Ich habe Papst Benedikt sehr gemocht – und mag ihn noch immer. Schon seine ruhige Wesensart, die sich vom schrillen, lauten, lärmenden Zeitgeist so angenehm abhebt, hat mich für ihn eingenommen. Aber Benedikt hatte im hohen Alter wohl nicht mehr die Kraft, die nötigen Veränderungen im Vatikan zu erzwingen, denn Machtstrukturen, die seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten zementiert sind, kann man nicht so leicht aufbrechen.
Papst Franziskus traue ich es zu.
Jetzt hat der neue Papst Chefredakteuren des Jesuitenordens ein Interview gegeben, genauer gesagt, er hat mit ihnen an drei Tagen ein Gespräch geführt, dessen Inhalte sehr bemerkenswert sind. Die deutsche Fassung kann man in voller Länge auf den Seiten der Zeitschrift Stimmen der Zeit nachlesen (ihr sind auch die untenstehenden Zitate entnommen).
Es soll ja Bischöfe geben, die sich zum Amtsantritt einen kleinen Palast bauen lassen. Papst Franziskus geht den umgekehrten Weg: statt in den päpstlichen Gemächern zu wohnen, ist er in eine bescheidene Wohnung im vatikanischen Gästehaus Santa Marta gezogen. Über die Gründe sagt er in dem Interview:
Ich habe mich entschieden, hier, im Zimmer 201, zu wohnen, weil ich, als ich die päpstliche Wohnung in Besitz nahm, in mir ein deutliches ,Nein‘ spürte. Das päpstliche Appartement im Apostolischen Palast ist nicht luxuriös. Aber letztendlich gleicht es einem umgekehrten Trichter. Es ist groß und geräumig, aber der Eingang ist wirklich schmal. Man tritt tropfenweise ein. Das ist nichts für mich. Ohne Menschen kann ich nicht leben. Ich muß mein Leben zusammen mit anderen leben.
Meine Leser wissen, wem ich diese Sätze ins Stammbuch schreiben würde! Das gilt erst recht für das zweite Zitat:
Ich träume von einer Kirche als Mutter und als Hirtin. Die Diener der Kirche müssen barmherzig sein, sich der Menschen annehmen, sie begleiten – wie der gute Samariter, der seinen Nächsten wäscht, reinigt, aufhebt. Das ist pures Evangelium. Die organisatorischen und strukturellen Reformen sind sekundär, sie kommen danach. Die erste Reform muss die der Einstellung sein. Die Diener des Evangeliums müssen in der Lage sein, die Herzen der Menschen zu erwärmen, in der Nacht mit ihnen zu gehen. Sie müssen ein Gespräch führen und in die Nacht hinabsteigen können, in ihr Dunkel, ohne sich zu verlieren. Das Volk Gottes will Hirten und nicht Funktionäre oder Staatskleriker. Die Bischöfe speziell müssen Menschen sein, die geduldig die Schritte Gottes mit seinem Volk unterstützen können, so dass niemand zurück bleibt.
Und ein letztes Zitat noch – zur Rolle der Frau in der katholischen Kirche:
Die Reden, die ich über die Rolle der Frau in der Kirche höre, sind oft von einer Männlichkeits-Ideologie inspiriert. Die Frauen stellen tiefe Fragen, denen wir uns stellen müssen. Die Kirche kann nicht sie selbst sein ohne Frauen und deren Rolle. Die Frau ist für die Kirche unabdingbar. Maria – eine Frau – ist wichtiger als die Bischöfe. Ich sage das, denn man darf Funktion und Würde nicht verwechseln. Man muss daher die Vorstellung der Frau in der Kirche vertiefen. Man muss noch mehr über eine gründliche Theologie der Frau arbeiten. Nur wenn man diesen Weg geht, kann man besser über die Funktion der Frau im Inneren der Kirche nachdenken. Der weibliche Genius ist nötig an den Stellen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden. Die Herausforderung heute ist: reflektieren über den spezifischen Platz der Frau gerade auch dort, wo in den verschiedenen Bereichen der Kirche Autorität ausgeübt wird.
Man sieht: von diesem Papst ist noch einiges zu erwarten. Wünschen wir ihm Gesundheit und ein langes Leben!