Es war einmal vor langer, langer Zeit, da habe ich in einer kleinen deutschen Stadt Anglistik studiert. Es gab dort drei ordentliche Professoren, einen Privatdozenten und eine Handvoll Assistenten, die übrigens sicher sein konnten, in absehbarer Zeit selbst zu Professoren zu werden. An der Tür hing ein Messingschild mit der Aufschrift „Seminar für Anglistik“ – ja, tatsächlich: einfach nur „Seminar für Anglistik“.
Das ist natürlich vorsintflutlich. Heute wird erst einmal alles durchnumeriert. Materiell studiert man zwar Anglistik, aber in Wirklichkeit ist das Fach nur ein kleines Rädchen im FB05. So geht es jedenfalls an der Universität im mittelhessischen Gießen zu. Aber selbst wenn ich mir sicher sein kann, daß ich Student der Anglistik bin – die Probleme beginnen damit erst. Das Vorlesungsverzeichnis ermahnt mich nämlich nicht ohne drohenden Unterton:
Orientieren Sie sich bei der Erstellung Ihres Stundenplanes am Studienverlaufsplan Ihres Studienganges und -faches: Welche(s) Modul(e) müssen Sie im aktuellen Semester belegen? Wählen Sie dann das Modul, das Sie Ihrem Studienverlaufsplan folgend im aktuellen Semester belegen müssen, z.B. „Modul XYZ“. Sie sehen dann nach Modulteilen geordnet alle für Sie relevanten Lehrveranstaltungen.
Ach, wie primitiv war doch damals unser Studienaufbau – ich habe in all den Jahren nicht ein einziges Modul belegen müssen! Der Fortschritt war eben damals noch nicht in der Provinz angekommen.
Aber das Vorlesungsverzeichnis bleibt hartnäckig und zwingt mich zu einer weiteren Entscheidung:
Bachelor of Arts
Lehramtsstudiengang L 1
Lehramtsstudiengänge L 2, L 5
Lehramtsstudiengang L 3
Master of Arts
Hörer aller Fachbereiche
Unbescheiden entscheide ich mich gleich fürs Höchste, den Master of Arts. Dort wähle ich natürlich 05-ANG-M-AdvCultSt – das hätten Sie doch sicher auch getan? Jetzt habe ich die Auswahl zwischen drei A1-Hauptseminaren. Eines fällt mir sofort ins Auge: Prof. Horstmann diskutiert jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr über das Thema „Kunsttrinker: Alkohol und Literatur“. Das weckt Jugenderinnerungen, zum Beispiel an den Dutte Louis, eine kleine Kneipe im Wiesecker Weg, in der wir – eine kleine Clique von Hiwis, Tutoren und Doktoranden – uns abends gern von der Texte Müh‘ und Last bei einem Bierchen erholt haben.
Aber Moment! Gehöre ich überhaupt zur Zielgruppe dieses Seminars? Ah, hier steht es:
Zielgruppen:
MFKW Ma, PV, Sj. 1 | MLL Ma, PV, Sj. 1 | SLK ECS Ma, PV, Sj. 1 | SLK ELI Ma, PV, Sj. 1 | NFF Ma, WPV, Sj. 1 | GuK ECS Ma, PV, Sj. 1 | GuK ELI Ma, PV, Sj. 1 | NFF Ma, PV, Sj. 2 | MFKW Ma, PV, Sj. 2 | SLK ELS Ma, PV, Sj. 2 | GuK ELS Ma, PV, Sj. 2 | NFF Ma, PV/WPV, Sj. 1 | MFKW Ma, PV, Sj. 1 | SLK ELS Ma, PV, Sj. 1 | GuK ELS Ma, PV, Sj. 1 | SLK ELS/ECS Ma, PV, Sj. 2 | GuK ELS/ECS Ma, PV, Sj. 2 | MFKW ELS/ECS Ma, PV, Sj. 2 | ATW MA, WPV, 1.-4. Sem. | mL3, WPV, Sj 4 | ALCMS Ma, PV, Sj 1/2.
Ach, wie schade. In diesen Zielgruppen kann ich mich irgendwie nicht wiederfinden. Wir hatten damals nämlich nur Proseminare (Semester 1-4) und Hauptseminare (Semester 5ff.) Wie gesagt, es waren eben noch primitive Zeiten. Wir kannten weder MFKW (klingt ein bißchen wie FCKW!) noch GuK ELI Ma oder gar NFF.
Ach, es muß schön sein, heutzutage zu studieren!