„Laßt fette Männer um mich sein“ – Marietta Slomka und Sigmar Gabriel

„Let me have men about me that are fat“, läßt Shakespeare seinen Caesar sagen, denn dünne Männer kommen ihm gefährlicher vor – Cassius etwa. Über ihn meint Caesar: „He thinks too much; such men are dangerous.“

Sind also fat men wirklich gemütlicher und leichter zu handhaben? Wer gestern abend das Interview von Marietta Slomka mit Sigmar Gabriel im heute-journal gesehen hat,  könnte da ins Grübeln kommen.

„Mir doch egal, ob das ZDF wartet“, hatte er schon vor dem Interview unter dem Gejohle seiner Anhänger in Hofheim ausgerufen.

Als Marietta Slomka dann ganz sachlich feststellte, daß es Verfassungsrechtler gebe, die an der Rechtmäßigkeit der SPD-Mitgliederbefragung Zweifel hätten (einer von ihnen ist zum Beispiel der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart) und ihn um seine Meinung dazu bat, da reichte das schon, um den dicken, aber offenbar sehr dünnhäutigen Gabriel völlig aus der Fassung zu bringen. Statt seine Gegenauffassung ruhig zu vertreten, fing er an zu schimpfen, ließ Frau Slomka kaum mehr zu Wort kommen und benahm sich überhaupt wie die Polterer Strauß und Kohl in ihren schlimmsten Zeiten. „Quatsch“ und „Blödsinn“ sei das alles, sagte er, und wollte das Interview sogar von sich aus abbrechen: „Tun Sie mir einen Gefallen: lassen Sie uns den Quatsch beenden.“

In seiner Rage merkte er offenbar gar nicht mehr, daß Marietta Slomka Wissenschaftler nur zitierte, was ja wohl das gute Recht eines Journalisten ist. Gabriel – und das ist sein selbstverständliches Recht in einem Interview – hätte die Argumente des Juristen in jeder denkbaren Form widerlegen können, aber statt dessen polterte er von Anfang los und versuchte, die gestandene Journalistin Slomka gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Und vor allem: wie ein kleiner, nicht sehr kluger Monarch ging er auf sie persönlich („das ist völlig falsch, was Sie sagen!“) und auf ihren Sender herablassend und gereizt los:

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie in Interviews mit Sozialdemokraten nichts anderes versuchen, als uns das Wort im Mund umzudrehen.

Dieser Mann, der offenbar nicht fähig ist, Argumente ruhig und sachlich zu widerlegen, wird also unser Vizekanzler werden. Seine dummen Allüren sind schon da, ehe er das Amt überhaupt hat – das läßt nichts Gutes ahnen.

Viele meinen ja, diese Dünnhäutigkeit des Vizekanzlerkandidaten käme aus der Unsicherheit, ob die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag zustimmen würde. Wer aber diesen Vertrag auch nur flüchtig durchgeblättert hat, wird mir zustimmen, daß dieser Grund völlig auscheidet. Die SPD hat die Union nämlich über den Tisch gezogen, der Vertrag atmet – von ein paar Lieblingsthemen der Union wie der PKW-Maut abgesehen – den Geist der sozialdemokratischen 70er Jahre (auch mit dem ganzen linken, soziologischen Kauderwelsch, das im 21. Jahrhundert einfach nur noch peinlich wirkt).

Nein, es ist gerade dieser Verhandlungserfolg, der dem Kandidaten zu Kopfe gestiegen ist. Daher kommt seine Arroganz, und deshalb sind ihm die Fragen einer unabhängigen Journalistin in einem unabhängigen Sender so unangenehm. Was er offenbar will, ist eine Art Hofberichterstattung. Dann soll er sich aber bitte nur noch von den Hauspostillen seiner Partei interviewen lassen.

Das heute-journal, das möchte ich am Ende noch anmerken, ist eine der besten Nachrichtensendungen in unserem Land – alle seine Moderatoren und Redakteure eingeschlossen. Sie haben es wirklich nicht nötig, sich von einem Parteipolitiker wie Gabriel anpöbeln zu lassen.

Frau Slomka hat gut daran getan, sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen.

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