Osterspaziergang – oder #WirBleibenZuhause?

Die Regierung hat etwas Merkwürdiges verfügt, das sie „Osterruhe“ nennt. Das hört sich auf den ersten Blick gut an, denn wer möchte sich nicht – gerade in der Pandemie – etwas Ruhe gönnen? Wenn man genauer hinschaut und auch den extra dafür erfundenen Hashtag #WirBleibenZuhause betrachtet, merkt man aber, daß es hier gar nicht um Österliches geht, sondern um den hilflosen Versuch, geschäftig und tatkräftig zu erscheinen. Die im letzten Jahr noch richtigen und notwendigen Einschränkungen sind längst zu einem Mantra geworden: man lockert, hebt die Lockerung wieder auf, lockert wieder – und nichts davon ist in seiner Wirkung haltbar oder gar beweisbar. Urlaubsverbote und das bürokratisch verfügte Verbot der Außengastronomie sind absurde Maßnahmen, die den Menschen auch noch die letzte Lebensfreude und den Hotels, Restaurants und Cafés buchstäblich ihre Existenz nehmen. Den Gipfel aber stellt der regierungsamtliche Oster-Hashtag #WirBleibenZuhause dar.

Wenn man begreifen will, was die Osterzeit für die Menschen bedeutet (ganz unabhängig vom christlichen Glauben), dann genügt es, den „Osterspaziergang“ in Goethes Faust zu lesen:

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flor;
Aber die Sonne duldet kein Weißes:
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt’s im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit‘ und Länge,
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein.
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Dieser jedem Menschen eingeborenen, tiefempfundenen Freude am Frühling ein seuchenpolizeiliches #WirBleibenZuhause entgegenzusetzen, ist unfaßbar und zeigt, wie weit sich die Politik von allem Menschlichen entfernt hat.

Nur weil die Behörden nicht in der Lage sind, die Ausbrüche lokal und regional einzugrenzen, nur weil Deutschland und die EU bei der rechtzeitigen Beschaffung von genügend Impfstoffen vollständig versagt haben, sollen die Menschen jetzt an Ostern zuhause bleiben?

Nein – #WirBleibenNICHTZuhause!

Und ich will endlich belastbare Zahlen sehen, wieviele Menschen sich bisher in Biergärten und in Cafés mit dem Virus angesteckt haben.

Die Maßnahmen der Regierung, auch wenn sie jetzt teilweise widerrufen worden sind, halten inzwischen nicht einmal mehr dem einfachen Imperativ stand, den Paulus in seinem ersten Brief an die Thessalonicher (5,21) formuliert hat. Dort heißt es (hier im griechischen Original, dann lateinisch und deutsch zitiert):

πάντα δὲ δοκιμάζετε, τὸ καλὸν κατέχετε
Omnia autem probate, quod bonum est tenete
Prüft aber alles, und das Gute behaltet.

Eine bessere Empfehlung kann es auch in einer Pandemie nicht geben.

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