Über die Mühsal des Nüchternbleibens unter lauter Betrunkenen

Wenn man von Betrunkenen umgeben ist, fällt es schwer, nicht auch zum Glas zu greifen. Mitten unter fröhlich Berauschten nüchtern zu bleiben, ist ein hartes Los.

Das ganze Land ist zur Zeit berauscht von Energie, von erneuerbarer Energie. Erst waren es nur die Grünen, dann hat sich auch die SPD das grüne Mäntelchen umgehängt (man geht ja mit der Zeit), jetzt folgen sturzbachartig CDU, CSU und FDP, und selbst die Linken geben sich grüner als grün – sie wollen noch schneller abschalten als alle anderen.

Es ist eine Art Delirium, ein alles betäubender Rauschzustand. Man leidet, wenn man dagegen anschreibt, aber am Ende ist man doch froh, daß man seine warnende Stimme erhoben hat. Nein, man muß nicht immer und für alles geliebt werden.

Die seltsamsten Verbindungen tun sich da auf. Wolfgang Clement, der für mich früher – in meiner „fortschrittlichen“ Zeit – ein rotes Tuch war, erscheint mir jetzt (wie etwa gestern abend bei Frank Plasbergs Hart aber fair) geradezu als Hort der Vernunft, als respektabler und mutiger Vertreter des gesunden Menschenverstandes. Selbst mit den kritischen Stimmen in der FDP kann ich mich eher anfreunden als mit dem Rauschzustand, in dem sich das Volk und fast alle seine Parteien zur Zeit befinden. So eine Verschiebung von Zuneigungen und Anhänglichkeiten macht zuweilen ein bißchen benommen – aber was hilft’s! Was sein muß, muß sein.

Gelassen bleiben unter lauter Wutbürgern – das ist doch kein übler Vorsatz.

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