„Er wollte trösten …“

So fängt ein Beitrag auf tagesschau.de an. Ich habe mir Trumps Auftritt im Krankenhaus von El Paso live auf CNN angesehen. Es war an Peinlichkeit kaum zu ertragen, wie er die Krankenhausmitarbeiter um sich geschart hatte, um sie in seiner großmäuligen Art zu loben. Ihre Gesichter drückten sichtbar nur den einen (verständlichen!) Wunsch aus: hoffentlich ist er bald wieder weg. Die Verletzten wollten übrigens, wie man hier nachlesen kann, gar nicht von ihrem Präsidenten besucht werden – wahrscheinlich hat man sie mit sanftem Druck dazu genötigt, den Besuch über sich ergehen zu lassen.

Trump selbst sieht seine Besuche natürlich ganz anders, denn der einzige Mensch, den er wirklich liebt, um den seiner Meinung nach das ganze Weltall kreist, ist – er selbst. Aber hören wir ihn im Originalton:

Diese Liebe und dieser Respekt für das Amt des amerikanischen Präsidenten. Ich wünschte, Sie hätten das miterleben können.

Trump bleibt eben Trump. Selbst in einer so berührenden Stunde, nur wenige Tage nach den furchtbaren Morden, ist er nicht fähig, an fremdem Leid teilzuhaben – und trösten kann er schon gar nicht. Als er auf dem Weg von Dayton nach El Paso war, hat er, statt einfach einmal in seinem Leben den Mund zu halten, giftige Tweets gegen die demokratische Bürgermeisterin von Dayton ausgestoßen. Der Grund: sie verlangte von ihm eine Verschärfung der Waffengesetze.

PS: Eine einzige politische Partei in Deutschland steht in unverbrüchlicher Treue zu Trump: die AfD. Einfach mal auf der AfD-Seite das Suchwort „Trump“ eingeben oder die Kommentare der Volksgenossen in den Online-Ausgaben unserer Zeitungen lesen!

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Noch einmal Adorno – „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“

Noch ein kleiner Nachtrag aus Anlaß von Adornos 50jährigem Todestag. Das Zitat stammt aus einer Rede aus dem Jahr 1962:

Überall dort, wo man eine bestimmte Art des militanten und exzessiven Nationalismus predigt, wird der Antisemitismus gleichsam automatisch mitgeliefert. Er hat sich in solchen Bewegungen bewährt als das Mittel, das die sonst sehr divergierenden Kräfte eines jeden Rechtsradikalismus auf die gemeinsame Formel zu bringen geeignet ist. Dazu kommt, daß das Potential durchaus überlebt hat. Sie brauchen sich dazu nur die rechtsradikale Presse in Deutschland anzusehen, von der es eine erkleckliche Anzahl von Repräsentanten gibt, und Sie werden vielen Äußerungen begegnen, die man als krypto-antisemitisch zu deklarieren vermag, die durch ihre Implikationen, auch durch einen gewissen Gestus des Augenzwinkerns, den Antisemitismus nähren.

Diesen „Gestus des Augenzwinkerns“ kennt jeder, der heute die Texte aus dem Umfeld der Neuen Rechten liest.

An einer anderen Stelle spricht Adorno darüber, wie man mit Menschen umgehen sollte, die eine autoritäre Persönlichkeitsstruktur haben und deshalb „unansprechbar“ geworden sind:

Diesen Menschen gegenüber, die im Prinzip selber lieber auf Autorität ansprechen und die sich in ihrem Autoritätsglauben auch nur schwer erschüttern lassen, darf auf Autorität auch nicht verzichtet werden. Wo sie sich ernsthaft vorwagen bei antisemitischen Manifestationen, müssen die wirklich zur Verfügung stehenden Machtmittel ohne Sentimentalität angewandt werden, gar nicht aus Strafbedürfnis oder um sich an diesen Menschen zu rächen, sondern um ihnen zu zeigen, daß das einzige, was ihnen imponiert, nämlich wirklich gesellschaftliche Autorität, einstweilen denn doch noch gegen sie steht. Auch die Argumentationen, die man ihnen gegenüber vorbringt, müssen von vornherein so angelegt sein, daß sie, ohne daß man dabei irgend von der Wahrheit abginge, Menschen erreichen können, die eine solche Charakterstruktur haben.

Soviel fürs erste zu Adorno.

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Adorno und Spengler – ein paar Zitate aus gegebenem Anlaß

Seit Tagen wird man in den gelehrteren Zeitungen mit Zitaten von Theodor Adorno überschüttet. Also will auch ich mein Scherflein beisteuern.

Es beginnt allerdings mit ein paar Sätzen, die Adorno Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes entnommen hat. Spengler schreibt darin über die Häuser in den „Weltstädten“:

Sie sind überhaupt nicht mehr Häuser, in denen Vesta und Janus, die Penaten und Laren irgendeine Stätte besitzen, sondern bloße Behausungen, welche nicht das Blut, sondern der Zweck, nicht das Gefühl, sondern der wirtschaftliche Unternehmungsgeist geschaffen hat. So lange der Herd im frommen Sinne der wirkliche, bedeutsame Mittelpunkt einer Familie ist, so lange ist die letzte Beziehung zum Lande nicht geschwunden. Erst wenn auch das verloren geht und die Masse der Mieter und Schlafgäste in diesem Häusermeer ein irrendes Dasein von Obdach zu Obdach führt, wie die Jäger und Hirten der Vorzeit, ist der intellektuelle Nomade völlig ausgebildet. Diese Stadt ist eine Welt, ist die Welt. Sie hat nur als Ganzes die Bedeutung einer menschlichen Wohnung. Die Häuser sind nur die Atome, welche sie zusammensetzen.

Adorno bemerkt dazu in seiner Schrift „Spengler nach dem Untergang“:

Die Vorstellung vom späten Städtebewohner als zweitem Nomaden verdient, besonders hervorgehoben zu werden. Sie drückt nicht bloß Angst und Entfremdung aus sondern auch die dämmernde Geschichtslosigkeit eines Zustandes, in dem die Menschen sich bloß noch als Objekte undurchsichtiger Prozesse erfahren und, zwischen jähem Schock und jähem Vergessen, zur kontinuierlichen Zeiterfahrung nicht mehr fähig sind.

Und er zitiert noch einmal zwei Stellen aus Spenglers Untergang:

Ein grauenvolles Elend, eine Verwilderung aller Lebensgewohnheiten, die schon jetzt zwischen Giebeln und Mansarden, in Kellern und Hinterhöfen einen neuen Urmenschen züchten, hausen in jeder dieser prachtvollen Massenstädte.

Die intellektuelle Spannung kennt nur noch eine, die spezifisch weltstädtische Form der Erholung: die Entspannung, die ›Zerstreuung‹. Das echte Spiel, die Lebensfreude, die Lust, der Rausch sind aus dem kosmischen Takte geboren und werden in ihrem Wesen gar nicht mehr begriffen. Aber die Ablösung intensivster praktischer Denkarbeit durch ihren Gegensatz, die mit Bewußtsein betriebene Trottelei, die Ablösung der geistigen Anspannung durch die körperliche des Sports, der körperlichen durch die sinnliche des ›Vergnügens‹ und die geistige der ›Aufregung‹ des Spiels und der Wette, der Ersatz der reinen Logik der täglichen Arbeit durch die mit Bewußtsein genossene Mystik – das kehrt in allen Weltstädten aller Zivilisationen wieder.

Wie erholsam, wie anregend ist es, solche Sätze aus der Feder kluger Menschen zu lesen. Man erkennt erst dann so recht, welchem Wust aus Dummheit und Geschwätz man den ganzen Tag ausgesetzt ist.

Theodor Adorno ist am 6. August 1969, also heute vor 50 Jahren, während eines Urlaubs in der Schweiz gestorben.

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Meuthen hat ein bißchen Verständnis

Und wofür? Das verriet er im ZDF-Sommerinterview, in dem es auch um den Mord im Frankfurter Hauptbahnhof ging:

Daß Menschen da hoch emotional reagieren und vielleicht einmal einen falschen Satz raushauen, dafür habe ich ein bisschen Verständnis.

Ja, was manche Menschen so alles raushauen! Ich lese viele Zeitungsartikel im Internet, und wenn man da die dazugehörigen Leserkommentare betrachtet, die viele Zeitungen leider immer noch zulassen, könnte einem übel werden. Die übergroße Mehrheit kommt – leicht an Sprache und Inhalt zu erkennen und tausendfach zu belegen – aus dem braunen Dunstkreis der AfD, und eines kann ich nach über 50 Jahren interessierter Teilnahme an der Politik dieses Landes sagen: soviel Haßrede, soviel Vernichtungswillen dem Andersdenkenden gegenüber, soviel moralische Verkommenheit hat es in Deutschland seit dem Ende der Hitlerzeit nicht gegeben. Und die AfD ist der politische (und jetzt leider auch parlamentarische) Kristallationspunkt einer „Bewegung“, vor der man nur Abscheu empfinden kann.

PS: Was von Meuthens Verhältnis zur Wahrheit zu halten ist, kann man an einem anderen Satz aus dem ZDF-Interview ablesen:

Der Flügel ist nicht Teil der AfD.

Und das, obwohl Meuthen genau weiß, daß die AfD ohne Höcke und ohne die strammen Rechtsextremisten Schwierigkeiten hätte, die Fünfprozenthürde zu überwinden.

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Die Deppen sind unter uns

Gerade kommt die Meldung, daß das Gebiet um den Frankfurter Hauptbahnhof von der Polizei gesperrt worden ist. Offenbar läuft eine Fahndung nach Räubern, die eine Bank überfallen haben. Die Situation sei „extrem gefährlich“.

Schon ein paar Minuten später twittert ein gewisser Tadeko:

Der Wahnsinn wird jetzt täglich geliefert. Ich fordere Neuwahlen! #merkelmussweg.

Leider werden bis jetzt immer nur Täter psychiatrisch untersucht – und nicht die Schreiberlinge auf Twitter.

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Boris Johnson

Er will also erst dann mit der EU reden, wenn die sich seinen Vorstellungen von einem Backstop gebeugt hat. Seine Sprecherin sagte heute:

Der Premierminister hat klar gemacht, dass er die EU-Regierungschefs treffen und mit ihnen verhandeln will. Er will jedoch nicht zu hören bekommen, dass die EU das Backstop-Verfahren nicht wiedereröffnen will. Der Premierminister würde sich freuen, wieder mit den Regierungschefs zu Gesprächen zusammenzutreffen, wenn sich diese Position ändert.

Ja, so sind sie, die Schaumschläger und Hazardeure: zu feige, um sich auf die mühsame und anstrengende Kleinarbeit von Verhandlungen einzulassen.

Wenn er von der EU nichts „zu hören bekommen“ will, dann hoffentlich demnächst vom Wähler.

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Wie man predigen sollte

Eine Empfehlung dafür, die auch heute noch beherzigenswert ist, gibt Petrus Chrysologus, der im 5. Jahrhundert Bischof von Ravenna war (zitiert nach katholisch.de):

Erstens gelehrte Inhalte in verständlicher Sprache, zweitens nie länger als 15 Minuten, und drittens keine Rede bei zu hohen Temperaturen.

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Das lustigste Zitat des Tages

Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, der so tut, als habe er den Kampf gegen Höcke und die Rechtsextremisten in seiner Partei aufgenommen, wird heute so zitiert:

Wer meint, extreme Positionen vertreten zu müssen, also nicht rechte, denn rechts sind wir, sondern rechtsextreme Positionen, der hat bei uns nichts verloren, und da machen wir klare Kante.

Selten so gelacht!

Meuthen hat übrigens mit dieser Meinung so viele Parteimitglieder hinter sich, daß er als Bundesvorsitzender von seinem Kreisverband nicht einmal für den kommenden Parteitag nominiert worden ist.

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Schweinefleisch in Kitas? Pfui, pfui!

Zwei Leipziger Kitas mit den seltsamen Namen „Konfuzius-Kindergarten“ und „Rolando Toro-Kindergarten“ wollen den Kleinen kein Schweinefleisch mehr zumuten, und zwar, so sagen sie, „aus Respekt gegenüber einer sich verändernden Welt“. Nun ändert sich die Welt ja, seit sie besteht, die Begründung ist deshalb sehr dünn. In Wirklichkeit gehören zu den 300 Kindern in den Kitas auch zwei muslimische Mädchen, und deshalb sollen auch die 298 nichtmuslimischen Kinder auf Schweinefleisch verzichten.

Natürlich versucht man jetzt, sich zusätzlich mit rein gesundheitlichen Argumenten herauszureden. Aber ist das soviel anders?

In beiden Fällen soll den Kindern schon von klein auf eingeredet werden, daß es gutes und böses, erlaubtes und verbotenes Essen gibt.

Da ist es völlig egal, ob dahinter religiöse Eiferer oder vegane Gesundheitsapostel stehen. Beide wollen den kleinen Menschlein von Anfang an einreden, daß es auf Höheres ankomme als auf die bloße Nahrungsaufnehme. Und beide haben kein Interesse daran, den Kindern zu zeigen, wie wichtig und wie schön es ist, das Essen zu genießen. Genuß ist nämlich den religiösen und den Gesundheitssekten gleichermaßen ein Graus.

Umsomehr muß man Kindern von Anfang an zeigen, wie viel Spaß das Essen macht – und auch das Zubereiten des Essens.

Als Lektüre empfehle ich in diesem Zusammenhang wieder einmal das bei Knaur erschienene Taschenbuch von Manfred Lütz: Lebenslust – Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult.

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Ach, der Boris!

„Johnson vergleicht Brexit mit Mondlandung“, schreibt SPIEGEL Online heute.

Das wird wohl eher eine Bruchlandung geben.

Warum nur geraten heute überall auf der Welt Hazardeure und kleine Möchtegern-Diktatoren an die Macht? Niemand weiß es.

Ich bin jedenfalls heilfroh, hier im schönen, besonnen und vernünftig regierten Deutschland zu leben. Solange über 80% der Bevölkerung die guten alten demokratischen Parteien wählen, kann uns nichts passieren, auch wenn die populistischen Schreihälse noch so laut schreien.

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