Der Jargon der Weibentlichkeit

In einer Werbebroschüre über junge Unternehmerinnen, die heute unserer Zeitung beilag, sieht man auf der Rückseite das Bild einer Louisa D. – „Unternehmerin, Autorin, Moderatorin und Beraterin“ – und liest, was sie zu sagen hat:

Weibliche Vorbilder sind unglaublich wichtig. Wenn sie nicht sichtbar sind, weiß man auch nicht, dass es sie gibt.

Und dann heißt es noch über Louisa:

Sie hat eine halbe Million Follower:innen in den sozialen Medien zu den Themen Nachhaltigkeit und Politik.

„Nicole, Sophia und Julia“ haben die Broschüre gestaltet, natürlich für das „Female Empowerment“. Wozu sonst? Hin und wieder kann aber auch ein Mann ganz nützlich sein (das nennt man dann „He-For-She“-Momente), so etwa der Aron für die Tiaji, die sich „im Auswärtigen Amt mit der Initiative Diplomats of Color für Vielfalt“ einsetzt. Von Aron hat sie nämlich gelernt,

wie man als Diplomat:in und Change Manager:in Chancen ergreift.

Haben Sie auch schon gemerkt, daß diese Frauen keinen einzigen schönen, treffenden und einfachen deutschen Satz mehr zustandebringen? Es ist ein fürchterlicher Jargon, in dem immerfort alles irgendwie weiblich, irgendwie nachhaltig, irgendwie divers und vielfältig und inklusiv ist – ein Gebräu wie von einer schlechten Werbeagentur, mit lauter Textbausteinen, denen man ansieht, daß ihnen kein einziger echter, im Verstand gebildeter Gedanke zugrundeliegt. „Ohne Role Models“, schreibt etwa Tiaji, werde „die Verwaltung ihre Probleme nicht in den Griff bekommen“. Denise und Tessa haben dagegen ein „Money-Mindset für Frauen und Gründerinnen“ entwickelt und sagen: „Als Gründer:in hast du Mental Load genug, du brauchst Expert:innen“. Die Entscheidung „Family Offices, Crowdfunding oder Investor:innen“ könne ein Gamechanger sein.

Die Kommunikationsdesignerinnen Maria und Laura haben ein Gebärden-Daumenkino entwickelt:

Gebärdensprache ist universell. Jede:r kann sie lernen. In unserem Bildungssystem geht das allerdings erst als Erwachsene:r.

Dajana ist Consultant für Diversity im Web3. Ein DAO zu gründen sei nicht leicht, sagt sie. Man brauche „Mentor:innen und Investor:innen“. Sie selbst beschreibt sich als Early Adopter. Der Frau, die eine Idee hat, ruft sie zu: „Claime sie, auch wenn niemand auf sie wartet. Auch wenn es nischig ist.“

Wenn es Ihnen jetzt auch übel geworden ist, lieber Leser, dann besteht noch Hoffnung für Sie. Dann wollen wir uns jetzt gemeinsam bei einem Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe erholen – und Louisa, Nicole, Sophia, Julia, Tiaji, Denise, Tessa, Maria, Laura und Dajana ganz schnell vergessen. Wandern wir also zusammen aus den Niederungen hinauf zum Olymp!

Willkommen und Abschied

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht;
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht:
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer;
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!

Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient es nicht!

Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden,
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!

Dieser Beitrag wurde unter Internet, Natur, Sprache und Literatur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert