Der lange Marsch des Feminismus durch die Institutionen: Carola Lentz und das Goethe-Institut

Im November 2020 wurde die Ethnologin Carola Lentz Präsidentin des Goethe-Instituts. In einem Interview mit der Berliner Zeitung, das sie kurz nach ihrer Ernennung gab (hier nachzulesen), wurde sie unter anderem gefragt, ob sie beim Sprechen gendere. Ihre Antwort:

Ich bin da ganz unorthodox. Wir versuchen im Goethe-Institut genderbewusst zu formulieren, und wir haben da viele Möglichkeiten. Manchmal hilft das mit dem Sternchen, manchmal ist es in Texten schrecklich zu lesen. Es kann auch sein, dass man manchmal einfach den weiblichen Plural nimmt. Ich finde das wichtig, und ich freue mich auch sehr, dass ich hier in einer Organisation arbeite, wo wir bis zur zweiten Führungsebene, also der Ebene unter dem Vorstand, in den Führungspositionen einen Frauenanteil von mindestens 50 Prozent haben. Wenn nicht mehr.

Lentz hat das Gendern im Goethe-Institut nicht eingeführt, das ist wohl schon unter ihrem mehr als 12 Jahre amtierenden Vorgänger Klaus-Dieter Lehmann geschehen. Aber wenn man bedenkt, daß es die Aufgabe des Goethe-Institus ist, unsere schöne deutsche Sprache und die deutsche Kultur überall auf der Welt vorzuzeigen und zu fördern, dann sind solche Sätze ein Armutszeugnis. Gerade am Ende zeigt sich, daß es im Grunde gar nicht um Sprache und Kultur geht, sondern um eine doch ziemlich schlichte, arithmetische Version des Feminismus: „Hauptsache Frau!“ – und nicht etwa „Egal, ob Mann oder Frau, Hauptsache klug und gebildet!“

Wenn man sehen will, was inzwischen aus dem Goethe-Institut (nota bene: Goethe ist der Namensgeber dieses Instituts!) geworden ist, welcher kulturelle Verfall jetzt auch diese Institution ergriffen hat, dann genügt ein Blick auf seine Internetseite. Nehmen wir nur einmal Unterrichtsmaterialien wie Gendern im Deutschen (hier herunterzuladen). Da heißt es zum Beispiel:

Viele Nomen für Personen und Berufe im Deutschen haben eine maskuline und eine feminine Form: der Schüler und die Schülerin. Und wenn man alle ansprechen möchte? Früher sagte man dann einfach: ‘’Liebe Schüler’’. Heute ist das nicht mehr so normal.

Und warum ist das „nicht mehr so normal“? Weil eine kleine politisch-ideologische Gruppe, die offensichtlich nur eine bescheidene Kenntnis davon hat, was Sprache überhaupt ist, mit schlechten Argumenten, dafür mit effektiver Netzwerkarbeit und mit der blinden Unterstützung der grünen und linken Parteien, vor allem aber: mit sozialem und psychischem Druck in Redaktionen, Schulen, Universitäten, Betrieben und Stadtverwaltungen ihr Zerstörungswerk an der deutschen Sprache vorantreibt – gegen den Willen der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung. Davon werden Sie aber auf der Seite des Goethe-Instituts nichts finden – statt dessen lesen Sie da so etwas:

Wenn eine Schuldirektorin eine Rede mit „Liebe Jury, liebe Lehrer und Schüler“ beginnt, ist das problematisch. Es ist nicht klar, ob ihre Rede auch für Lehrerinnen oder nicht-binäre Schüler (Schüler_innen) ist. Sie kann aber nach „Schüler“ eine Mini-Pause machen und dann „innen“ sagen. So ist klar: Sie meint Schüler und Lehrer aller Gender. Genderinklusiv ist auch „Liebe Jury, liebe Lehrkräfte, liebe Deutschlernende“ zu sagen. Für diese Worte gibt es keine spezifisch maskuline oder spezifisch feminine Variante. Sie sind für alle Gender.

Also, ich bin jetzt 74 Jahre auf der Welt und habe seither, wie die meisten Menschen, sicher tausend und mehr Gelegenheiten erlebt, wo Menschen mich und andere mündlich oder schriftlich angeredet haben: von „Liebe Schüler!“, „Liebe Mitschüler!“, „Liebe Kommilitonen!“ bis hin zu „Liebe Mitarbeiter!“ usw. Und ich kann an dieser Stelle – notfalls durch eine eidesstattliche Versicherung! – bekräftigen, daß sich niemals Mädchen oder Frauen durch solche Anreden diskriminiert gefühlt haben. Und das nicht etwa, weil sie damals noch naiv und unwissend waren – im Gegenteil: weil sie, anders als die heutigen Aktivisten, zwischen dem grammatischen und dem biologischen Geschlecht noch unterscheiden konnten. Und sie mußten auch nicht erst von irgenwelchen feministischen Grüppchen sichtbar gemacht werden, sie waren sichtbar – und wie!

Carola Lentz verläßt jetzt das Goethe-Institut – und wird natürlich kräftig gelobt, vor allem von Baerbocks Auswärtigem Amt. Sie habe das Institut „umsichtig geführt“, sagt der Leiter der Kulturabteilung. Und weiter: sie habe „die Notwendigkeit einer Transformation erkannt und den Reformprozess im Präsidium aktiv unterstützt, um so das Institut gut für die Zukunft aufzustellen“. Die euphemistisch so genannte „Transformation“ besteht zum Beispiel darin, Institute auszudünnen und zusammenzulegen und ganze Standorte zu schließen, zum Beispiel die in Bordeaux, Genua, Osaka, Rotterdam, Triest, Turin und Washington. (Sind ja auch alles nur kleine, unbedeutende Provinzstädte!)

Frau Lentz hatte als Schwerpunkt ihrer ethnologischen Forschung immer Afrika. Da hätte man doch denken können, daß sie wie eine Löwin um jedes ihrer Institute kämpft!

PS: Daß sich jemand „im Grabe herumdreht“, wenn er sieht, was die Nachfolger mit seinem Erbe machen, ist eine etwas abgegriffene Formel. Aber hier trifft sie sicher zu, denn von 1993 bis 2001 war Hilmar Hoffmann Präsident des Goethe-Instituts, ein hochgebildeter Mann, dem Frankfurt am Main unter anderem sein Museumsufer verdankt. Neben so einem Riesen wirken die Zwerge von heute noch viel kleiner.

Die bisherigen Folgen dieser kleinen Reihe:
Kathrin Kunkel-Razum, Chefin der DUDEN-Redaktion
Katja Thorwarth und die Frankfurter Rundschau
Nina George und das PEN-Zentrum Deutschland
Lena Hornstein und wetter.com
Susanne Baer und das Bundesverfassungsgericht
Johanna Rahner, das Rumgesumse und die katholische Kirche
Ulrike Lembke und die Humboldt-Universität

Dieser Beitrag wurde unter Die grüne Bewegung, Politik, Sprache und Literatur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert