Folge 1 der kleinen Wortgeschichte finden Sie hier, Folge 2 hier.
Wir wollen, ehe wir ins bürgerliche 19. Jahrhundert zurückkehren, in dieser Folge einen Blick darauf werfen, wie man in der Goethezeit über „Neger“ gedacht und geschrieben hat.
Da geht es sehr häufig um die kontrovers diskutierte Frage, wie die schwarze Hautfarbe entstanden ist. „Berühmte Männer“, schreibt Albrecht von Haller 1772, hätten
die Farbe der Negern einzig und allein vom Sonnenbrande hergeleitet, und es würden auch weiße Menschen in dergleichen Himmelsstriche allmälich in das Schwarze ausarten.
Hierzu könnte noch das Nakktgehen, das Salbeneinreiben, und die grössere Dikke der Oberhaut etwas mit beitragen.
Andere, etwa Justi in seiner Geschichte des Erd-Cörpers (1771), widersprechen:
Die schwarze Farbe ist ihnen wesentlich und von Natur eigen; und wenn sie auch in Europa oder andern gemäßigten Ländern eine lange Zeit und viele Zeugungen hindurch ihren Aufenthalt haben; so verändert sich deshalb nichts an ihrer schwarzen Farbe, sie werden deshalb nicht schwarzgelb, oder endlich gar weiß. Wir sind hiervon nunmehro auf das vollkommenste überzeuget, da die englischen Colonien in dem nordlichen Theil von America, und folglich in einer gemäßigten Himmelsgegend sich nunmehro seit hundert Jahren der Mohren aus Africa, oder der sogenannten Negern, in ihren Pflanzungen als Sclaven bedienen. So lange dieſe Negern sich nur unter einander selbst verheyrathen, und sich nicht mit weißen Menschen vermischen; so bleibet die Farbe ihrer Nachkommen, ohngeachtet ihres veränderten Aufenthalts, in allen folgenden Zeugungen eben so pechschwarz, als sie auf der Küste von Africa waren.
Neben solchen auf Beobachtung beruhenden Meinungen gibt es, wie nicht anders zu erwarten, auch geradezu groteske Beschreibungen dieser für viele offenbar furchterregenden schwarzen Menschen. Der Schweizer Mediziner Albrecht von Haller schreibt etwa 1774:
Die Negers der Goldküste verschlukken Hunde, Kazzen, Elefanten Gedärme und Vögel mit Eingeweide und allem.
Woher solche Meinungen kommen, läßt sich schwerlich nachverfolgen – aus eigener Anschauung sicher nicht, denn die einzige Expedition, die Haller geplant hatte, kam nicht zustande.
Skurril ist auch eine Bemerkung Jean Pauls in Katzenbergers Badereise (1809):
Unsere Zeit bildet uns in Kleidern und Sitten immer mehr den wärmern Zonen an und zu, und folglich auch darin, daß man wenig und nur in Morgen- und Mittagsstunden schläft; sodaß wir uns von den Negern, welche die Nacht kurzweilig vertanzen, in nichts unterscheiden, als in der Länge unserer Weile und unserer Nacht.
Andere lassen ihren dumpfen Vorurteilen freien Lauf. Da ist von den „Wilden und Negers“ die Rede (Ludovici) oder vom „feigen Neger“ (Johann Peter Uz), und „faul“ ist der Neger natürlich auch (Tetens 1777):
Der faule Neger bauet die Erde nicht weiter, als nur um nicht zu verhungern.
Die Hottentotten, so noch einmal Ludovoci, seien „die elendesten und faulsten unter allen Negers, welche die Küste der Caffern bewohnen“. Und die Bewohner der Kapverdischen Inseln, schreibt Georg Forster 1778, seien
häßlich und fast ganz schwarz, haben wollicht krauses Haar und aufgeworfne Lippen, kurz sie sehen wie die häßlichsten Neger aus.
Und ein Pater Charlevoix (Gall 1791) schließlich glaubt zu wissen, daß
die Negern von Guinea sehr beschränkte Geisteskräfte haben; viele unter ihnen schienen vollkommen dumm, es gäbe, die nicht über drey zählen könnten, von selbst dächten sie nichts, hätten kein Gedächtniß, und das Vergangene seye ihnen eben so unbekannt als das Zukünftige.
Man könnte die Reihe der Zitate ins Unendliche verlängern, aber es soll damit sein Bewenden haben. Festhalten kann man aber schon einmal, daß es bei der ersten Begegnung mit Menschen einer anderen Hautfarbe zu den verschiedensten Reaktionen kommen kann. Das reicht vom Versuch einer wissenschaftlichen, scheinbar wertfreien Untersuchung, so als habe man ein neuentdecktes Säugetier auf dem Seziertisch, bis zur herablassenden und gehässigen Beschimpfung von Wesen, denen gegenüber man sich für weit überlegen erachtet. Wirkliche Begegnungen mit dunkelhäutigen Menschen hatte man im Deutschland der Goethezeit freilich kaum, man konnte ihnen allenfalls an Fürstenhöfen begegnen, wo man sie zur Belustigung der Adelsgesellschaft hielt. Das Wissen über den „Neger“ kam deshalb bei uns – anders als in England und Frankreich – meist aus zweiter oder dritter Hand.