeder Zeit in jeder Teambesprechung etc. einsetzen.

Funktioniert super bei Angestellten im Alltag als Aufmerksamkeit! Egal ob an der Kasse im Supermarkt oder beim Briefzusteller, jeder freut sich.

Ach ja, „nachhaltig“ – ein völlig sinnentleertes Marketingwort, das längst nicht nur als Unwort des Jahres, sondern als „Unwort des 21. Jahrhunderts“ eingestuft werden müßte.

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Papst Franziskus – Null Bock auf Latein!

Anfang dieses Monats ist es schon zwei Jahre her, seit Papst Franziskus die Enzyklika „Fratelli tutti“ veröffentlicht hat. Sie ist zügig in alle wichtigen Sprachen übersetzt worden, selbst in die arabische, chinesische und ukrainische (hier nahzulesen) – aber bis heute nicht in die ureigene, traditionelle Sprache der katholischen Kirche: ins Lateinische.

Es wird immer deutlicher, wie wenig diesem Papst die Tradition wert ist. Natürlich hat die Ausdünnung des Lateinischen schon viel früher begonnen, aber Papst Benedikt, der die Sprache perfekt beherrschte, gab ihr noch einmal einen Anschub. 2012 gründete er mit einem Motu Proprio die „Päpstliche Akademie für die lateinische Sprache“ (Pontificia Academia Latinitatis), und sogar seinen Rücktritt – hier nachzulesen – gab er in lateinischer Sprache bekannt. So etwas ist von einem Papst nicht zu erwarten, der 2014, also schon im Jahr nach seiner Wahl, verfügt hatte, daß Latein nicht mehr offizielle Sprache der Weltbischofskonferenz sei.

Im Jahr 2019 waren gerade noch acht Latinisten mit der Übersetzung der päpstlichen Texte ins Lateinische beschäftigt. Wie viele es heute sind, weiß man nicht. Vielleicht sitzt irgendwann nur noch ein einsamer, ein letzter Mohikaner im Büro der Abteilung für die lateinische Sprasche, der sich dann Jahre damit abmühen muß, die nächste Enzyklika des Papstes zu übersetzen.

Je länger Papst Franziskus im Amt ist, umso mehr trauert man – und nicht nur wegen der lateinischen Sprache – um seinen Vorgänger.

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Die Kernfamilie – „laut einiger Wissenschaftler:innen“ ein Irrtum

Es ist nur ein Programmhinweis von arte über einen Beitrag der Reihe „Naked“. Er beginnt auf eine scheinheilige Weise harmlos:

Eine Familie zu gründen, bedeutet Rollen zu besetzen und Aufgaben anzunehmen. Wer kümmert sich um die Kinder, wer arbeitet, beide gleichermaßen oder ist ein Elternteil mehr für das eine zuständig als der andere? Und aus wem besteht die Familie?

Bevor man den Film gesehen hat, ahnt man schon, was kommt – und es kommt auch:

Die Kernfamile „Papa, Mama, Kind“ ist nur ein Modell unter vielen und laut einiger Wissenschaftler:innen gar ein Irrtum.

Da muß man sich als erstes fragen: welche Menschen hat es da in den letzten Jahren in diesen sogenannten „Kultursender“ geschwemmt? Es sind offenbar Menschen, die in der Schule nie gelernt haben, was für eine Kostbarkeit gutes Deutsch ist. Es fehlt den Schulen nämlich nicht an Tablets und elektronischen Tafeln und dem ganzen Digitalisierungs-Humbug – es fehlt an echten Pädagogen, an Menschen, die selbst ein gutes Deutsch sprechen und schreiben und ihre Schüler für die Schönheit unserer Sprache begeistern können.

Die Präposition „laut“, das nur nebenbei, verlangt nach dem Dativ, nicht nach dem Genitiv, und das „gar“ als vermeintlich edler klingender Ersatz für „sogar“ klingt neben den „Wissenschaftler:innen“, also einem Wort aus dem brodelnden Sumpf der Genderideologie, ganz besonders deplaziert. Der Satz müßte also heißen: „Die Kernfamilie ist nur ein Modell unter vielen und laut einigen Wissenschaftlern sogar ein Irrtum.“ Aber selbst wenn wir auf den Inhalt gar nicht eingehen und bei der reinen Sprachkritik bleiben, ist zu fragen: Wie kann eine Familie ein Irrtum sein? Wie soll das gehen? Das ist nicht nur ein schiefes Bild, eine mißlungene Wendung – es ist blanker Unsinn.

„Folge 3“, heißt es bei arte weiter, „besucht unterschiedliche Familien“. Und wieder fragt man sich: Wie kann „Folge 3“ Familien besuchen? Das ist keineswegs, wie manch einer denken mag, eine Petitesse. Hier wird die deutsche Sprache von einem „Kultursender“ verramscht.

Und wen besucht diese Folge 3?

Folge 3 besucht unterschiedliche Familien: eine „klassische“ Mutter-Vater-Kind-Familie in Kanada, ein Transpaar mit Kinderwunsch in den USA, eine Familie mit zwei homosexuellen Vätern und fünf Kindern in Israel und eine Großfamilie in Mexiko. Jede Konstellation hat ihre eigenen Schwierigkeiten, eins ist aber klar. Die klassischen Mütter- und Väterbilder lösen sich allmählich auf und: Kleinfamilie ist ein Irrtum.

Die Regisseure dieses Machwerks, die uns in dem kurzen Text gleich zweimal hintereinander weismachen wollen, daß die Kleinfamilie ein Irrtum ist, heißen übrigens – soviel Zeit sollte sein – Cristina Trebbi, Jobst Knigge, Susanne Utzt und Stephanie Weimar. Und jetzt wollen wir einmal alle zusammen raten, welche der besuchten Familien über dem Text abgebildet ist. Ist es die Mutter-Vater-Kind-Familie in Kanada? Natürlich nicht. Es sind (hier zu sehen) die beiden schwulen Väter mit ihren fünf glücklichen Kindern. Sie sind, wie uns Cristina, Jobst, Susanne und Stefanie einreden wollen, das Modell der Zukunft. Aber in Wirklichkeit ist das alles nur ein Haschen nach dem Wind. Die Natur wird darüber hinweggehen, wie sie es immer tut. Und die Kleinfamilie, liebe Cristina, lieber Jobst, liebe Susanne, liebe Stefanie, die Kleinfamilie wird noch da sein, wenn euer Film bestenfalls als Kuriosum aus dem ideologischen Zeitalter im Keller verstaubt.

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„Klimaterroristen“ – ein Unwort?

Die kleine Gruppe von Menschen, die sich anmaßt, einmal im Jahr ein „Unwort“ zu küren, hat sich also für das Wort „Klimaterroristen“ entschieden. Und zwar, weil es verwendet werde, „um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren“.

Wer entscheidet eigentlich über die Wahl zum Unwort? Es sind seit 2021 immer dieselben: vier Sprachwissenschaftler (Constanze Spieß, Martin Reisigl, Kristin Kuck, David Römer) und eine Journalistin (Alexandra-Katharina Kütemeyer). Wer als jährlich wechselndes kooptiertes Mitglied an dem diesjährigen Beschluß beteiligt war, habe ich nirgends gefunden.

Sehen wir uns diese Jury etwas genauer an!

Constanze Spieß, die Sprecherin der Jury, ist Professorin in Marburg. Sie hat u.a. zusammen mit Martin Reisigl, ebenfalls Jurymitglied (!), ein zweibändiges Werk mit dem Titel „Sprache und Geschlecht“ veröffentlicht. Band 2 trägt den Titel „Sprachliche Praktiken der Geschlechterkonstruktion – Empirische Studien zur Genderlinguistik“.

„Geschlechterkonstruktion“! Natürlich – Geschlechter gibt’s ja gar nicht, sie sind soziale Konstrukte. So wie ja auch die Erde eine Scheibe ist.

Kristin Kuck, eine Germanistin in Magdeburg und das dritte Mitglied der Jury, sagt auf die Frage, ob das Gendern die deutsche Sprache zerstöre (hier nachzulesen):

Salopp gesagt ist das für mich Quatsch. Das wurde auch schon über die Anglizismen und über Jugendsprache gesagt. Solche Aussagen hört man meist von konservativer oder rechter Seite. Das ist etwas, dem ich nicht zu viel Bedeutung beimessen würde. Sprache wandelt sich einfach.

Da haben wir wieder das Wiederkäuen der immergleichen Pseudo-„Argumente“ aus dem Schatzkästlein des Feminismus, wobei bemerkenswert ist, daß dieses Argumentieren, je jünger ihre Vertreter sind, immer schlichter wird.

Wer fehlt noch aus unserer Jury? David Römer, Professor an der Universität Kassel, der sich vor allem mit der Sprache der Politik und der Verschwörungstheoretiker befaßt hat. Alexandra-Katharina Kütemeyer, die vierte im Bunde, war Journalistin beim Stern und der Frankfurter Rundschau und paßt schon dadurch bestens in dieses Quintett.

Die Jurymitglieder, so schreiben sie selbst auf ihrer Seite,

beteiligen sich ehrenamtlich und aus Interesse und verstehen sich als Vermittler:innen öffentlichen Unbehagens an bestimmten Sprachgebrauchsweisen, nicht aber – ein häufiges Missverstehen – als „Sprachschützer:innen“.

Ach, liebe Jury, daß Ihr Sprachschützer seid, darauf wäre bei diesen Lebensläufen ohnehin niemand gekommen. Welchen Netzwerken Ihr Euren Sitz in der Jury verdankt, weiß ich nicht, auch nicht, wer da wen kooptiert hat. Aber eines weiß ich: die Genderlobby arbeitet seit vielen Jahren sehr erfolgreich im Stillen, man schiebt sich gegenseitig Professuren und Beauftragtenposten zu, und das Vokabular („Sprache wandelt sich einfach“) ist immer und überall das gleiche.

Und das Unwort „Klimaterroristen“? Wer wie ich Anfang siebzig ist, hat das alles (damals bei der marxistischen Linken) schon einmal erlebt. Erst kommt der „passive Widerstand“, mißliebige Professoren werden am Betreten des Hörsaals gehindert, dann kommt die „Gewalt gegen Sachen“. An der Sprache der „Bekennerschreiben“ kann man dann die immer weitergehende Radikalisierung ablesen. In den Auseinandersetzungen um Lützerath sind Polizisten zum ersten Mal als „Schweine“ beschimpft worden. Wer da nicht an die terroristische RAF denkt, die genauso klein angefangen hat, dem ist nicht mehr zu helfen. Es geht nicht darum, die „Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren“, es geht darum, aus der Geschichte des linken Terrorismus zu lernen, der ganz genauso angefangen hat wie heute die „Klimaaktivisten“: es beginnt nämlich nicht damit an, daß man „die Bullenschweine abknallt“, nein: es fängt mit kleinen Steigerungen an. Am Abfackeln von Autos ist man schon angelangt. Aber „Unwörter“ in dieser sich immer schneller radikalisierenden Szene zu suchen, dazu ist diese Jury (schon aufgrund ihrer Lebensläufe) nicht bereit. Sie sucht und findet ihre „Unwörter“ da, wo sich Menschen der gefährlichen Radikalisierung einer kleinen Minderheit entgegenstellen. Für die „Aktivisten“ und ihre Rechtsbrüche empfinden sie womöglich das, was in der linken Szene der 70er Jahre zu einem wahren Unwort geworden ist: eine „klammheimliche Freude“.

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Mein langes Schweigen

Wenn man älter wird, verschieben sich alle Koordinaten. Man wird ja nicht nur älter, man sieht auch – jedenfalls wenn man ein halbwegs intelligenter Mensch ist – viel genauer, wie sich die menschlichen Dummheiten, die man aus seiner Jugend kennt, wiederholen, wie alles wieder von vorn beginnt, wie all die Fehler aus der Jugendzeit (auch die eigenen!) wieder da sind, als hätte man niemand etwas daraus gelernt – und nichts an die nächste Generation weitergegeben.

Deshalb – und natürlich auch wegen des furchtbaren Kriegs der russischen Soldateska, wo einem im Grunde die richtigen Worte fehlen – habe ich für ein paar Wochen nichts mehr geschrieben. Aber der Appetit kommt zurück – und ich würde mich freuen, wenn auch meine Leser wieder zurückkämen.

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Haben Sie heute schon geschirkt? Oder war Ihr Sonntag schimmerlos?

An einem so schönen Sonntag beim Spaziergang an einem See haben Sie bestimmt mit Ihren Kindern geschirkt. „Schirken“ bedeutet nämlich: „einen flachen Stein über eine Wasserfläche hüpfen lassen“. So steht es in der 14. Auflage des Duden von 1958. Ich habe ihn als Grundschüler bekommen und heute ein bißchen darin geblättert.

Das Adjektiv „schimmerlos“ habe ich etwa darin entdeckt, das nicht etwa jemanden bezeichnet, der keinen Schimmer hat, sondern schlicht „glanzlos“ bedeutet (so auch im Grimm’schen Wörterbuch, wo das Wort in Schillers Maria Stuart nachgewiesen wird). Ältere Semester wie ich kennen es aber fast nur noch aus der 1986 gesendeten Fernsehserie Kir Royal, in der es um die Münchner Schickeria und den Klatschreporter Baby Schimmerlos ging.

Und was ist eine „Nippzeit“? Das wissen heute allenfalls noch die Segler. Es ist nämlich ein etwa viertägiger Zeitraum, in dem in der Nordsee das Niedrigwasser hoch und das Hochwasser niedrig ist, so daß der Tidenhub besonders gering ist (nachzulesen ist das zum Beispiel im Segellexikon). Hätten Sie’s gewußt?

„Niklas“ soll nicht nur ein männlicher Vorname sein, sondern auch ein Gebäck. Gefunden habe habe ich auf meiner Suche nach diesem Gebäck nur einen Striezel aus Sachsen, den Annaberger Niklaszopf. Es soll sich dabei um den Vorläufer des Christstollens handeln.

Und dann: der „Jupon“, der sichtlich französischen Ursprungs ist. In der Schweiz sagt man dazu „Schüpong“ oder „Schüpung“, auch nach guter Schweizer Art „Schüpungeli“. Es ist ein weibliches Kleidungsstück, nämlich der Unterrock. In der im 18. Jahrhundert begonnenen Enzyklopädie von Krünitz heißt es: „Man nennt auch Jupon einen kurzen Unterrock der Frauenspersonen, im g. L. ein Appetit=Röckchen.“ Appetit-Röckchen? Da kann man die Gedanken schweifen lassen. Rein linguistisch, natürlich. Und was bedeutet die Abkürzung „im g. L.“? Ich bin schimmerlos. Auch im Luxemburger Wörterbuch findet man die Wörter „Jupe“ und „Jupon“, dort werden sie als „Frauenkleid vom Gürtel abwärts“ definiert. Und natürlich kennt man auch im heutigen Französisch den jupon als Unterrock; es gibt freilich auch den Ausdruck „courir le jupon“ (oder „courir les filles“), was man auf deutsch mit „hinter dem Unterrock her sein“ übersetzen muß – womit wir also doch wieder beim Krünitz’schen Appetit-Röckchen gelandet wären!

Daß „Kretscham“ eine Schenke ist und „Kreitschmer“ ihr Wirt, daß es „Hefnerkerzen“ gibt und eine „Fehnkultur“ (keine „Feenkultur“!), auch einen „Fecker“ – darüber vielleicht ein andermal. Ich will ja nicht fatigant sein!

PS: Das alles gehört zum Wortschatz von 1958, nicht etwa zur Luther- oder Goethezeit. Man glaubt es nicht.

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