Die Banalität des linken Journalismus am Beispiel der Frankfurter Rundschau

Jan Böhmermann hat eine ganze Sendung für eine Persiflage auf Dieter Nuhr und dessen Reihe „Nuhr im Ersten“ reserviert. Darum soll es hier aber gar nicht gehen. Es geht um eine „TV-Kritik“, die ein gewisser Max Schäfer für die Frankfurter Rundschau darüber geschrieben hat. Da hat mich wieder ein fast körperlicher Schmerz darüber ergriffen, was aus dieser großen liberalen Zeitung, die einmal durch Journalisten wie Karl Gerold, Karl-Hermann Flach, Werner Holzer und Roderich Reifenrath geprägt war, mittlerweile geworden ist: ein Sprachrohr des linken und grünen Milieus, das es geschafft hat, das journalistische und argumentative Niveau der taz noch einmal zu unterbieten. Das sprachliche sowieso.

Ein drastisches Beispiel dafür liefert Max Schäfer in seinem FR-Kommentar „Die Banalität des rechten Humors“ (hier nachzulesen). Wer nach dem abgewandelten Hannah Arendt-Zitat von der „Banalität des Bösen“ auf wenigstens ein bißchen Esprit gewartet hat, wird ganz schnell eines Besseren belehrt. Hier wird nicht argumentiert, hier wird mit dem großen Hammer und in schlechtem Deutsch auf den Gegner eingedroschen (alle fettgedruckten Beispiele stammen aus Schäfers Feder).

Dabei geht es Schäfer eigentlich gar nicht um Dieter Nuhr, sondern um Dieter Nuhr und seinesgleichen. Nuhr, seine Sympathisanten und vor allem sein Publikum, sie alle sieht er als eine homogene Masse, für die er nur Verachtung übrig hat. Es sind alte weiße Männer und Konservative mit liberaler Maskerade, Konservative und Pseudoliberale und Konservative mit gelb maskierten Freund:innen, deren Heimat aus Dorfwirtschaft, Schützenhaus, Facebook besteht. Sie freuen sich über Nuhrs Gesabbel, über sein Gejammer voller Sehnsucht nach einer Gesellschaft aus dem letzten Jahrtausend und natürlich auch über Nuhrs misogyne, rassistische, LGBTQ+-feindliche Stammtischsprüche. Einfältig und böse, wie sie sind, johlen sie bei Nuhrs pointenlosen Sprüchen gegen Migrant:innen, und erst recht, wenn sich der angebliche Humorist Nuhr bemüht, für sein mehrheitlich altes und weißes Publikum den Gender-Wahn oder die Cancel Culture herbeizufantasieren.

Genügt das? Ein Chefredakteur, der halbwegs bei Sinnen ist, hätte so ein Machwerk niemals ins Blatt genommen.

Was ist nur aus der Frankfurter Rundschau geworden?

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Fernsehen und Presse, Internet, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Frau Dr. Greta Thunberg

Da verleihen also die Fakultäten der Universität Helsinki jedes Jahr an mehrere Personen die Ehrendoktorwürde. Die Theologische Fakultät ehrt dieses Jahr (hier nachzulesen) acht Personen, darunter befinden sich

der ehemalige Präsident des Lutherischen Weltbundes, die Direktorin der Abteilung Weltdienst des Lutherischer Weltbundes, ein Professor für Kirchengeschichte aus Estland, eine Professorin für Religionssoziologie aus Schweden und drei Professorinnen und Professoren aus England.

Und Greta Thunberg.

Greta Thunberg? Ehrendoktor der Theologie? Wo ist da der Zusammenhang? Will man sich mit ihr schmücken? Ist sie eine besonders eifrige oder eine besonders fromme Christin? Der erste Schritt zur Seligsprechung kann es ja nicht sein, denn Finnland ist ein protestantisch geprägtes Land.

Damit wir uns nicht mißverstehen: ich halte die Klimaveränderungen auch für gefährlich. Aber Angst ist immer ein schlechter Ratgeber. Und je größer die Gefahr ist, desto gründlicher muß man überlegen, was zu tun ist. Wer uns unter Druck setzt, wer uns sagt, daß wir sofort handeln müssen, weil sonst der Planet unbewohnbar wird, wer sich dramatisch zur „Letzten Generation“ zählt und schon zur Gewalt gegen Sachen bereit ist, dem glaube ich kein Wort. Ganze Volkswirtschaften umzubauen zu einem Ziel, das wahrscheinlich nicht erreichbar ist, wahrhaftig zu glauben, der Mensch könne das Klima in die Schranken weisen – das ist mir denn doch ein bißchen zu viel Science Fiction.

„Aber die Wissenschaft!“ wird man mir da zurufen, „die Wissenschaft ist sich doch einig!“ Das mag sein. Aber hier geht es um Prognosen, und gerade die Corona-Krise hat gezeigt, daß selbst kurzfristige Vorhersagen – was wird mit dem Virus im Herbst? was im nächsten Jahr? – nur ein Stochern im Nebel waren. Kein Virologe hat vorhergesagt, daß aus der Pandemie so schnell eine gewöhnliche Infektionskrankheit werden könnte und die vorgehaltenen Intensivbetten so schnell leerstehen würden. Und da will man heute prognostizieren, wie das Klima, also ein viel, viel komplexeres Gebilde, am Ende des Jahrhunderts aussehen wird?

Übrigens: einen Kindderkreuzzug hatten wir schon einmal: die Peregrinatio puerorum des Jahres 1212. Sie war nicht sehr erfolgreich.

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik | Schreib einen Kommentar

Der Jargon der Weibentlichkeit

In einer Werbebroschüre über junge Unternehmerinnen, die heute unserer Zeitung beilag, sieht man auf der Rückseite das Bild einer Louisa D. – „Unternehmerin, Autorin, Moderatorin und Beraterin“ – und liest, was sie zu sagen hat:

Weibliche Vorbilder sind unglaublich wichtig. Wenn sie nicht sichtbar sind, weiß man auch nicht, dass es sie gibt.

Und dann heißt es noch über Louisa:

Sie hat eine halbe Million Follower:innen in den sozialen Medien zu den Themen Nachhaltigkeit und Politik.

„Nicole, Sophia und Julia“ haben die Broschüre gestaltet, natürlich für das „Female Empowerment“. Wozu sonst? Hin und wieder kann aber auch ein Mann ganz nützlich sein (das nennt man dann „He-For-She“-Momente), so etwa der Aron für die Tiaji, die sich „im Auswärtigen Amt mit der Initiative Diplomats of Color für Vielfalt“ einsetzt. Von Aron hat sie nämlich gelernt,

wie man als Diplomat:in und Change Manager:in Chancen ergreift.

Haben Sie auch schon gemerkt, daß diese Frauen keinen einzigen schönen, treffenden und einfachen deutschen Satz mehr zustandebringen? Es ist ein fürchterlicher Jargon, in dem immerfort alles irgendwie weiblich, irgendwie nachhaltig, irgendwie divers und vielfältig und inklusiv ist – ein Gebräu wie von einer schlechten Werbeagentur, mit lauter Textbausteinen, denen man ansieht, daß ihnen kein einziger echter, im Verstand gebildeter Gedanke zugrundeliegt. „Ohne Role Models“, schreibt etwa Tiaji, werde „die Verwaltung ihre Probleme nicht in den Griff bekommen“. Denise und Tessa haben dagegen ein „Money-Mindset für Frauen und Gründerinnen“ entwickelt und sagen: „Als Gründer:in hast du Mental Load genug, du brauchst Expert:innen“. Die Entscheidung „Family Offices, Crowdfunding oder Investor:innen“ könne ein Gamechanger sein.

Die Kommunikationsdesignerinnen Maria und Laura haben ein Gebärden-Daumenkino entwickelt:

Gebärdensprache ist universell. Jede:r kann sie lernen. In unserem Bildungssystem geht das allerdings erst als Erwachsene:r.

Dajana ist Consultant für Diversity im Web3. Ein DAO zu gründen sei nicht leicht, sagt sie. Man brauche „Mentor:innen und Investor:innen“. Sie selbst beschreibt sich als Early Adopter. Der Frau, die eine Idee hat, ruft sie zu: „Claime sie, auch wenn niemand auf sie wartet. Auch wenn es nischig ist.“

Wenn es Ihnen jetzt auch übel geworden ist, lieber Leser, dann besteht noch Hoffnung für Sie. Dann wollen wir uns jetzt gemeinsam bei einem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe erholen – und Louisa, Nicole, Sophia, Julia, Tiaji, Denise, Tessa, Maria, Laura und Dajana ganz schnell vergessen. Wandern wir also zusammen aus den Niederungen hinauf zum Olymp!

Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht:
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

Veröffentlicht unter Internet, Natur, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Putin bricht in Mariupol in Tränen aus: „Was habe ich nur getan!“

Gestern hat Putin zum ersten Mal die von seinen eigenen Truppen zerstörte Stadt Mariupol besucht. Offiziell wurde als Grund angegeben, er wolle sich über die Fortschritte beim Wiederaufbau der Stadt informieren. Aber es kam anders.

Putin landete mit einem Hubschrauber am Rande der Stadt und fuhr dann im Schutz der Dunkelheit mit einem Auto zu den ersten fertigen Plattenbauten. Mit einem Kamerateam besuchte er eine Familie, die ihm als Zeichen russischer Gastfreundschaft Salz und Brot reichte und ihm wortreich für die Befreiung vom Joch der ukrainischen Nazis dankte: „Du hast uns das Leben gerettet, Wladimir Wladimirowitsch! Danke, danke, danke!“

Als die Kameras abgeschaltet waren, setzte sich Putin wieder ans Steuer des gepanzerten Fahrzeugs (das ließ er sich nicht nehmen!) und fuhr durch die menschenleeren Straßen. Links und rechts nur rußgeschwärzte Ruinen und halbzerstörte Wohnblocks mit den Einschußlöchern der russischen Artillerie. Einer der Offiziere im Fond des Wagens sagte triumphierend: „Wir haben sie ordentlich ausgeräuchert, die Nazis, nicht wahr, Wladimir Wlaldimirowitsch?“

Putin antwortete nicht.

Nach einer Weile hörten die Offiziere vorn ein leises Schluchzen. Schoigu, der Verteidigungsminister, der neben Putin auf dem Beifahrersitz saß, sah mit Entsetzen, wie dem Präsidenten Tränen über die Wangen liefen. „Was habe ich nur getan“, murmelte Putin immer wieder, „was habe ich nur getan!“

Heute morgen, nach Putins Rückkehr, gab Dimitri Peskow, der Sprecher des Präsidenten, in einer Pressekonferenz bekannt, daß sich die russischen Truppen aus allen besetzten Gebieten der Ukraine zurückziehen würden. Der Rückzug habe schon begonnen. Und Putin?

„Präsident Putin hat sich zu innerer Einkehr und zu frommen Exerzitien in das Kloster Walaam zurückgezogen.“

******************************

Ist das jetzt ein Märchen? Ja, zumindest der Schluß. Der kommt aus einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat. Aber Geschichten, in denen ein kalter, roher Mensch plötzlich dem Ruf zur Umkehr folgt, hat es in der Geschichte doch immer wieder gegeben, oder etwa nicht?

Veröffentlicht unter Christentum, Politik | Schreib einen Kommentar

Und, was trendet heute so?

Das fragt nämlich Denise Orlean, Redakteurin des „RedaktionsNetzwerks Deutschland“ (hier nachzulesen):

Was trendet bei Netflix?

Gegenfrage: was sprachelt bei diesem Redaktionsnetzwerk? Die Liebe zum guten Deutsch kann es nicht sein. Da trendet vor allem, daß Erwachsene glauben, sie müßten immer noch so reden und schreiben wie damals in der Pubertät. Und es trendet auch, daß Online-Redaktionen das wohl auch noch für frisch und jugendlich halten.

Dabei ist es einfach nur schlechtes Deutsch.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Die Weisheit Nr. 11 einer Paartherapeut*in

In der Zeitschrift „Elle“ hat uns die Berliner Paartherapeutin Birgit Fehst 13 „knallharte Wahrheiten“ über Paarbeziehungen mitgeteilt. Die „Beziehungs-Weisheit Nr. 4“ lautet (hier nachzulesen):

Alleine werden Sie sich niemals so einsam fühlen wie in einer Beziehung mit einer*einem Narzisst*in.

Was heißt das jetzt? Fühle ich mich einsam mit einem Narzisstin? Oder mit einer Narzisst? Oder fühle ich mich einsam, weil meine Paartherapeutin und die Redakteure der Zeitschrift „Elle“ jahrelang den Deutschunterricht geschwänzt haben und deshalb nur noch Deppendeutsch schreiben können?

Und weil wir schon einmal dabei sind – hier ist die „Beziehungs-Weisheit Nr. 11“, die ich aus verständlichen Gründen ganz groß schreibe:

Sie müssen die*den richtige*n Partner*in nicht davon überzeugen, dass sie*er die*der richtige Partner*in ist.

Das, lieber Leser, ist keine Satire – es steht genau so in der Online-Ausgabe der Zeitschrift „Elle“.

Die Fastnachtssitzungen sind zwar schon vorbei, aber der Elferrat in Mainz würde an dieser Stelle ausrufen: „Narrhalla-Marsch!“

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Schämt euch! oder: Wie im geschichtsvergessenen Deutschland wieder einmal „Peace for our time!“ gerufen wird

Um es gleich vorweg zu sagen: ich habe mich lange nicht mehr so für eine Veranstaltung geschämt wie für diese „Friedensdemonstration“ und das dumme und zynische Manifest von Schwarzer und Wagenknecht.

Dumm ist es, weil es die wichtigste, die allerwichtigste Lehre aus dem 20. Jahrhundert bewußt unterdrückt: daß die naive Friedensseligkeit, wie sie sich 1938 im Münchner Abkommen mit Hitler manifestiert, geradewegs in den Weltkrieg geführt hat. Für einen gefräßigen Diktator ist ein Waffenstillstand das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht. Er würde die gewonnene Zeit nur dazu nutzen, die Kriegsproduktion noch einmal zu beschleunigen, um nach dem (ziemlich sicheren) Scheitern der Verhandlungen der Ukraine den Todesstoß zu versetzen. Der Konflikt um das Sudetenland ist eine Blaupause für den Ukrainekrieg: erst bricht man ein Stück des Nachbarlandes heraus, dann nimmt man sich den Rest. Schwarzer und Wagenknecht sind kluge Frauen, und wenn sie über diese Parallele geflissentlich hinweggehen und nur lautstark „Frieden! Frieden!“ rufen, dann muß da sehr viel Ideologie und alte Anhänglichkeit im Spiel sein – sei es die Prägung auf die „deutsch-sowjetische Freundschaft“ auf der einen oder eine nostalgische Sehnsucht nach der behaglichen alten Bundesrepublik auf der anderen Seite.

Viel schlimmer ist aber der Zynismus, der in dem Manifest ganz unverhohlen zutage tritt Es ist ein Manifest der Angst, und es will uns Angst machen:

Eskalation! Maximaler Gegenschlag! Jeder Tag bringt uns dem Weltkrieg näher! Angst um die Zukunft unserer Kinder! Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg!

„Beide Seiten“ sollen Kompromisse machen – das ist schon in der Formulierung mehr als niederträchtig, denn es stellt den brutalen Angreifer auf eine Stufe mit seinem Opfer. Schuld an den ruchlosen Verbrechen sind dann nicht die Täter, sondern die Opfer, weil sie die Frechheit haben, sich gegen den Angreifer zu wehren, statt sich ihm möglichst schnell zu unterwerfen.

„Präsident Selenskyj macht aus seinem Ziel kein Geheimnis“, heißt es im Manifest. Und was ist sein Ziel? Will er etwa sein Land gegen einen skrupellosen Angreifer beschützen? Keineswegs. Sein Ziel, so steht es im Manifest, sind „Kampfjets, Langstreckenraketen und Kriegsschiffe“. So wird der gewählte Präsident der Ukraine, ein mutiger und sympathischer Mann, auf eine subtile und schäbige Art zum waffenlüsternen Kriegstreiber gemacht.

Hier erkenne ich übrigens sehr deutlich die Feder von Frau Schwarzer, die schon vor einem Jahr, kurz nach Beginn der Invasion, die militärischen Erfolge der ukrainischen Armee in einem Interview mit peinlich herablassenden Worten kleingeredet hat. Auch jetzt wieder schreibt sie, die Ukraine könne zwar „einzelne Schlachten gewinnen“, aber nicht den Krieg „gegen die größte Atommacht der Welt“. Fast hatte man das Gefühl, daß es ihr mit dem russischen Sieg gar nicht schnell genug gehen kann, damit sich die Deutschen wieder wie einst in der Bundesrepublik behaglich zurücklehnen und den Kampf gegen die Feinde der Demokratie wie damals anderen, vor allem den USA, überlassen können.

Die Liste der prominenten Erstunterzeichner liest sich deshalb auch wie ein Who is who der alten Bonner Republik. Vielen von ihnen – etwa Reinhard May, Hanna Schygulla und ein paar anderen – nehme ich die Sorge um den Frieden ab. Anderen nicht.

Dieses Manifest ist ein Manifest der Angst und der Feigheit. Und es ist ein Stück Demagogie von der ersten bis zur letzten Zeile. Hinter dem Friedensgerede und der „Sorge“ um „Hundertausende Tote“ versteckt sich in Wahrheit eine tiefe Verachtung für die Ukraine, der man offenbar das Recht abspricht, sich gegen einen mächtigen, verbrecherischen Angreifer zu verteidigen. Die beiden Damen wissen sehr genau, was sich in den von Rußland besetzten Gebieten zuträgt: Plünderung, Folter, Erschießungen, Vergewaltigungen – blanker Terror einer Soldateska, der man gesagt hat, daß sie mit den „Nazis“ und „Untermenschen“ machen kann, was sie will. Neuerdings schlägt man „Verrätern“ oder Deserteuren vor laufender Kamera mit dem Hammer den Schädel ein und stellt die Filme ins Internet. Kinder, die slawisch aussehen, werden zu Hunderten nach Rußland verschleppt, um sie zu russifizieren.

Es ist nicht abstrakt „der Krieg“, es sind Putins Soldaten und seine Söldner, die sich in den besetzten Gebieten benehmen wie einst die Landsknechte im 30jährigen Krieg. Für einen Moment freilich dachte ich, daß Wagenknecht diese Einsicht teilt, sagte sie doch in ihrer Rede in Berlin, daß Putin „wie ein Elefant im Porzellanladen über das internationale Parkett trampelt“. Aber beim zweiten Anhören merkte ich, daß ich mich verhört hatte. Nicht „Putin“ sagte sie, sondern „Baerbock“. Und schon wurde vom friedensbewegten Publikum „Baerbock muß weg!“ skandiert, und auch“Lügenpresse“ war wieder zu hören.

„Sie haben Angst vor uns“, rief Wagenknecht den Demonstranten triumphierend zu. Also ich, liebe Frau Wagenknecht, habe keine Angst vor Ihnen. Ich schäme mich nur für Sie.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Politik | Schreib einen Kommentar

Liebe Frau Schwarzer, liebe Frau Wagenknecht,

da Sie in letzter Zeit so gerne Briefe schreiben, greife auch ich zur Feder. Ich möchte Ihnen eine kleine Geschichte erzählen.

Es war einmal ein durch und durch böser König, der herrschte über ein großes Reich. Kaum hatte er seine Feinde im Innern zum Schweigen gebracht, da gelüstete es ihn, sich das eine oder andere Nachbarland einzuverleiben. Sein Blick fiel auf ein kleines Ländchen im Südosten seines Reiches, und weil dort auch Landsleute von ihm lebten, drohte er damit, sein gewaltiges Heer in Gang zu setzen. Da bekamen es die großen Reiche in Europa mit der Angst zu tun. „Frieden, Frieden!“ riefen sie, und in den Zeitungen war zu lesen: „Wir müssen mit dem bösen König verhandeln, daran führt kein Weg vorbei. Er ist zwar böse, keine Frage, aber es gibt nichts Wichtigeres als den Frieden!“ Und so trafen sich die vier Könige mit dem durch und durch bösen König, und sie flehten ihn an und bettelten: „So hab doch Erbarmen mit unserem Kontinent, lieber König! Schenke uns Frieden!“ Und der böse König, so hatte es den Anschein, ließ sich tatsächlich erweichen und versprach, nur jene Teile des kleinen Landes in Besitz zu nehmen, wo seine Landsleute wohnten. Da waren die Könige ganz aus dem Häuschen vor Glück, und einer von ihnen schwenkte bei seiner Rückkehr den Vertrag und rief seinen Landsleuten nicht ohne Stolz zu, daß er seinem Zeitalter den Frieden gebracht habe. Und alle Menschen lebten fortan glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

So hätte das Märchen enden können. Aber es kam anders. Der König klatschte, als er wieder allein war, in die Hände und freute sich, daß ihm seine Eroberung gelungen war, ohne daß er einen einzigen Schuß abgeben mußte. Und es dauerte nicht lange, da nahm er sich auch den Rest des kleinen Landes, und er eroberte das nächste Land und das nächste und das übernächste, und bald brannte der ganze Erdkreis. Und als der große Krieg vorbei war, da wußten die Menschen (jedenfalls die klugen unter ihnen!), daß es falsch gewesen war, sich auf ein Blatt Papier und auf das Wort dieses ganz und gar bösen Königs zu verlassen.

Solche bösen Könige aber gab es von Anbeginn, und es wird sie immer geben. Und auch die Vergeßlichkeit des Menschen wird es immer geben. So konnte es geschehen, daß auch heute so ein böser, gefräßiger König sich ein Stück Land nach dem anderen einverleibt und schon wieder Menschen „Frieden! Frieden!“ rufen, statt den Anfängen zu wehren und dem bösen König in den Arm zu fallen.

„Peace for our time!“ mag 1938 ein naiver und menschlich verständlicher Wunschglaube gewesen sein. Wer aber im Jahr 2023 denselben Fehler macht, hat nichts aus der Geschichte gelernt. Auf seine Gutgläubigkeit wird er sich später einmal nicht berufen können.

Veröffentlicht unter Politik | 1 Kommentar

Sallust und die Widerwärtigkeit

Viele sind ja heilfroh, wenn sie nach dem Abitur das lästige Latein endlich los sind. Bei mir war das nicht so. Latein war eines meiner Lieblingsfächer, und jetzt – im fortgeschrittenen Alter – ist die alte Liebe wieder entbrannt. Deshalb greife ich gelegentlich zu einem der römischen Schriftsteller – und bin immer wieder erstaunt, wieviel sie uns heute, noch nach zweitausend Jahren, zu sagen haben.

Der eine oder andere wird das Zitat vielleicht kennen. Es stammt von Gaius Sallustius Crispus, meist nur Sallust genannt. In seiner Schrift „De Catilinae coniuratione“ bekennt er:

Sed ego adulescentulus initio, sicuti plerique, studio ad rem publicam latus sum, ibique mihi multa advorsa fuere. nam pro pudore, pro abstinentia, pro virtute audacia, largitio, avaritia vigebant.

Das heißt in der Übersetzung von Wilhelm Schöne (Sallust – Werke und Schriften, Heimeran-Verlag 1960):

Ich selbst nun habe mich in früher Jugend zunächst aus innerer Neigung wie die meisten auf die Politik geworfen; dort aber war mir vieles widerwärtig. Denn statt Anstand, Zurückhaltung und Tüchtigkeit blühten Frechheit, Bestechlichkeit und Habsucht.

Natürlich ist jede Ähnlichkeit mit unserer Gegenwart rein zufällig!

Seine „schwache Jugend“, schreibt Sallust weiter, sei „in so lasterhafter Umgebung von Ehrsucht betört worden und in ihrem Bann geblieben“. Das ist freilich belegt: zu dieser Welt des „Wiederwärtigen“ hat auch Sallust selbst lange gehört. Als Statthalter soll er die Provinz Africa Nova regelrecht ausgeplündert und sich von dem geraubten Geld eine prächtige Villa in Rom – in bester Lage! – zugelegt haben. Nach Caesars Tod zog er sich aus dem politischen Leben zurück und wurde zu einem der ersten großen römischen Geschichtsschreiber.

Kann man sich am Werk eines Künstlers oder Wissenschaftlers auch dann erfreuen, wenn man weiß, daß er menschlich und moralisch von zweifelhaftem Charakter war? Eine schwierige Frage, die man sich ja auch bei den Schriftstellern und Filmschauspielern im Dritten Reich immer wieder gestellt hat. Eigentlich müßte man die Person von ihrem Werk trennen, natürlich. Aber so ganz schafft man das oft nicht.

Veröffentlicht unter Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Haben Sie schon ein Lobkärtchen von Ihrem Chef bekommen?

Na, dann wird’s aber Zeit! Kürzlich bei Amazon gesehen:

Lobkärtchen Erwachsene
100 Papierkärtchen:
Würdigen Sie Ihre Mitmenschen nachhaltig!

Die Infantilisierung schreitet also immer weiter fort. Nicht nur, daß jeder glaubt, daß er mein Kumpel ist und mich duzt (besonders penetrant der ALDI), jetzt verteilt der Chef auch noch Lobkärtchen an seine Mitarbeiter. Da steht dann drauf „exzellent“ oder „alle Achtung“ oder „fantastisch“. So bleibt man ein Erstkläßler sein Leben lang.

Kein Wunder, daß die Kunden begeistert sind. „Sorgt für Freude unter Kollegen oder im Alltag!“, schreibt einer. Weitere Stimmen:

Alle Kollegen finden es sei eine tolle Idee, jemandem so nachhaltig eine Freude zu bereiten.

Als Supervisor setze ich diese Kärtchen sehr gerne ein und sie werden von den Teams super aufgenommen. Kann man immer und zu jeder Zeit in jeder Teambesprechung etc. einsetzen.

Funktioniert super bei Angestellten im Alltag als Aufmerksamkeit! Egal ob an der Kasse im Supermarkt oder beim Briefzusteller, jeder freut sich.

Ach ja, „nachhaltig“ – ein völlig sinnentleertes Marketingwort, das längst nicht nur als Unwort des Jahres, sondern als „Unwort des 21. Jahrhunderts“ eingestuft werden müßte.

Veröffentlicht unter Internet, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar