Edward Snowdon muß Asyl gewährt werden – und zwar hier in unserem guten alten Europa!

Für John Kornblum, den früheren US-Botschafter in Deutschland, der sonst – jedenfalls für amerikanische Verhältnisse – zu eher differenzierten Urteilen neigt, ist Snowdon einfach nur ein „Verräter“. Kornblum behauptet sogar, es gebe in den USA für whistleblower genügend amtlich erlaubte Verfahren, wenn sie rechtswidrige Praktiken aufdecken wollten. Bei soviel (echter oder gespielter) Naivität huschte den Gästen, die am Sonntagabend bei Jauch zusammensaßen, doch ein Lächeln übers Gesicht.

Jeder weiß: wenn die Amerikaner dieses „Verräters“ habhaft würden, käme er nur mit viel Glück um die Todesstrafe herum. Dabei ist Snowdon alles andere als ein Verräter: er ist geradezu der Prototyp eines Staatsbürgers, der ungeheuerliche Machenschaften seines Staates aufdeckt, weil er seinem Gewissen folgen muß. Und er tut das, obwohl er weiß, daß er in seiner Heimat auf lange Zeit (wenn nicht für immer!) ein Geächteter sein wird. Mit dem dubiosen Assange hat er wirklich nichts gemein.

Snowdon wäre, unter anderen Bedingungen, ein idealer Kandidat für die medal of freedom der USA gewesen – falls sie noch wirklich Gewicht hätte. Aber inzwischen bekommt die ja fast jeder, sogar (man höre und staune!) George W. Bush, Donald Rumsfeld, Tony Blair und Charlton Heston hat man sie verliehen. Niemand von denen hat, wie Snowdon, große persönliche Opfer für die Freiheit gebracht. Snowdon wird, wie ein outlaw, noch lange durch die Welt irren, denn Rußland, das ihm aus durchsichtigen Motiven ein vorläufiges Asyl gewährt hat, wird seine Heimstatt mit Sicherheit nicht werden.

Und Europa?

Europa ist verzagt und feige wie immer – genauer gesagt: seine Regierungen sind es. Nur keinen Konflikt mit dem übermächtigen Verbündeten riskieren! Nur ja nicht einmal ein kräftiges Zeichen für die Freiheit setzen, man könnte damit ja die USA verärgern! Und wenn kein Argument mehr hilft, zieht man sich auf Rechtsstandpunkte zurück, denn wenn ein europäisches Land Snowdon Asyl gewährt und Amerika dann seine Auslieferung verlangt – ja, dann müßte man ihn natürlich ausliefern. Also nimmt man ihn – in seinem eigenen Interesse! – gar nicht erst auf, sondern läßt ihn in den unendlichen Weiten Rußlands schmoren.

Ein solches Verhalten ist billig, es ist unwürdig, es ist feige, es ist – europäisch.

Seit Jahren reden wir hier in Europa über die Gefahren durch Google, Facebook und andere. Aber wie klein wirken diese Konzerne, die nur ihren wirtschaftlichen Interessen nachgehen, wenn man sie mit diesem monströsen Geheimdienst vergleicht, der das Wort security, Sicherheit im Namen führt – und das Ziel verfolgt, bei Bedarf demnächst jede Regung jedes Menschen auf der Welt zu registrieren.

Und die deutsche Regierung? Als bekannt wurde, daß die NSA 80 Millionen Deutsche ausspioniert, hat Merkel kaum reagiert. Erst als sie merkte, daß inzwischen auch ihre eigene Handykommunikation auf den Festplatten der NSA lag, war sie ein bißchen ungehalten. Sie und ihre Hofschranzen samt dem unsäglichen Innenminister haben bis heute nicht verstanden, daß hier nichts Geringeres versucht wird, als: dem Menschen ein für alle Mal das Recht auf seine Privatsphäre zu nehmen. Hätten sie Juli Zeh und Ranga Yogeshwar am Sonntag aufmerksam zugehört, sie wüßten, daß es jetzt kein Lavieren und kein Herumeiern mehr geben darf.

Deshalb muß Edward Snowdon, der diesen in der Menschheitsgeschichte einmaligen millionenfachen Rechtsbruch aufgedeckt hat, geehrt werden.Warum hat sich eigentlich noch immer keine Jury gefunden, die ihm für seinen persönlichen Mut einen Preis zuerkennt?

Wenn schon die USA ihre eigenen Werte verraten (sie sind nämlich die eigentlichen Verräter, nicht Edward Snowden!), dann sollten wir Europäer ihnen zeigen, daß die Bürgerrechte im alten Europa, über das sie oft so herablassend reden, unbedingte Gültigkeit haben. Es wird auch in den USA, da bin ich mir sicher, bald eine starke Bürgerrechtsbewegung gegen den eigenen Geheimdienst-Moloch geben, und dann werden viele US-Bürger erstaunt feststellen, daß in Amerika am Ende die islamischen Terroristen doch noch gesiegt haben: sie haben erreicht, daß ihrer Regierung die Bürgerrechte keinen Pfifferling mehr wert sind. Von der Folter an Verdächtigen über Geheimgefängnisse bis zu Gesetzen, die unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung alles aushöhlen und beseitigen, was zu den kostbaren Errungenschaften der Demokratie gehört – Bush hat das alles ins Leben gerufen, und Obama hat es ohne Abstriche fortgeführt.

Deshalb fordere ich die europäischen Staaten auf:

Bietet Edward Snowdon ein sicheres Asyl an! Seid endlich einmal mutig! Alle demokratischen Werte, auf die sich Amerika beruft sind, sind hier in Europa entstanden. Wir haben deshalb nicht den geringsten Grund, in Sack und Asche zu gehen.

Europa hat den USA viel zu verdanken – wir Deutschen ganz besonders. Aber wer Verbrechen gegen die Bürgerrechte aufdeckt, muß unsere Hochachtung und unseren Schutz genießen.

Snowden hat es wirklich nicht verdient, den Rest seines Lebens in Putins Rußland zu verbringen.

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