Jetzt hast Du also auch die völlig friedlichen Bürger im Gezi-Park von Deinen Prügelpolizisten mit viel Gas und Stockschlägen zur Raison gebracht. Da kann ich Dir nur von Herzen gratulieren! Ein Sultan wie Du läßt sich doch nicht von seinem Volk auf der Nase herumtanzen, das wäre ja noch schöner. Daß die Claudia Roth mitten unter den Opfern Deiner Prügelorgie war, ist natürlich ein bißchen ärgerlich, und auch der Bericht des ZDF-Korrespondenten, der selbst Stunden danach von der osmanischen Angriffslust Deiner Polizisten noch sichtlich geschockt war, hätte nicht sein müssen. Aber ein richtiger Sultan, wie Du einer bist, der steckt das weg. Schließlich bist Du in freien Wahlen gewählt worden, also kannst Du mit Deinen Untertanen auch machen, was Du willst. Wozu gibt es sonst Wahlen?
Aber eines möchte ich jetzt schon wissen, lieber Onkel Erdogan: glaubst Du wirklich, daß Du damit durchkommst? Für wie dumm hältst Du Deine Untertanen eigentlich? Du willst Bürgermeister von Istanbul gewesen sein – und glaubst, Du kannst diese schöne Stadt mit ihren gescheiten und widerborstigen Bürgern mit dem Schlagstock regieren?
Niemals kannst Du das, Onkel Erdogan.
Du kannst Deine Anhänger vom flachen Land heute nach Istanbul karren (vielleicht hilft bei dem einen oder anderen ein kleines Bakschisch!) und vor ihrem Fahnenmeer eine patriotische Rede halten. Das kannst Du. Aber was Du da herankarrst, das ist nicht Istanbul. Es sind Jubeltürken aus der Provinz, und ihre Begeisterungsschreie („Tayyip, wir lieben dich!“) werden Dir am Ende nicht helfen.
Du hättest wie ein Staatsmann handeln können – das wäre nicht schwer gewesen. Ein bißchen reden, vermitteln, versöhnen, eben: ein ehrlicher Makler sein. So ist das in Demokratien üblich. Aber so etwas liegt Dir nicht. Die Demonstranten haben Deinen Stolz verletzt, deshalb müssen sie jetzt dafür büßen.
Aber die ganze Welt hat gesehen, wie Du mit Deinen Untertanen umspringst. Und glaube mir, Onkel Erdogan: die Welt wird es nicht vergessen. Vor allem das türkische Volk wird es nicht vergessen! Du hast vor den Augen der Welt Dein wahres Gesicht gezeigt, und selbst wenn Du an diesem Sonntag eine Million Deiner Untertanen „Tayyip, wir lieben dich!“ rufen läßt – es wird nichts mehr daran ändern.
Ein Staatsmann hält das Volk zusammen, er schafft Ausgleich, Harmonie, friedliche Gespräche. Und Du? Du hetzt die eine Hälfte der Bevölkerung auf die andere.
Du hast Dich von allen möglichen Handlungsvarianten für die schäbigste entschieden.