Hat Plasberg das nötig?
Seine Sendung „Hart aber fair“ war einmal eine echte Bereicherung der politischen Diskussionskultur. Damals wurde sie noch vom WDR ausgestrahlt und nicht in der ARD, und sie unterschied sich wohltuend von der Hofberichterstattung anderer Sender (wie etwa des von der CSU dominierten Bayerischen Rundfunks). Nach dem Beginn der bundesweiten Ausstrahlung freilich ging es mit der Sendung langsam, aber sicher bergab. Plasberg wurde überheblich und genoß immer öfter die Rolle eines Scharfrichters über die eingeladenen Politiker. Immer beliebter wurde bei ihm das Fallenstellen: man brachte einen Politiker zu einer Aussage, die man dann unter dem Applaus des Publikums mit vorbereiteten Einspielfilmen widerlegte (oder doch zu widerlegen glaubte). Ein billiger Triumph, der wohl – zusammen mit Themen vom Boulevard (Baumarkt, Fußball) – endlich wieder die Quoten erhöhen sollte. Die Maischbergerisierung bei der Themenauswahl brachte aber bei den Einschaltquoten kaum Erfolge.
Am Montag trieb Plasberg sein altes Leimrutenspiel mit dem Gründer der Alternative für Deutschland, Bernd Lucke, dem er kaum verhüllt eine Nähe zum nationalsozialistischen Vokabular unterstellt. Natürlich hält der Moderator wieder Einspielfilme bereit. Der Grund: Lucke hatte in einer improvisierten Rede in der Wahlnacht von „Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus“ gesprochen. Hätte er von „Perversionen“ gesprochen, kein Hahn hätte danach gekräht, aber Entartung? Da kommt natürlich sofort die Assoziation „entartete Kunst“ auf, und schon ist man ein Nazi. Ein infames und leicht durchschaubares Spiel, das Plasberg da treibt, und dazu eines, das sprachgeschichtlich ohne jede Grundlage ist.
Die Nazis haben auf breiter (und brauner) Front die deutsche Sprache für ihre Zwecke zurechtgebogen und mißbraucht. Sie haben aus ganz alltäglichen deutschen Wörtern wie Volk, Führer, Heimat, Mutterschaft nationalsozialistische Kampfbegriffe gemacht.
Heißt das, daß wir diese Begriffe deshalb bis in alle Ewigkeit nicht mehr verwenden dürfen? Daß sie tabu sind? Das wäre der (sprachliche) Sieg der braunen Bande, dann hätten sie nämlich bis heute Macht über uns. Nein, alle diese Wörter hat es lange vor den Nazis gegeben, und ich denke gar nicht daran, mir Wörter wie Volk und Heimat nehmen zu lassen, nur weil sie in der Nazizeit mißbraucht worden sind.
Genau so verhält es sich mit dem alten Wort „entartet“. Schon im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm (in der 3. Lieferung von Band 3 aus dem Jahr 1859!) taucht „entarten“ auf, mit Beispielen u.a. von Klopstock und Schiller. Auch im Adelungschen Wörterbuch (1816) ist es vorhanden. Und dieses alte Wort soll ich jetzt nicht mehr im Munde führen dürfen, weil die Nazis es propagandistisch mißbraucht haben?
Das ist geradezu lächerlich. Und es ist auch wieder typisch für eine linke Subkultur, die ohne die dauernde Pflege ihres „Antifaschismus“ offenbar gar nicht mehr leben kann.
Ich verzichte gern sowohl auf den Faschismus als auch auf den Antifaschismus. Aber niemals würde ich auf unsere schöne deutsche Sprache verzichten, die man – leider! – immer öfter gegen politische und ideologische Eingriffe verteidigen muß. Aber Sprachen sind gottlob von großer Zähigkeit, selbst Fernsehmoderatoren bekommen das zu spüren.
Im übrigen: immer wenn neue kleine Parteien oder Menschen mit unkonventionellen politischen Meinungen auftauchen, setzt bei vielen unserer Journalisten die Schnappatmung ein. Meist werden daraus regelrechte Kampagnen – so war es bei den Grünen in den 80er Jahren, als gerade unser Hessischer Rundfunk aus dem Geifern und Diffamieren gar nicht herauskam. Die journalistische Kampagne war, wie man weiß, nicht sehr erfolgreich. Genau dasselbe ist viele Jahre später Thilo Sarrazin widerfahren. Auch da wurde der erste Auftritt des noch wenig medienerfahrenen Autors in einer Talkshow als Hinrichtung geplant – von Beckmann und seiner Redaktion. Immerhin, das muß man zu dessen Ehrenrettung sagen, hat man hinterher im Sender sehr selbstkritisch über die Sendung diskutiert.
Jetzt also wieder dasselbe alte Spiel mit einem neuen Opfer, der AfD und Bernd Lucke. Man sieht: nicht alle Journalisten lernen aus ihren Fehlern.
Ein guter Rat an Plasberg und alle anderen – wie wäre es denn einmal damit: die Aussagen der AfD in der Sache zu widerlegen, statt ihre Gründer und Mitglieder zu diffamieren und unter Faschismusverdacht zu stellen? Erfahrene, gestandene Journalisten wie ihr müßtet doch in der Lage sein, diese „rechtskonservativen“ und „rechtspopulistischen“ Ansichten im Nu zu zerpflücken, oder?
Dazu braucht man auch keine Taschenspielertricks und keine vorbereiteten Einspielfilme. Einfach in der Sache widerlegen, Herr Plasberg! Mit Argumenten!