Ein Rektorat im „Blutrausch“? An der Saale hellem Strande wollte man die nichtsnutzigen Geisteswissenschaften ein für allemal loswerden

Gestern wollte die Leitung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg – eins, zwei, drei im Sauseschritt! – beschließen, daß

die Studiengänge Gräzistik, Latinistik, Indologie, Japanologie, Sprache und Kultur Südasiens, Mittel- und Neulateinische Philologie, Archäologie des Vorderorients, Land- und Umwelttechnik und Landeskulturen und Kulturtechniken sowie das Institut für Altertumswissenschaft und das für Sportwissenschaft für immer geschlossen werden.

Das sollte – anders kann man es nicht ausdrücken – ein Gemetzel werden, wie man es in dieser Brutalität noch nicht erlebt hat. Abgeschafft werden fast nur kleine und mittlere geisteswissenschaftliche Fächer, die nicht über Drittmittel finanziert werden und sich nicht „rentieren“. Latein und Altgriechisch? Weg damit! Neulateinische Philologie? Wer braucht denn so etwas! Japanologie und die Kultur Südasiens? Wir sind hier in Sachsen-Anhalt, meine Herren, das Geld ist knapp und Japan ist weit!

In Halle, so hatte es das Rektorat vor, sollte alles entsorgt werden, was nicht große Studentenmassen (und Drittmittel von der Wirtschaft) anlockt. Es ist der blanke Hohn, wenn die Universität auf ihrer Internetseite mit dem Motto

Schafft Wissen. Seit 1502

wirbt. Was nämlich nach dem Kahlschlag noch bliebe, wären Fächer, die man auch an jeder anderen Universität studieren kann. Aber gerade das, was Wittenberg-Halle „seit 1502“ auszeichnet, soll jetzt wie Unkraut ausgerottet werden. Hier, schreibt Simon Strauss in der F.A.Z.,

wo Friedrich August Wolf die Altertumswissenschaft als Disziplin erfand, hier, wo August Boeckh studierte und Carl Robert eine einmalige Forschungsbibliothek hinterließ, soll die Altertumswissenschaft dichtgemacht werden?

Was natürlich vom Rektorat nicht angerührt wird, sind die Gender Studies, für solcherlei Pseudowissenschaft ist auch in Halle genug Geld da (hier nachzulesen):

Zertifikat Gender Studies
Zusatzqualifikation als Zulassungsvoraussetzung für viele konsekutive Masterstudiengänge in den Gender und Queer Studies
Strukturelle Verankerung von Gender und Queer Studies in der Hochschullehre
Sichtbarmachung der Genderforschung und -lehre
Förderung von Inter- und Transdisziplinarität
Motivation für Studierende, sich mit Themen der Gender und Queer Studies auseinanderzusetzen
Relevanz für den Berufseinstieg und fachübergreifende Kompetenzen
Netzwerk unter Lehrenden in den Gender Studies an der Martin-Luther-Universität
Etablierung eines akademischen Ortes innerhalb der Universität, an dem diverse Fachrichtungen und Bildungsverläufe zusammenkommen können.

Rektor ist übrigens seit 2018 Christian Tietje, ein Jurist mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht. Weitere Mitglieder des Rektorats sind der Physiker Wolfgang Paul, Wolf Zimmermann vom Institut für Informatik, Johanna Mierendorff, Inhaberin einer Professur für Sozialpädagogik, und der Jurist Markus Leber. Schon an dieser Zusammensetzung sieht man, daß die Geisteswissenschaften in Halle nicht mehr viel zu melden haben.

Trotzdem ist die „Profilschärfung durch Selbstverstümmelung“ gestern im Senat erst einmal gescheitert. Einen wesentlichen Anteil daran hatten zwei Artikel im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die den dreisten Plan des Rektorats kurz vor der Entscheidung ans Licht brachten. Auch die Landesregierung sprach von „irritierenden“ Inhalten. Jetzt wurde der Plan, der in aller Eile durch die Gremien gepeitscht werden sollte, zu einer bloßen „Diskussionsgrundlage“ zurückgestuft.

Man sollte sich aber nicht zu früh freuen. Das Rektorat duckt sich jetzt nur weg, weil der öffentliche Aufschrei zu groß war. Tietje und Kollegen werden ihre Ziele weiterverfolgen. Man sollte ihnen für den Sommer ein paar Leseempfehlungen geben – nein, kein Reiseführer durch Bologna, aber wie wäre es mit Wilhelm von Humboldt? Da fänden sie Sätze wie diese:

Jeder ist offenbar nur dann guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann, wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist.

Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist, so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen.

Veröffentlicht unter Politik, Sonstiges, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Nieder mit Newton! Nieder mit Darwin! Nieder mit Linné!

Während sich alle Minderheiten der Welt – von den Transpersonen bis zu den People of Colour – brachial um die eigene „Sichtbarkeit“ bemühen, sollen gleichzeitig (oft von denselben Personen!) alle Spuren des „Kolonialismus“ unsichtbar gemacht werden. Wer in den letzten Jahrhunderten auch nur in die Nähe eines „Kolonialisten“ gekommen ist (und das war ein paar Jahrhunderte lang fast jeder lebende Mensch), dessen Andenken soll – ähnlich der römischen damnatio memoriae – ein für alle Mal aus dem Gedächtnis der Menschheit gelöscht werden.

Die Sheffield University geht nun voller Tatendrang daran, auch ihr Biologiestudium (!) zu „dekolonisieren“ (decolonising curriculum). Und so wie einst der Problembär Bruno zur Strecke gebracht wurde, will man jetzt auch die britischen Problemforscher allesamt eliminieren. Zu den „problematischen Persönlichkeiten“, an die nichts mehr erinnern soll, gehören in alphabetischer Reihenfolge:

Henry Walter Bates
Charles Darwin
Ronald Fisher
Francis Galton
J.B.S. Haldane
Julian Huxley
Carl von Linné
Isaac Newton
Karl Pearson
Alfred Russell Wallace
James Watson.

Wenn das ein paar dumme, unbedarfte Studenten fordern, die es gerade so zum Studium in Sheffield geschafft haben – geschenkt. Aber es sind gestandene Professoren, oft sogar die Universitätsleitung, die bei diesem üblen Spiel mitmachen.

Übrigens: daß auch Carl von Linné, der große Linnaeus, auf der Liste der Verfemten auftaucht, nehme ich als leidenschaftlicher Botaniker diesen Bürschchen besonders übel. Linnés binäre Nomenklatur, ohne die es bis heute keine wissenschaftliche Namengebung von Pflanzen und Tieren gäbe, wird noch in Jahrhunderten Bestand haben. Den Wohlstandskämpfern gegen den Kolonialismus wird man dann nicht einmal mehr in einer Fußnote begegnen.

Veröffentlicht unter Natur, Philosophie, Politik | Schreib einen Kommentar

Communitys

Einen solchen Satz findet man im Pfalz-Express (hier nachzulesen), aber leider auch andernorts:

Sowohl der deutsche Staat als auch deutsche Muslime sind aufgefordert, das Problem des Antisemitismus in muslimischen Communitys klar zu benennen und zu bekämpfen.

„Communitys“ – was ist das für ein Plural?! Wer noch ein Sprachgefühl fürs Deutsche hat, wird so ein Wort nicht ohne Bauchgrimmen niederschreiben.

Aber: es steht doch im Duden! Ja, da steht es tatsächlich:

Singular: die Community
Plural: die Communitys.

Aber der Duden ist schon lange kein Maßstab für gutes Deutsch mehr – erst recht nicht, seit mit Kathrin Kunkel-Razum eine Feministin die Duden-Redaktion leitet.

Andere mögen die aus dem Englischen übernommenen Fremdwörter auf -y deutsch deklinieren, aber ich würde das nur bei vollständig eingebürgerten Wörtern (wie etwa Baby oder Hobby) tun, also da, wo man das Wort gar nicht mehr als Fremdwort empfindet. Bei „Community“ würde ich eher versuchen, den Plural zu umgehen- das ist ja fast immer möglich.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Petra Gerster und das Gendern

Petra Gerster, die seit über 20 Jahren die heute-Nachrichten im ZDF moderiert, hatte vor einigen Tagen ihre letzte Sendung. Zusammen mit Anne Will gehört sie (leider!) zu den prominenten Frauen im Fernsehen, die das Gendern in seiner absurdesten Form praktiziert haben: mit der Sprechpause mitten im Wort. Sie selbst sagt dazu:

Vor allem ältere Männer regen sich sehr darüber auf. Von Jüngeren – Frauen wie Männern – kommt dagegen Zustimmung. Ich verstehe das Unbehagen sogar, denn wir sind mit unserer Sprache aufgewachsen und vertraut, jetzt fürchten manche, dass da alles umgekrempelt werden soll. Aber das passiert ja nicht. Der Genderstern ist nur ein winziges Zeichen, das dafür sorgt, dass Frauen, die bisher im männlichen Plural verschwanden, sichtbar werden.

Da haben wir sie also wieder, die alten Männer (hier nur eine Spur höflicher als „ältere Männer“ tituliert). Man kann dieses Wort eine Zeitlang hören, man kann es auch selbst hin und wieder ironisch verwenden, aber wenn man dann sieht, wieviel Ernst, wieviel dumme Anmaßung junge Frauen da hineinlegen, wird man doch so langsam ärgerlich. Und was ist überhaupt mit den alten Frauen? Wenn man nämlich immerfort Sichtbarkeit fordert, dann muß man eines feststellen: daß nämlich alte Frauen völlig unsichtbar sind. Ihre Sichtbarkeit liegt dem Feminismus à la mode offenbar nicht sehr am Herzen. Er lebt von der ständigen Attacke auf den Feind: Frau gegen Mann, Jung gegen Alt, Gut gegen Böse. Und am besten auch noch Schwul gegen Hetero, Farbig gegen Weiß und so weiter.

Sophie Passmann eine preisgekrönte Feministin und Slam-Poetin, erläutert ihr schlichtes Weltbild so (hier nachzulesen):

Einerseits „weißer, gesunder, christlicher, wohlhabender Mann, der die Erzählungen schreibt, den Kuchen backt und uns die Welt erklärt“, andererseits alle anderen.

Yes, life is as simple as that! Interessant sind hier die Attribute, die Passmann dem feindlichen (männlichen) Lager zuschreibt. Bis auf gesund und wohlhabend sind es samt und sonders kulturelle Tätigkeiten, die sie dem Mann zum Vorwurf macht: Religion, Literatur, Philosophie, sogar die Kochkunst, wobei die Kuchen wohl öfter von alten weißen Frauen als von alten weißen Männern gebacken werden.

„Wir sind mit unserer Sprache aufgewachsen und vertraut, jetzt fürchten manche, dass da alles umgekrempelt werden soll. Aber das passiert ja nicht“, sagt Frau Gerster. Doch, genau das passiert, und sie selbst hat ihr Scherflein dazu beigetragen. Wir sind ja nicht nur mit unserer Sprache vertraut, sie ist uns, die wir in ihr sprechen und schreiben, auch zur Bewahrung anvertraut. Sie ist das Rückgrat unserer Kultur und zugleich, wie jede Sprache, ein Archiv der Vergangenheit. Wer die Sprache gerecht machen will, wird sich an ihr die Zähne ausbeißen. Keine Sprache der Welt ist gerecht, und keine wird es je sein.

„Aber Sprachen ändern sich doch immer, wir sprechen heute ja auch nicht mehr das Deutsch der Lutherzeit!“ – das ist das Standardargument, das man als Gegner des Genderns zu hören bekommt. Ja, auch Sprachen ändern sich im Lauf der Zeit, wie alles unter der Sonne. Aber sie ändern sich langsam, in fast organischer Weise. Neue Wörter tauchen auf, bleiben oder verschwinden wieder, andere, die einmal in aller Munde waren, geraten in Vergessenheit. Das alles geschieht ganz von allein. Was heute passiert, hat mit einer solchen natürlichen Sprachentwicklung nichts zu tun: eine zu allem entschlossene Minderheit versucht hier, der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen – auch der Mehrheit der Frauen übrigens. Sie machen erst gar nicht den Versuch, die Menschen zu überzeugen, weil sie genau wissen, daß sie daran scheitern würden. Deshalb setzen sie auf den administrativen Zwang: wer in Schule und Universität, am Arbeitsplatz, in der Behörde nicht gendern will, wird dazu gezwungen. Einzelne Sanktionen gibt es bereits, und sie genügen vollauf.

Das alles hat ohnehin nur ganz am Rande etwas mit Mann und Frau zu tun, das zeigen schon die 60 % der F rauen, die das Gendern ablehnen. Eher schon könnte man von einem einseitig ausgerufenen Kulturkampf sprechen, in dem linke und grüne Kreise unter dem Motto „Fiat iustitia, et pereat lingua!“ ihre politischen Ziele mit einer vorgeschobenen „Gerechtigkeit“ durchsetzen wollen. Man muß nur hie und da einen sanktionieren, der nicht gendert – und schon hat man alle anderen eingeschüchtert, die um ihren Arbeitsplatz oder um die Note ihrer Hausarbeit bangen. So entsteht ein Klima, in dem Feigheit und Mitläufertum gedeihen und die Freiheit bald nur noch auf dem Papier steht.

Ein allerletztes Beispiel: Konstanze Marx, Linguistikprofessorin (!) an der Universität Greifswald, ist offenbar stolz darauf, daß sie den Senatsbeschluß zum Gendern umsetzen darf (hier nachzulesen). Studenten, die in ihren Hausarbeiten nicht gendern, sagt sie, weise sie als Gutachterin darauf hin, ohne es aber in der Note zu berücksichtigen:

Das kommt aber auch nur selten vor, weil Studierende in unserem Fach von sich aus gendern. Für sie ist das einfach selbstverständlich.

„In unserem Fach“ – das ist übrigens, man glaubt es kaum, die Germanistische Sprachwissenschaft. Und man sieht, wie gut schon jetzt der psychische Druck selbst bei Studenten funktioniert.

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

65 % der Deutschen lehnen die „gendergerechte“ Sprache ab

Nach der neuesten Meinungsumfrage, die zu Pfingsten in der „Welt am Sonntag“ veröffentlicht wurde, lehnen zwei Drittel der Deutschen das Gendern ab. Wenn man die ablehnenden Antworten den Wählern der einzelnen Parteien zuordnet, ergibt sich folgendes Bild:

AfD 83%
Linke 77%
FDP 72%
CDU/CSU 68%
SPD 57%
Grüne 48%

Selbst bei den Wählern der Grünen ist also eine knappe Mehrheit von 48 zu 47% gegen den brutalen Angriff einer kleinen, fundamentalistischen Minderheit auf die deutsche Sprache. Die Führung der Grünen trägt dafür die Hauptverantwortung: sie ist der politische Arm all jener kleinen Gruppen und Grüppchen, die ohne ihre politische Unterstützung nichts wären als – kleine Gruppen und Grüppchen. LGBT-Lobbyisten, Gendernetzwerke, Aktivisten jeder Art: sie alle wären fast bedeutungslos, gäbe es die Grünen nicht, die ihre Ideologie übernommen und (oft wörtlich!) in die eigene Agenda und ins Parteiprogramm geschrieben haben. Dabei ist es doch ganz einfach, hinter die Kulissen zu schauen – ein Blick in die Wahlprogramme der Grünen genügt. Wenn Sie glauben, daß die gesoftete grüne Ikonographie, zu der ihnen die Werbeagentur geraten hat (Robert und Annalena im Wohnzimmer mit Grünpflanze, Robert und Annalena vor überlebensgroßer Sonnenblume, wallende Nebel im deutschen Wald) – wenn Sie allen Ernstes glauben, daß Sie es hier mit einer freundlichen, fast biederen, auf jeden Fall aber harmlosen Gruppe netter Menschen zu tun haben, dann lege ich Ihnen dringend die Lektüre der grünen Parteiprogramme ans Herz.

Erstens:.
Deutschland. Alles ist drin. Programmentwurf zur Bundestagswahl 2021.

Zweitens:
Jetzt für morgen. Der Erneuerungsvertrag für Baden-Württemberg.

Niemand soll später einmal sagen, er habe nicht gewußt, was mit einem grünen Wahlsieg auf Deutschland zukommen würde. Die Wahrheit ist – in diesem Fall wenigstens – nur einen Mausklick entfernt.

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Kultur als „Kitt“ und „Schmiermittel“ der Gesellschaft? Ein kleines Loblied auf den Bildungsbürger

Neulich las ich in einem Interview der F.A.Z. mit Joachim Knuth den folgenden Satz aus dem Munde des NDR-Intendanten:

Kultur ist ein wichtiger Kitt unserer demokratischen und aufgeklärten Gesellschaft.

Da denkt man unwillkürlich an das Jahr 2013 zurück, als der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) in einem Thesenpapier (hier nachzulesen) einen Satz niederschrieb, der (jedenfalls außerhalb des linken Lagers) zurecht einen Sturm der Entrüstung auslöste. Kulturpolitik, so schrieb Feldmann damals, sei umso erfolgreicher, je mehr sie sich

als Bildungsaufgabe und Schmiermittel sozialer Infrastruktur, Wirtschaftsförderer und Integrationsmotor, Stadtentwicklungsprogramm und Präventionsstelle versteht.

Die Kultur (oder besser: das, was Feldmann dafür hält) hat also die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß alles wie geschmiert läuft – selbst Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung. Was ist das für eine armselige Vorstellung von Kultur! Was für ein niedriger Platz im Leben wird ihr da zugewiesen, wie klein wird sie da gemacht! Dabei kann ein einziges Buch das ganze Leben eines Menschen verändern, Musik kann ihn zu einem anderen, einen besseren Menschen machen. Kultur kann zu einer Gewalt werden, vor der Diktatoren zittern. Im selben Jahr, als der Frankfurter Oberbürgermeister sein Thesenpapier verfaßte, verzichtete der Dresdner Kreuzchor darauf, auf seiner China-Tournee das deutsche Volkslied „Die Gedanken sind frei“ zu singen, jenes Lied, das Sophie Scholl im August 1942 an der Gefängnismauer für ihren inhaftierten Vater spielte.

Die früher einmal linksliberale Frankfurter Rundschau, die heute kaum noch von der taz zu unterscheiden ist, ging auch drei Jahre danach noch einmal in mehreren Artikeln auf Feldmanns Bemerkung ein. In ihrem Blog veröffentlichte sie 2016 einen Leserbrief „in voller Länge“. Er trägt den Titel „Tiefe Kränkung des sich selbst feiernden Bildungsbürgertums“, und seine Kernaussage lautet:

Fast scheint es, als könnten die selbsternannten kulturellen Eliten der Frankfurter Stadtgesellschaft nicht ertragen, dass einer, ausgerechnet der OB, sich bewusst exkludiert und deutlich macht, in dieser Stadt gibt es auch noch anderes zu tun. Wie tief muss diese Kränkung im sich selbst feiernden Bildungsbürgertum sitzen, wenn man immer wieder auf die gleiche Stelle prügelt.

Das liest man, und man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Die tiefe Verachtung für die „selbsternannten kulturellen Eliten“ und das „sich selbst feiernde Bildungsbürgertum“ – wo kommt diese Verachtung her? Und gerade in Frankfurt? Diese Stadt kann wie wenige andere Großstädte stolz sein auf ihre bürgerlichen Eliten, die fast alles aus eigener Kraft geschaffen haben. Zoo, Palmengarten, Oper, selbst die 1914 gegründete Universität – sie alle gehen auf bürgerliche Stiftungen zurück. Und welche Stadt hat bis in die Gegenwart hinein so viele Mäzene gehabt wie Frankfurt? Viele von ihnen waren jüdische Mitbürger, und die meisten haben, anders als heutige „Sponsoren“, kein Aufhebens von ihren guten Taten gemacht. Und welche andere Stadt hat einen Mann wie Hilmar Hoffmann in ihren Reihen gehabt? Man könnte die Reihe endlos weiterführen.

Wer soll denn die Kultur an die nächste Generation weitergeben, wenn nicht die Bildungsbürger? Es stimmt, manche von ihnen haben einen nicht ganz so weiten Horizont, manches, was sie sagen, mag auch ein bißchen angestaubt klingen. Und doch sind es immer und überall diese Bildungsbürger, die dafür sorgen, daß auch die Angehörigen der nächsten Generation noch Bücher lesen, ins Theater gehen, Museen besuchen und in der Musikschule ein Instrument lernen.

Sie allein sind es, die am Ende dafür sorgen, daß die Flamme der Kultur nicht erlischt.

Veröffentlicht unter Fernsehen und Presse, Philosophie, Politik | Schreib einen Kommentar

Bestenauslese: Günther Oettinger wird Chef der EBS

Die European Business School, die sich heute „EBS Universität für Wirtschaft und Recht“ nennt, ist eine private Hochschule und – nach ihrem Selbstverständnis – eine Ausbildungsstätte des Top-Managements. Daß daran erhebliche Zweifel bestehen, bestätigt schon ein Blick in die Wikipedia.

Mit der jahrelangen Misere wird es aber bald ein Ende haben, denn demnächst soll ein neuer Präsident die Universität leiten: Günther Oettinger. Berühmtheit hat Oettinger schon im Jahr 2005 erlangt, als er das Englische praktisch zur Landessprache machen wollte – Deutsch solle nur noch „die Sprache der Familie und der Freizeit“ sein. Aufgrund seiner umfassenden Kompetenz wurde er Ministerpräsident von Baden-Württemberg und danach EU-Kommissar. Eine Kostprobe seiner englischen Sprachkunst kann man sich auf Youtube zu Gemüte führen.

Veröffentlicht unter Politik, Sprache und Literatur | Schreib einen Kommentar

Erdogan – eine Schande für sein Volk

In einer Rede am Montag hat der türkische Präsident behauptet, ein früherer israelischer Ministerpräsident habe ihm – sozusagen im Vertrauen – gesagt, daß es für ihn in seiner Zeit als General »das höchste Vergnügen« gewesen sei, Palästinenser zu töten. Natürlich nannte Erdogan keine Namen.

Und weiter sagte er über die Israelis:

Das liegt in ihrer Natur. Sie werden nur durch Blutsaugen satt. Sie sind so mörderisch, dass sie sogar kleine Kinder umbringen. Kleine Kinder! Solche Mörder, dass sie sogar fünf, sechsjährige Kinder umbringen!

An US-Präsident Biden gewandt, sagte er:

Mit Ihren blutigen Händen schreiben Sie leider Geschichte!

Und über Österreich, das kurz zuvor aus Solidarität mit Israel am Kanzleramt und am Außenministerium die israelische Flagge gehißt hatte:

Ich verfluche den österreichischen Staat.

Österreich hat sofort den türkischen Botschafter einbestellt. Gerade in einer Zeit, in der auf deutschen Straßen der muslimische Antisemitismus fröhliche Urständ feiern darf, hätte man sich eine solche diplomatische Geste auch von Deutschland gewünscht. Aber wenn es um den Sultan geht, kommt von der deutschen Regierung außer einer milden Kritik – nichts.

Veröffentlicht unter Islam, Politik | Schreib einen Kommentar

Vögel überqueren Kontinente und Ozeane, um an diesem preiswerten Futterspender eine Mahlzeit einzunehmen!

Ein Futterspender für Gartenvögel, der über Amazon vertrieben wird, wirbt mit folgender Beschreibung (hier nachzulesen):

Die Vögel werden dem Vogelfutter in Ihrem Garten nicht widerstehen können. Locken Sie mit diesen Vogelfutterspender Wildvögel wie Finken, Kolibris, Meisen, Kleiber, Junkos, Kardinäle, Spatzen, Goldzeisig, Dompfaffen, Blaumeisen, Grünfink, Elsterschnäpper und Spechte an.

Also, das muß wirklich ein Wunderding sein, wenn Kolibris und Kardinäle den Atlantik überqueren und Elsterschnäpper ihre asiatische Heimat verlassen, nur um hier im Garten zu futtern!

Veröffentlicht unter Internet, Sonstiges | Schreib einen Kommentar

Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen (5): Susanne Baer und das Bundesverfassungsgericht

Acht Richter gehörem dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts an, einem Gericht also, das immer häufiger die politischen Entscheidungen des demokratisch gewählten Parlaments beanstandet, korrigiert oder ganz aufhebt. Einer dieser acht Richter, die soeben einstimmig beschlossen haben, daß der „Klimaschutz“ sogar über das Jahr 2030 hinaus heute schon verpflichtend geregelt werden muß, ist Susanne Baer. In der Wikipedia liest man über sie folgendes:

Seit 2002 ist sie Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Dieser Lehrstuhl wurde extra geschaffen, um Gender-Forschung interdisziplinär zu verankern und um die Gründung des GenderKompetenzZentrums an der Humboldt-Universität Berlin vorzubereiten.

Das GenderKompetenzZentrum, dessen Leiterin sie von 2003 bis 2010 war, war als Drittmittelprojekt am Lehrstuhl von Baer angesiedelt und wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bis zur Einstellung der Finanzierung 2010 gefördert.

Baer wurde im November 2010 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ein Richteramt am Bundesverfassungsgericht nominiert und am 11. November 2010 vom Wahlausschuss des Deutschen Bundestags gewählt. Sie ist dort Mitglied des Ersten Senats und folgte Brun-Otto Bryde nach. Baer ist die erste verpartnerte und inzwischen verheiratete Bundesverfassungsrichterin und setzt sich seit langem für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben ein.

Susanne Baer war Vorstandsmitglied der Fachgesellschaft Geschlechterstudien von ihrer Gründung 2010 bis 2012. Sie gehört dem wissenschaftlichen Beirat der Peer-Review-Fachzeitschrift Gender an. Sie ist Redaktionsmitglied der Streit – feministische Rechtszeitschrift.

Baer bezeichnet sich selbst als „radikale Feministin“ (im Tagesspiegel nachzulesen), die Grünen haben sie zusammen mit der SPD in das höchste Richteramt befördert. Soll man sich da etwa noch wundern, wenn immer mehr Urteile des Bundesverfassungsgerichts sich am herrschenden Zeitgeist orientieren? Früher hatte man bei umstrittenen Gesetzesvorhaben immer noch die Hoffnung, das BVG werde ihnen Einhalt gebieten. Diese Zeiten sind vorbei. Heuzutage zwingt das Gericht eine demokratische Regierung, Entscheidungen zu treffen, die den künftigen Generationen keinen Spielraum mehr lassen, selbst über ihr Schicksal zu bestimmen. Das mag formal gerade noch zulässig sein, aber es verstößt meines Erachtens eindeutig gegen Art. 20 GG:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.

Vom Volke – und nicht vom Bundesverfassungsgericht.

PS: Die Fachgesellschaft Geschlechterstudien, der Susanne Baer seit ihrer Gründung im Jahr 2010 angehört hat, nennt als ihr Ziel u.a.

die Unterstützung der wechselseitigen Vernetzung und Information von Forschenden und Lehrenden dieses transdisziplinären Forschungsgebiets, die Förderung internationaler Kooperationen, eine Stärkung der Sichtbarkeit der Geschlechterstudien sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Eine Erfolgsgeschichte, zu der man nur gratulieren kann. 2019 hat es dank dieser „wechelseitigen Vernetzung“ und einer großzügigen finanziellen Förderung durch die Bundesregierung schon 217 Gender-Professuren gegeben.

Die bisher erschienenen Folgen der kleinen Reihe „Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen“ finden Sie hier:

Kathrin Kunkel-Razum, Chefin der DUDEN-Redaktion
Katja Thorwarth und die Frankfurter Rundschau
Nina George und das PEN-Zentrum Deutschland
Lena Hornstein und wetter.com

Veröffentlicht unter Die grüne Bewegung, Politik | Schreib einen Kommentar