Um es gleich vorweg zu sagen: ich bin weder Vegetarier noch Veganer. Aber ich bin schon mein ganzes Leben lang immer bemüht gewesen, mit der Sprache, mit den Begriffen sorgfältig umzugehen. Und da stehen wir, was unsere Ernährung betrifft, gleich vor einem großen Problem – und dieses Problem heißt Veggie.
Mit dem Wort „vegetarisch“ vehält es sich noch einfach. Wer vegetarisch lebt, verzichtet auf Essen, für die ein Tier getötet werden muß. Diese Haltung ist klar verständlich und nachvollziehbar. Wir haben Vegetarier in unserer Familie, und ich habe selbst immer einmal wieder grundsätzlich darüber nachgedacht, bin aber aus Gründen, die hier keine Rolle spielen, zu einer negativen Entscheidung gekommen. Wie gesagt: die Gründe dafür, vegetarisch zu leben, sind schon auf den ersten Blick verständlich, und sie haben auch etwas Sympathisches an sich. Wer Tiere liebt, so könnte man diese Einstellung zusammenfassen, möchte doch nicht, daß man sie tötet, nur um ein schmackhaftes Stück Fleisch auf dem Teller zu haben.
Wenn man aber das Wort „vegan“ gebraucht, gerät man, und zwar in jeder Hinsicht, in eine ganz andere Sphäre. Sehen wir uns einmal an, was PETA Deutschland darüber schreibt:
Vegane Menschen meiden die Nutzung von Tieren oder tierischen Produkten in allen Lebensbereichen.
Veganer:innen konsumieren beispielsweise keine tierischen Produkte wie Fleisch, Fischfleisch, Milch, Honig und Eier.
Auch tragen sie keine Kleidung oder Schuhe, die aus tierischen Materialien wie Leder, Pelz, Daunen oder Wolle bestehen.
Sie verwenden nur Kosmetikprodukte und Reinigungsmittel, die keine tierischen Inhaltsstoffe enthalten und nicht in Tierversuchen getestet wurden.
Darüber hinaus gehen Veganer:innen nicht in Zoos, besuchen keine Zirkusse mit Tieren und reiten in ihrer Freizeit nicht auf Pferden.
Vegan lebende Menschen tun dies meist aus ethischen Gründen, weil sie nicht wollen, dass Tiere für sie gequält und getötet werden.
Man sieht auf den ersten Blick, daß hier ein ganz anderer Ton herrscht als bei Vegetariern. Es geht hier gar nicht mehr in erster Linie um das Töten von Tieren und das Essen von Fleisch, sondern um das, was Veganer in einseitiger und geradezu boshafter Weise als Nutzung von Tieren bezeichnen. Tiere soll es, wenn es nach ihnen geht, in der Nähe des Menschen überhaupt nicht mehr geben. Nur wilde Tiere, fern vom Menschen und ohne Kontakt zu ihm, sind ethisch akzeptabel. Auch wenn ein Zoo seinen Tieren allen Platz der Welt gäbe, wäre er immer noch ein Gefängnis. Veganer:innen gehen deshalb nicht in Zoos und schon gar nicht in Zirkusse, sie essen keinen Käse und keine Eier, tragen keine Lederschuhe und schlafen nicht auf Daunenkissen. Das Land, in dem Milch und Honig fließen, wäre kein Land der Verheißung für sie. Veganer:innen haben aber vor allem eine tiefe Verachtung für alle Menschen, die keine Veganer:innen sind.
Das Jahrtausende alte Zusammenleben von Mensch und Tier wird zu einer brutalen Herrschaft des bösen Menschen über das arme Tier verfälscht. Natürlich gibt es immer noch die unerträgliche Massentierhaltung, es gibt die kriminellen Tiertransporte und die Behandlung von Tieren, als seien sie bloß gefühllose Sachen. Aber gerade die Grünen, die in ihren Forderungen überall sehr ethisch daherkommen, haben gegen die Massentierhaltung nur minimale Erfolge erzielt, obwohl sie seit Jahrzehnten auf allen politischen Ebenen an der Macht beteiligt sind. Auch die moralische Arroganz und der missionarische Eifer der Veganer werden an den Auswüchsen der „Tierproduktion“ nichrs ändern. Wer nur von Maximalforderungen träumt, wird nicht einmal die wichtigen kleinen Schritte tun. Man muß die Menschen überzeugen, statt mit der Keule auf sie einzuschlagen.
Aber mir geht es ja hier auch (und in diesem Artikel hauptsächlich) um die Sprache. Und da fällt es auf, daß das Wort „vegetarisch“ nur noch ganz selten überhaupt gebraucht wird; statt dessen ist das englische „veggie“ in aller Munde. „Unser veggie Sortiment“ heißt es da bei ALDI Nord oder „mein Veggie Tag“. Und wenn man nach „Aldi“ und „veggie“ googelt, wird man förmlich überschwemmt:
aldi veggie würstchen
aldi veggie hack
aldi veggie schnitzel
aldi veggie wurst
aldi veggie bratwurst
aldi veggie frikadellen
aldi veggie nuggets
aldi veggie aufschnitt usw.
Ganz abgesehen davon, daß hier Menschen, die es vor dem Essen von Tieren moralisch ekelt, verzweifelt versuchen, den Geschmack von Fleisch im Labor künstlich herzustellen (warum eigentlich?), wird durch das Wort „veggie“ der gravierende Unterschied zwischen der vegetarischen und der veganen Lebensweise eingeebnet und damit verhüllt. Den Veganern kommt das sicher entgegen. Sie sehen sich als die besseren und konsequenteren Vegetarier und sind doch, anders als diese, von einer moralischen Arroganz ohnegleichen. Wer das für übertrieben hält, besuche einmal eines der veganen Foren – er wird sein blaues Wunder erleben.