Zitat des Tages (1): Prinz Philipp

Das Zitat ist zwar schon fast neun Jahre alt, aber aus gegebenem, traurigen Anlaß (und weil seine Antwort so gut ist!), wollen wir hier noch einmal zitieren, was Prinzip Philipp an seinem 90. Geburtstag auf die Frage antwortete, wie er über sich selbst denke:

Gar nicht. Ich bin einfach da.

Ach, wie wünschte man sich mehr solcher Antworten, wenn einfallslose Journalisten ihre küchenpsychologischen Fragen („Was ging Ihren durch den Kopf, als …“) stellen!

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Sonstiges, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Der Mann und seine Männerhaut – Neues aus der Genderpedia

Der Mann, so erfahren wir aus der Wikipedia, ist ein „männlicher erwachsener Mensch“. Soweit dürften wir uns alle einig sein, auch wenn man in jüngerer Zeit hin und wieder die unfreiwillig komische Definition „nichtmenstruierende Person“ gelesen hat. Aber damit man gar nicht erst auf die abstruse Idee kommt, daß die Menschheit weitgehend aus Frauen und Männern bestehe, werden wir gleich belehrt, daß sich das Wort „Mann“ früher, also „im ursprünglichem Sinne“, auf das biologische Geschlecht bezogen habe, im „modernen Sprachgebrauch“ aber

auch auf die Geschlechtsidentität, etwa bei transgender Personen, die sich als Mann identifizieren.

Obwohl es sich bei der „Genderforschung“, ähnlich wie bei Alchemie und Kryptozoologie, um eine Pseudowissenschaft handelt, haben ihre gut vernetzten Verfechter längst in der Wikipedia Fuß gefaßt. Selbst ein flüchtiges Lesen einschlägiger Artikel zeigt, daß hier alle Korrektive versagt haben, die einseitige oder ganz und gar verrückte Artikel verhindern sollen. Versuchen Sie einmal, in einem Wikipedia-Beitrag grundsätzliche Kritik am Gendern zu formulieren. Wie bei den Borg heißt die Devise dann „Widerstand ist zwecklos! Sie werden assimiliert!“ Wer die Wissenschaftlichkeit dieser „Forschung“ in Frage stellt, kommt – wie etwa in dem Artikel „Gender Studies“ – allenfalls mit ein paar kurzen Beispielen zu Wort, und selbst die werden innerhalb des Abschnitts „Kritik durch Wissenschaft und Öffentlichkeit“von den Vertretern dieser Pseudowissenschaft „widerlegt“. So hat die „Genderforschung“ in der Wikipedia, die man mit Fug und Recht auch als Genderpedia bezeichnen könnte, immer das letzte Wort.

Aber immerhin finden sich in dem Wikipedia-Artikel über den „Mann“ auch einige interessante Erkenntnisse über uns Männer, etwa die:

Sie sind im Gegensatz zu Frauen mit typischer genetischer Entwicklung in keiner Phase ihres Lebens in der Lage, schwanger zu werden.

Wie wahr! Die unbekannten Autoren streifen dann kurz die männliche Anatomie, um anschließend aus unerforschlichen Gründen lange und ausführlich bei der „Männerhaut“ (so der Untertitel) zu verweilen. Diese Männerhaut muß etwas ganz besonderes sein:

Die dickere männliche Haut hat ein höheres Wasserbindungsvermögen, was die Haut gespannter und fester aussehen lässt. Die erhöhte Talgproduktion ist verantwortlich für eine ausreichende Menge an Feuchtigkeit in der Haut und für die Zusammensetzung des sogenannten Hydrolipidfilms. Dieser Film regelt den Wassergehalt der tiefer liegenden Schichten, hemmt die Austrocknung und gibt der Haut ein glattes, geschmeidiges Aussehen.

Wer hätte das gedacht! Und ich war mein Leben lang der Ansicht, daß die weibliche Haut glatter und geschmeidiger sei als die Männerhaut. Da habe ich wohl die Wirkung des Hydrolipidfilms unterschätzt.

Und noch etwas bemerkt der unbekannte Verfasser, der ein ausgesprochener Liebhaber der Männerhaut sein muß:

Zudem hat Männerhaut eine geringere Neigung zur Faltenbildung. Falten zeigen sich beim Mann meist später als bei Frauen und auch nicht als kleine Knitterfältchen, sondern mehr als tiefe („markante“) Falten.

Ach, die Männerhaut! Ganze Bibliotheken könnte man mit ihr füllen.

Veröffentlicht unter Internet, Sonstiges, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Frauen zählen Frauen zählen Frauen – oder: Über die feministische Mathematik

Erbsenzählerei kennt man seit langem, aber Erbsenzähler sind nicht besonders beliebt. Die Frauenzählerei dagegen erlebt einen erstaunlichen Aufschwung. Frauen zählen überall, sie zählen Frauen (also sich selbst), sie zählen Männer, sie bilden Summen und Differenzen und Prozentzahlen bis in den letzten Kleingartenverein, nichts entgeht ihrem Auge. Gerechtigkeit stellen sie sich als eine Art Buchhaltung vor, ihr Ziel: ♀˃♂.

Die klassiche Musik, meint Amy Beth Kirsten, sei „in erdrückendem Maße männerdominiert“. Und Alex Ross schreibt:

Jede Einrichtung, die regelmäßig die Werke von Frauen präsentiert, wird ganz automatisch zu einem lebendigeren Ort. Möglicherweise hat das Desinteresse der jüngeren Generationen an klassischer Musik mit der muffigen, allzu exklusiv daherkommenden Atmosphäre des Repertoires zu tun.

Das ist sicher richtig, denn immer nur Haydn, Mozart, Beethoven und all die anderen alten Männer spielen, das nervt echt! Und in der New Yorker Met hat man in den letzten hundert Jahren nur eine einzige Oper einer Komponistin gespielt! Auch der Deutsche Bühnenverein zählt eifrig – und kommt zu einem erschütternden Ergebnis:

Und jedes Jahr wieder stehen Mozart, Verdi, Puccini und Wagner ganz oben bei den Opern.

Man faßt es nicht. Aber der Musikkritiker Uwe Friedrich hat eine Idee, wie man das ändern könnte:

Erst mal müssen Frauen das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie willkommen sind.

Ja, so ist es: Männer komponieren einfach drauflos, Komponistinnen brauchen erst einmal eine auf sie zugeschnittene Willkommenskultur. Ir sult sprechen willekomen! Aber zurück zum Zählen. Da ist die Theaterwelt besonders ergiebig (hier nachzulesen):

Nur 30 Prozent der Inszenierungen an deutschen Theatern stammen von Frauen.
Nur 22 Prozent der Theater werden von Frauen geleitet.

Und woran liegt es, daß unsere Bühnenkunst „von der Perspektive des weißen, männlichen Künstlers dominiert“ wird? Natürlich an der „männlichen Kultur der Macht“!

Früher, in den alten Zeiten, da hat man doch tatsächlich, naiv wie man war, nur danach gefragt, ob es eine gute oder eine schlechte Oper, ein gutes Theaterstück oder ein fades, ein gelungenes Gedicht oder ein mißglücktes sei. Heute weiß man: die Kultur blüht nur auf, wenn Komponistinnen, Lyrikerinnen, Malerinnen und Schauspielerinnen in einem bestimmten mathematischen Verhältnis zu ihren männlichen Kollegen stehen. Alles nur Mathematik!

Aber selbst die ist, zumindest bei den amerikanischen people of color, in Verruf geraten. Dort hat es nämlich Brittany Marshall, eine junge farbige Studentin der Rutgers University, mit folgendem Satz zu landesweitem Ruhm gebracht:

The idea of 2+2 equaling 4 is cultural and because of western imperialism/colonization, we think of it as the only way of knowing.

Auf deutsch:

Die Idee von 2+2=4 hat kulturelle Gründe. Als Folge von westlichem Imperialismus/Kolonisierung halten wir sie für das einzig richtige.

Wer jetzt denkt, die Studentin sei daraufhin exmatrikuliert oder zumindest zu einem Gespräch mit dem Psychologischen Dienst ihrer Universität gebeten worden, hat sich getäuscht. Das Kultusministerium von Oregon hat, wie die F.A.Z. berichtet, alle Lehrer des Staates in einem Rundbrief aufgefordert, sich in einem Kursus namens „Ethomathematik“ weiterzubilden:

Der Bildungstrend gehe davon aus, daß der Fokus auf das korrekte Resultat im Mathematikunterricht ein Zeichen „weißer Vorherrschaft sei“. Ein Ziel der Fortbildung solle daher sein, für jede Aufgabe mindestens zwei Ergebnisse zu erarbeiten.

Also 2+2=3? Oder 2+2=5? Man kommt der Wahrheit ein Stück näher, wenn man die mathematischen Ergebnisse des sog. SAT-Tests betrachtet, der in den USA seit fast hundert Jahren an den Highschools durchgeführt wird. Von theoretisch möglichen 800 Punkten erreichten 2020

afroamerikanische Schüler 454 Punkte,
hispanischstämmige 478 Punkte,
weiße Schüler 547 Punkte und
asiatischstämmige Schüler 632 Punkte.

Da ja der liebe Gott, wie man weiß, Verstand und Schöpferkraft völlig gerecht und gleich an jedermann verteilt hat, kann das schlechte Abschneiden von Farbigen und Hispanos nur an „Imperialismus/Kolonisierung“ liegen. Deshalb fordern US-Pädagogen die Abschaffung der Algebra, und der Schulbezirk Seattle im Bundesstaat Washington hat vor zwei Jahren damit begonnen, den Unterricht zu „entkolonialisieren“ und die Mathematik durch Streetart, Genderstudien und Unterwasserrobotik zu ergänzen.

Genug des närrischen Treibens! Erwähnen wir am Ende noch Alexis de Toqueville, der von Mai 1831 bis Februar 1832 in den Vereinigten Staaten weilte, um dort im Auftrag der französischen Regierung das Rechtssystem der USA zu studieren. In seinem berühmten zweibändigen Werk, De la démocratie en Amérique (1835/1840), kam er zu dem Schluß, daß die USA der gerechteste Staat der Welt sei, aber er entdeckte auch ein gravierendes Manko: den Versuch, auch an Schulen und Universitäten das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen einzuführen. Kunst und Wissenschaft aber, darauf beharrt er, seien in ihrem Wesen aristokratisch, nicht demokratisch. Anthony Kronman, dessen kluges Buch „The Assault on American Excellence“ (New York 2019) über die zunehmend totalitären Zustände an einigen amerikanischen Universitäten ich dringend zur Lektüre empfehle (es gibt leider noch keine deutsche Ausgabe), ist darauf ausführlich eingegangen.

Natürlich muß der Zugang zu Schulen und Universitäten gerecht sein. Aber (ich übersetze Kronmans Sätze in Ermangelung einert deutschen Ausgabe)

die Fähigkeit zu genießen, sich auszudrücken und zu urteilen ist bei einigen Menschen weiter entwickelt als bei anderen, und sie ist bei einigen wenigen besonders subtil und fein, besonders wenn es um intellektuell, ästhetisch und spirituell herausfordernde Anstrengungen geht. Das ist eine aristokratische Annahme. Sie ist in einer Demokratie wie der unseren immer in Gefahr, verspottet und abgelehnt zu werden. Aber dann verlieren wir etwas Wertvolles. Ohne die Idee von Größe wird das menschliche Leben unbedeutender und flacher. Es wird weniger erhaben und zugleich weniger tragisch. Diese Idee von Großartigkeit vor jeder demokratischen Beeinträchtigung zu bewahren, ist der erste Grund, warum unsere Colleges und Universitäten die aristokratische Liebe zu allem, was brilliant und großartig ist, fördern müssen. Der zweite liegt darin, daß diese Liebe einen Beitrag zur Stärke und Stabilität unserer Demokratie leistet.

Die Freiheit, sich seine eigene Meinung zu bilden, beinhaltet eine große Verantwortung. Viele erleichtern sich diese Last, indem sie die Meinungen anderer übernehmen, ohne sich selbst Gedanken zu machen. Das Ergebnis ist eine Art Gruppendenken, das teils aus Unwissenheit, teils aus Angst resultiert. Das macht es für Möchtegern-Tyrannen leichter, die demokratischen Massen zu manipulieren und sie schließlich ihrer Freiheit zu berauben. Tocquevilles größte Sorge für die Zukunft Amerikas war, daß die Konformität des Denkens den Weg zur Despotie erleichtern würde.

Große kulturelle Leistungen werden, auch wenn das Aktivisten und Fanatikern eines absurd überspitzten Gerechtigkeitsbegriffs nicht gefällt, auch in Zukunft immer nur den wenigen großen Begabungen gelingen. Die Vorstellung, daß Kultur allein schon dadurch entsteht, daß immer mehr Kindern – unabhängig von Begabung und Intelligenz – der Zugang zur höheren Bildung ermöglicht wird, führt in der Praxis zu einer Nivellierung der Bildung auf niedrigem Niveau. Auch die seltsame Vermehrung der Abiturienten in Deutschland war nur durch eine allgemeine Senkung des Niveaus möglich – ganz zu schweigen von der linken Phantasmagorie, man könne (nach Art des „Bitterfelder Wegs“ in der DDR) aus Werktätigen nach Belieben große Schriftsteller heranzüchten.

Veröffentlicht unter Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Die Energiewende als Merkelsche Schnapsidee

Die Merkelsche „Energiewende“ war eine Schnapsidee, aus einer Emotion heraus entstanden und ohne Sinn und Verstand durchgeführt. Die F.A.Z. hat dazu keine durchgehende Meinung. Anna-Lena Niemann, Redakteurin im Ressort „Technik und Motor“, zählt in ihrem Kommentar zunächst die Probleme auf, die durch die Energiewende entstanden sind. Jedes Land, erst recht ein Industrieland wie Deutschland, braucht eine zuverlässige Energieversorgung – nicht nur, wenn die Sonne scheint und der Wind weht, sondern immer: zu jeder Stunde und in jeder Sekunde. Die geradezu sträfliche Zuversicht, bis zur kompletten Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken werde man die Windenergie schon „irgendwie“ speichern können, gehört zu den schlimmsten Fehleinschätzungen der Merkelzeit.

Die Energiewende, schreibt Frau Niemann zurecht (hier nachzulesen),

darf noch nicht einmal dann als gelungen verbucht werden, wenn die Stromerzeugung der Erneuerbaren im Jahresdurchschnitt stimmt, sondern sie muss es zu jeder Sekunde, Stunde, an jedem einzelnen Tag tun, weil es kaum Speichermöglichkeiten gibt.

Das stimmt, und unsere Nachbarländer werden uns dann – nicht ohne Häme – ihren (klimafreundlichen!) Atomstrom verkaufen.

Wenn man einmal einzelne Tage betrachtet, sieht das so aus:

Am 22. März zum Beispiel deckten die Erneuerbaren um 19 Uhr noch 51 Prozent des Verbrauchs, weil sich der Wind ins Zeug gelegt hat. Zum Zeitpunkt der Spitzenlast, um 12 Uhr, waren es sogar 62 Prozent. Nur zwei Tage später ähnelt sich das Bild zur Mittagszeit zwar. Weil das aber vor allem auf das Sonnenkonto ging, sackt der Anteil am Abend auf 19 Prozent ab.

Anders gesagt: wir haben uns nicht nur von der technischen Entwicklung der immer sichereren Kernkraftwerke ausgeklinkt, wir verzichten damit auch auf eine eigene, sichere Energiebasis und werden auf lange Zeit von Stromlieferungen unserer Nachbarländer abhängig sein. Wer alle Kohle- und Atomkraftwerke abschaltet, hat vorher seinen Verstand abgeschaltet.

Kommt Frau Niemann auch zu diesem Schluß? Hören Sie selbst:

Solange die Erneuerbaren nicht den gesamten Bedarf decken können, müssen herkömmliche Kraftwerke einspringen. Und nun? Kohle und wieder Kernkraft oder Fernseh-, Back- und Ladeverbot am Abend? Weder noch. Statt selbstzufrieden auf wachsende Durchschnittswerte zu blicken, müssen endlich mit Nachdruck Wind, Sonne und Speicher ausgebaut werden. Sonst wird uns irgendwann im Dunkeln sitzend dämmern, dass die Wende missraten ist.

Die Analyse stimmt, aber die Folgerung ist absurd. Selbst wenn man die Windenergie auf Biegen und Brechen ausbaut und die letzten deutschen Naturlandschaften durch 200 Meter hohe Windkraftanlagen zerstört, wird man damit keine sichere Stromversorgung für Industrie, Gewerbe und Haushalte aufbauen können. Wo sollen die sicheren Speichermöglichkeiten denn herkommen, wenn es sie selbst zehn Jahre nach der Energiewende immer noch nicht gibt?

Nicht die Entscheidung in der Flüchtlingskrise des Jahres 2015, sondern die „Energiewende“ war die schlimmste und folgenschwerste Fehlentscheidung der Regierung Merkel.

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik, Windkraftanlagen | Schreib einen Kommentar

Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen (3): Nina George und das PEN-Zentrum Deutschland

Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine Schriftstellervereinigung, die ihre Satzungsziele so definiert:

Es setzt sich für politisch, rassisch, religiös oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft Verfolgte ein, insbesondere für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Übersetzerinnen und Übersetzer, Herausgeberinnen und Herausgeber, Journalistinnen und Journalisten und Publizistinnen und Publizisten in aller Welt, die wegen freier Meinungsäußerung bedroht und verfolgt werden.

Schon an dieser Formulierung – fünf närrische Gender-Doppelformeln hintereinander! – sieht man, daß leider auch hier von der (von mir immer wieder herbeigewünschten!) Bewahrung der deutschen Sprache durch die Schriftsteller keine Rede mehr sein kann. Ich weiß nicht, wer die bewährte Satzung wann in diesem Sinne verändert hat; für die sprachliche „Sichtbarkeit“ der Frauen (vorher waren sie offenbar völlig unsichtbar, niemand wußte, daß es Frauen überhaupt gab!) hat wohl die Neufassung der Satzung vom 27. Mai 2019 gesorgt. Mitglied kann übrigens nur werden, wer „aufgrund besonderer schriftstellerischer Leistungen“ hinzugewählt wird, das sind inzwischen, wenn ich richtig gezählt habe, gut 700 Autoren.

Zu ihnen zählt Nina George. Obwohl zu ihren Werken so interessante Titel wie „Sag Luder zu mir“, „Warum Männer so schnell kommen und Frauen nur so tun als ob“ oder „Sex für Könner“ gehören, habe ich – ich gesteh’s zu meiner Schande – noch nie von ihr gehört. Erst durch ein Interview im Börsenblatt („Das Fachmagazin der Buchbranche“) bin ich auf sie aufmerksam geworden (hier nachzulesen). Nina George ist, wie es in der Einleitung des Interviews heißt,

Beirätin des PEN-Präsidiums und Beauftragte des Womens Writers Commitee des PEN-Zentrum Deuschland.

Sie ist also kein gewöhnliches Mitglied, sondern spricht, so muß man vermuten, auch in diesem Interview als Präsidiumsmitglied für das PEN-Zentrum als Ganzes. Oder doch nicht?

„Das Binnen-I nutze ich in Facebookchats, die Stern*chen vermeide ich“, sagt sie. Am liebsten sind ihr offenbar die Doppelformen, zu deren Verwendung sie alle Verlage energisch auffordert: diese sollen gefälligst

allesamt mal ihre Webseiten überarbeiten und zum Beispiel sagen, unsere Autoren und Autorinnen auf der Frankfurter Buchmesse oder möchten Sie mehr über die Autorinnen und Autoren wissen. Ich wünsche mir, dass die Verlage sich auf ihren öffentlichen Seiten die Mühe machen, so etwas präzise auszuschreiben. Außerdem wünsche ich mir, dass sie auf gar keinen Fall bei dieser seltsamen Erklärung des Vereins Deutsche Sprache (VDS) mitmachen, die gerade überall herumgeistert.

Die „seltsame Erklärung“, die (gottlob!) „überall herumgeistert“, ist ein Aufruf gegen die Duden-Redaktion, die ohne Sinn und Verstand damit begonnen hat, das generische Maskulinum aus der deutschen Sprache auszumerzen, weil eine kleine, aber rabiate feministische Minderheit, zu der auch die neue Duden-Chefin gehört, das durch administrativen Druck durchsetzen will. Den „seltsamen“ Aufruf, der längst überfällig war, und den inzwischen mehr als 33.000 Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung unterschrieben haben, nennt Nina George allen Ernstes „ein Symptom für gelebte Misogynie“.

Vielleicht kennt der eine oder andere dieses Fremdwort gar nicht, man kann aber auf der Online-Seite des Duden nachlesen, was es bedeutet:

1. krankhafter Hass von Männern gegenüber Frauen (Gebrauch: Medizin, Psychologie)
2. Frauen entgegengebrachte Verachtung, Geringschätzung; Frauenfeindlichkeit (Gebrauch: bildungssprachlich)

Das ist nun freilich ein starkes Stück. Wer (wie übrigens in allen Umfragen die Mehrheit der Deutschen) gegen das dumme Gendern von sprachlich unbedarften Ideologen sein Wort erhebt, tut das, so das Präsidiumsmitglied des deutschen PEN-Zentrums, aus krankhaftem Haß gegenüber Frauen und/oder (bildungssprachlich) aus Frauenfeindlichkeit. Eine solche Pathologisierung des Andersdenkenden kannte man bisher nur von totalitären Regimen, etwa der Sowjetunion, die ihre Dissidenten in der Psychiatrie unterbrachte, oder von Minderheiten, die bis heute jede anderen Meinung als Phobie abtun. Wer Kritik am Islam übt, ist dann islamophob, wer einen Mohrenkopf Mohrenkopf nennt, ist rassistisch, und wer sein Zigeunerschnitzel weiter in Zigeunersoße gart, ist ziganophob. Und – nicht zu vergessen! – wer Frauen Komplimente macht, ist sexistisch. Da genügt ein harmloses Gedicht, das Frauen mit Blumen vergleicht, um den gerechten Zorn des weiblichen Geschlechts zu erregen. Eugen Gomringer, durch dessen Gedichtzeile

avenidas y flores y mujeres y un admirador

Generationen von Berliner Studentinnen traumatisiert wurden, ist übrigens Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland, genau wie Friedrich Denk und Peter Schneider, die zusammen mit vielen anderen Schriftstellern die „seltsame Erklärung“ gegen die Duden-Redaktion unterschrieben haben.

Bisher in der Reihe „Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen“ erschienen:
(1) Kathrin Kunkel-Razum, Chefin der DUDEN-Redaktion
(2) Katja Thorwarth und die Frankfurter Rundschau.

Veröffentlicht unter Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Sie*er berichtete als Kriegsreporter*in

Wer einen Text wie den folgenden über eine gewisse, mir völlig unbekannte Maria „Masha“ Alexandrovna Gessen formuliert, in die Wikipedia stellt oder dort unwidersprochen stehenläßt, sollte schnellstens einen Psychotherapeuten seines Vertrauens aufsuchen (hier nachzulesen):

Masha Gessen wurde 1967 als Kind einer aschkenasisch-jüdischen Familie in Moskau geboren, seine*ihre Familie emigrierte mit ihm*ihr 1981 aus der Sowjetunion in die Vereinigten Staaten.

Später wurde sie*er Russlandkorrespondent*in des amerikanischen Nachrichtenmagazins U.S. News & World Report. 1991 kehrte sie*er als Journalist*in nach Russland zurück, um den Übergang in die liberale Demokratie journalistisch zu begleiten. Sie*er berichtete als Kriegsreporter*in über Tschetschenien, kommentierte den Aufstieg von Wladimir Putin und die Zeit unter Präsident Dmitrij Medwedew.

Als nichtbinäre Person bevorzugt Gessen, geschlechtsneutral mit dem singularen Fürwort they bezeichnet zu werden.

Daß in der internen Diskussion über diesen Wikipedia-Artikel lang und breit überlegt wird, ob man die jüdische Herkunft der Autorin erwähnen darf, während das absurde, bis zur Lächerlichkeit enstellte Genderdeutsch nicht einmal mehr diskutiert, geschweige denn in Frage gestellt wird, zeigt, wie tief der Sprachfeminismus schon in alle Bereiche des Lebens eingedrungen ist.

Die Wirkung auf unsere schöne Sprache ist verheerend.

PS: Zum „singularen Fürwort they“: ein Adjektiv „singular“ gibt es im Deutschen nicht. Aber is ja wurscht! Wir machen uns die Welt (und die Sprache), wie sie uns gefällt! Denn, so doziert eine Anne Curzan, Professorin an der University of Michigan (hier zitiert):

Am Ende geht es wirklich nur um Respekt: „Meiner Meinung nach gehört das Respektieren der Pronomen der Menschen zum Respekt der Menschen. Und wenn jemand sagt: “Das ist mein Pronomen und mein Pronomen ist they”, dann ist es respektvoll, das Pronomen von jemandem zu benutzen.

Wer hätte das gedacht, daß die richtige Verwendung des Pronomens einmal zu einer Sache des Respekts werden könnte! Wir leben in wunderbaren Zeiten.

Veröffentlicht unter Internet, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Osterspaziergang – oder #WirBleibenZuhause?

Die Regierung hat etwas Merkwürdiges verfügt, das sie „Osterruhe“ nennt. Das hört sich auf den ersten Blick gut an, denn wer möchte sich nicht – gerade in der Pandemie – etwas Ruhe gönnen? Wenn man genauer hinschaut und auch den extra dafür erfundenen Hashtag #WirBleibenZuhause betrachtet, merkt man aber, daß es hier gar nicht um Österliches geht, sondern um den hilflosen Versuch, geschäftig und tatkräftig zu erscheinen. Die im letzten Jahr noch richtigen und notwendigen Einschränkungen sind längst zu einem Mantra geworden: man lockert, hebt die Lockerung wieder auf, lockert wieder – und nichts davon ist in seiner Wirkung haltbar oder gar beweisbar. Urlaubsverbote und das bürokratisch verfügte Verbot der Außengastronomie sind absurde Maßnahmen, die den Menschen auch noch die letzte Lebensfreude und den Hotels, Restaurants und Cafés buchstäblich ihre Existenz nehmen. Den Gipfel aber stellt der regierungsamtliche Oster-Hashtag #WirBleibenZuhause dar.

Wenn man begreifen will, was die Osterzeit für die Menschen bedeutet (ganz unabhängig vom christlichen Glauben), dann genügt es, den „Osterspaziergang“ in Goethes Faust zu lesen:

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flor;
Aber die Sonne duldet kein Weißes:
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit‘ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein.
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Dieser jedem Menschen eingeborenen, tiefempfundenen Freude am Frühling ein seuchenpolizeiliches #WirBleibenZuhause entgegenzusetzen, ist unfaßbar und zeigt, wie weit sich die Politik von allem Menschlichen entfernt hat.

Nur weil die Behörden nicht in der Lage sind, die Ausbrüche lokal und regional einzugrenzen, nur weil Deutschland und die EU bei der rechtzeitigen Beschaffung von genügend Impfstoffen vollständig versagt haben, sollen die Menschen jetzt an Ostern zuhause bleiben?

Nein – #WirBleibenNICHTZuhause!

Und ich will endlich belastbare Zahlen sehen, wieviele Menschen sich bisher in Biergärten und in Cafés mit dem Virus angesteckt haben.

Die Maßnahmen der Regierung, auch wenn sie jetzt teilweise widerrufen worden sind, halten inzwischen nicht einmal mehr dem einfachen Imperativ stand, den Paulus in seinem ersten Brief an die Thessalonicher (5,21) formuliert hat. Dort heißt es (hier im griechischen Original, dann lateinisch und deutsch zitiert):

πάντα δὲ δοκιμάζετε, τὸ καλὸν κατέχετε
Omnia autem probate, quod bonum est tenete
Prüft aber alles, und das Gute behaltet.

Eine bessere Empfehlung kann es auch in einer Pandemie nicht geben.

Veröffentlicht unter Christentum, Politik | Schreib einen Kommentar

Noch zwei kleine Nachträge zur närrischen Landesdelegiertenversammlung der Berliner Grünen

Männliche Kandidaten mußten auf der Versammlung belegen, daß sie sich mit „kritischer Männlichkeit“ auseinandergesetzt haben. Der Kreisverband Lichtenberg hatte schon zuvor eine „AG Kritische Männlichkeit“ gegründet. Deren Mitglieder haben sich reuig gezeigt und ganz im Stil der maoistischen Kulturrevolution auf ihrer Internetseite Selbtskritik geübt:

Viele Jahre sind seit dem Frauenstatut vergangen, Quoten sind im Herzen der Partei angekommen, aber alle wissen, wir Männer dominieren noch viel zu oft Debatten, sind nicht willens Macht abzugeben und verhalten uns so, dass Frauen, Intersexuelle, nicht-binäre und Trans Personen (F*INT) ihren Spaß an der Parteiarbeit verlieren oder sich sogar unsicher fühlen.

Wir sehen nicht ein, dass die Themen Geschlechtergerechtigkeit und inklusive Partei nur von F*INT-Personen getragen werden, denn auch das ist eine Dimension von Care-Arbeit.

Um einen Raum zu schaffen, in dem wir uns kritisch mit unserer Männlichkeit auseinandersetzen können, gründen wir eine AG Kritische Männlichkeit. In dieser AG möchten wir zusammen Texte lesen und diskutieren, Sitzungen kritisch nachbereiten und Workshops organisieren.

Eine „AG Toxische Weiblichkeit“ ist bei den Grünen übrigens nicht geplant.

Und noch eine kleine Episode von der Landesdelegiertenversammlung. Da mußten die Kandidaten einen Fragebogen ausfüllen, auf dem auch nach dem kindlichen Berufswunsch gefragt wurde (hier nachzulesen). Bettina Jarasch schrieb wahrheitsgemäß „Indianerhäuptling“. Aber da war was los! „Anstößig und unangebracht“ sei das, und Jarrasch mußte ihre Schuld öffentlich zugeben und vor der Versammlung der Grünen Garden zerknirscht Besserung geloben:

Jarasch sprach von „unreflektierten Kindheitserinnerungen“ und gelobte, „dazuzulernen“.

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik | Schreib einen Kommentar

Gibt es etwas Vollkommeneres auf Erden als eine „junge Frau mit Migrationsgeschichte“?

Nein, sagen die Grünen. Deshalb haben sich auf der Landesdelegiertenversammlung der Berliner Grünen skurrile Szenen abgespielt, die man nur – aber lesen Sie selbst!

Auf den ersten zehn Listenplätzen findet man – „natürlich“ – sieben Frauen. Man wundert sich eher, daß es drei Personen männlichen Geschlechts auf die Liste geschafft haben. Aber die hatten es nicht leicht. Der Mann Philip Alexander Hiersemenzel zum Beispiel, der partout einer menstruierenden Person den Listenplatz streitig machen wollte, mußte sich einem peinlichen Verhör durch die Delegierten unterziehen (hier nachzulesen):

Warum glaubst du, bist du besser als eine junge Frau mit Migrationsgeschichte?

Eine vergiftete Frage! Da hilft nur, sich als Mann ganz, ganz klein zu machen. Deshalb seine Antwort:

Bin ich nicht. Null. Nada. Das Einzige, was ich anbieten kann, ist meine Expertise und mein Herzblut.

Ach jehchen! Er ist klein, sein Herz ist rein, muß wohl voll von Herzblut sein. Gegen eine „junge Frau mit Migrationsgeschichte“ hat der arme Mann natürlich kaum Chancen. Aber wenn wir das einmal weiterdenken, dann steht eine alte Frau ohne Migrationsgeschichte im grünen Kastenwesen genauso schlecht da wie ein Mann. Der Makel „Mann“ wiegt natürlich schwerer. Aber selbst eine Traumkandidatin, die jung und weiblich ist und einen Migrationshintergrund hat, kann noch verdrängt werden – wenn nämlich eine Konkurrentin zu alledem noch darauf verweisen kann, daß sie queer ist. Das schlägt alles! Es ist wie der Royal Flush beim Pokern.

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen (2): Katja Thorwarth und die Frankfurter Rundschau

Die Frankfurter Rundschau (FR) war einmal eine der besten liberalen Tageszeitungen in Deutschland. Mit ihr verbindet man so große Namen des Journalismus wie Karl Gerold, Karl-Hermann Flach, Werner Holzer und Roderich Reifenrath. Doch irgendwann sank die Auflage, das Blatt ging von Hand zu Hand, gehörte erst der SPD, dann dem DuMont-Verlag und wurde immer weiter saniert und „gesundgeschrumpft“. Heute befindet es sich im Besitz der Zeitungsholding Hessen, die wiederum Teil der verschachtelten Ippen-Gruppe ist. Zu ihr gehört ein Sammelsurium von kleinen und großen Zeitungen – vom Münchner Merkur über die Kreiszeitung Syke bis zur Offenbach-Post.

Eine solche Zeitung eignet sich, wenn das stabile Fundament einmal zerstört ist, ganz wunderbar für ideologische Einwanderungen jeder Art. Nehmen wir nur einmal Katja Thorwarth, auf die ich durch ihren gestrigen Artikel in der Online-Ausgabe der FR aufmerksam geworden bin. Sein Titel (hier nachzulesen):

Dieter „Nuhr im Ersten“ (ARD): Sexismus gegen „Mutti“-Merkel und Hetze gegen die Grünen.

Diese Kolumne firmiert zwar unter „TV-Kritik“, ist aber, wenn man genauer hinsieht, nur eine plumpe Beschimpfung eines Andersdenkenden. Der Kabarettist Dieter Nuhr ist längst zu einem Haßobjekt in linken, grünen und islamistischen Kreisen geworden. Wie kommt es, daß er den Unmut so unterschiedlicher politischer Milieus auf sich zieht? Die Antwort ist ganz einfach, aber wir wollen erst einmal hören, was für „Argumente“ Frau Thorwarth anführt.

Erstens: Nuhr, so schreibt sie, betreibe „sexistisches Merkel-Bashing“. Ich habe mir die Sendung noch einmal angesehen und muß sagen: da ist nicht ein Hauch von Bashing oder Sexismus. Nichts, gar nichts, kein einziges Wort! Es sei denn – ja, es sei denn, schon die Bemerkung, daß Merkel eine Frau sei, Laschet aber nicht, wäre Sexismus. Oder es ist schon sexistisch, wenn ein Mann über Frauen redet. Das geht gar nicht, nur Frauen dürfen über Frauen reden! Und nur Übersetzer mit dunkler Hautfarbe dürfen Gedichte von Autoren mit dunkler Hautfarbe übersetzen!

Zweitens: sechs Wochen lang, erzählt Katja Thorwarth, habe bei ihr Nuhr auf dem Index gestanden, denn sie wollte nicht „versehentlich reinzappen“, jetzt sei es aber doch passiert:

Dieter Nuhr mit Verachtung zu strafen, ist inhaltlich konkret, darf aber nicht verwechselt werden mit der von Nuhr herbeiphantasierten „Cancel Culture“.

Das ist nicht nur ein Deutsch („inhaltlich konkrete Verachtung“), wie man es früher nicht einmal einem Volontär hätte durchgehen lassen. Der Satz endet auch in einer dreisten Lüge. Daß die „Cancel Culture“, also die Ausgrenzung und Beschimpfung von Andersdenkenden, ihr Ausschluß von akademischen Veranstaltungen, Podiumsgesprächen usw. an Universitäten heute nicht gängige Praxis des linken, grünen und feministischen Lagers sei, sondern – man höre und staune! – „von Nuhr herbeiphantasiert“ werde, das so schwarz auf weiß hinzuschreiben, zeugt von einer mit Realitätsverweigerung einhergehenden ideologischen Borniertheit.

Dann folgt der Vergleich von „Nuhr im Ersten“ mit der „Sendung mit der Maus“, und man wird lange (und vergeblich) rätseln, was die Kolumnistin damit sagen will. Zu den Themen Impfung und Volkspartei schreibt sie:

Das triggert aktuell jede, und wenn es noch an ein Merkel-Bashing – „Mutti“ – gekoppelt wird, ist das die Nummer. Oder auch nicht, weil, sorry, das ist voll 2016. Oder 2014. Egal. Es ist in jedem Fall völlig weg aus der Ist-Zeit. Weil es nicht um „Mutti“ Angela Merkel geht und auch nie ging. Das ist schlicht sexistisch, und damit solltet ihr Typen endlich mal klarkommen. Reden wir doch mal über die Papis der Union. Wo bleibt da die Kritik, Herr Nuhr. Alles brav allgemein gehalten, weil es ja die böse „Mutti“ gibt.

Je mehr sich Katja Thorwarth erregt, umso mehr verfällt sie in den Jargon von pubertierenden Jugendlichen, den sie offenbar beim Erwachsenwerden nicht abgelegt hat. Und ohne Beschimpfung („ihr Typen“) geht da bei der Frau Redakteurin gar nichts mehr.

Die Grünen seien der eigentliche Feind Dieter Nuhrs, schreibt sie, und weiter:

Denn – gähn – die Grünen sind eine „Verbotspartei“, die jetzt potentiell alle Einfamilienhäuser wegsprengt. Und Fortbewegung wollen sie den „Deutschen“ also auch noch madig machen? Männo.

Wieder die Regression ins pubertäre Schimpfen. Und dann:

Aber Nuhrs Herz-Thema kommt erst noch: das Gendern. Warum hat ein Mensch, der sich selbst als liberal bezeichnet, ein solch penetrantes Problem mit sprachlicher Veränderung? Ist es wirklich so billig, dass selbst ernannte „alte weißer Männer“(D.N.) nicht damit klarkommen, linguistisch nicht im Mittelpunkt zu stehen?

Fazit: Dieter Nuhr schießt sich auf die Grünen ein und langweilt mit seiner Dauerignoranz, dahingehend, dass sich Sprache gesellschaftlich-emanzipatorischen Entwicklungen anpasst. Aber solange Frauen die Pille nehmen, behält Nuhr auch seinen Sendeplatz.

Hier endet die Kanonade, die immerhin eines zeigt: wie heruntergekommen – sprachlich und intellektuell – die Frankfurter Rundschau heute ist. Man kann nur wehmütig und mit einem weinenden Auge an die Zeit zurückdenken, als sie noch eine der besten deutschen Tageszeitungen war.

PS: Daß Dieter Nuhr den Haß aller extremen und in totalitären Denkstrukturen verhafteten politischen Lager auf sich zieht, ist ganz einfach zu erklären. Er vertritt hartnäckig das, was man in England den common sense nennt. Ideologen aber brauchen immer einen Feind. Sie beschimpfen sich zwar gegenseitig (Antifa! Nazis!), aber ihr eigentlicher Feind ist der kluge, pragmatische und für Kompromisse offene Demokrat in der Mitte der Gesellschaft.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar