Die im Dunkeln sieht man nicht

Von einem seltsamen Phänomen gilt es zu berichten, das sich immer öfter in Mietshäusern zuträgt. Es ist eine Art freiwilliger Umnachtung, selbst bei hellstem Sonnenschein.

Wenn in unserem Viertel neue Mieter einziehen, bemerkt man immer öfter, daß sie selbst am hellichten Tag die Rolläden geschlossen halten. Eine junge Frau etwa sitzt auf ihrem Balkon, um sich zu sonnen, aber die Rolläden hinter ihr sind geschlossen. Die Sonne darf auf sie fallen, aber nicht in ihre Wohnung. Wäre das ein Schutz gegen die störende Sonneneinstrahlung, könnte man es ja verstehen, aber auch bei einer geschlossenen Wolkendecke bleiben die Rolläden unten. Warum? Hat sie etwas zu verbergen? Hat sich hier etwa (so hätte man in den 70er Jahren gefragt) eine Terroristin einquartiert?

Aber nein, es sind ganz normale Familien, begütert oder weniger begütert, mit und ohne Migrationshintergrund, jung und alt. Gemeinsam haben sie nur, daß sie uns nicht einmal einen Blick auf ihre Gardinen gestatten wollen.

Warum? Das weiß der Himmel. Sind sie vielleicht paranoid? Fühlen sie sich von den Augen ihrer Nachbarn verfolgt? Niemand weiß es.

Es ist jedenfalls ein neues Phänomen, das dringend auf seine soziopsychologische Erforschung wartet.

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