Bauernschläue und Gewalt – das sind, wie ich gestern geschrieben habe, die Merkmale dieses Herrscherleins, das sich groß und mächtig vorkommt. Größer als Atatürk, den er vor kurzem als Säufer beschimpft hat, fühlt er sich jetzt schon, denn er will die Reformen Atatürks, die aus dem alten osmanischen Reich einen halbwegs modernen europäischen Staat gemacht haben, beseitigen und den Koran an ihre Stelle setzen.
Hat er das seinen Wählern gesagt? Natürlich nicht. Bis heute sagt er es nicht, aber wenn man seine Reden verfolgt, kommt man an dieser Schlußfolgerung nicht vorbei.
Ist Erdogan ein Demokrat? Wirklich nicht. Er hält sich zum Schein an ein paar Formalien, aber da, wo es um den harten Kern der Demokratie geht, also um eine unabhängige Justiz, um Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Demonstrationsrecht, verhält er sich wie ein beliebiger Despot. Er wirft die Opposition mithilfe von willfährigen Richtern ins Gefängnis, verhaftet zu Hunderten kritische Journalisten, erfindet abenteuerliche Verschwörungen, mit einem Wort, er ist um keinen Deut demokratischer als Putin, Ahmadineschad, Mursi und all die anderen scheindemokratischen Despoten.
Tue ich ihm da vielleicht unrecht? Während ich diesen Beitrag schreibe, höre ich in den Live-Berichten vom Taksim-Platz die Schüsse seiner „Eliteeinheiten“. Bald wird also wieder himmlischer Frieden auf dem Platz herrschen.
Bauernschläue und Gewalt auch heute: gestern hat er friedliche Gespräche mit den Demonstranten angekündigt, aber da waren seine Anweisungen zum brutalen Sturm auf den Taksim-Platz schon unterwegs. Schritt für Schritt hat er sein Land islamisiert, jetzt will er auch den letzten Widerstand aus dem Weg räumen.
Erdogan wird immer mehr zu einer Schande für sein Land, das doch voll ist von liebenswerten und freundlichen und mutigen Menschen. Die USA und Europa sollten endlich aufhören, diesen kleinen Gernegroß zu unterstützen, ehe er sein Land in den Abgrund stürzt. Aber wie man Obama kennt, wird er seinen strategisch wichtigen Freund Erdogan nicht im Stich lassen und allenfalls seine „Besorgnis“ bekunden.