Die Würde des Gerichts muß gewahrt werden, gerade wenn es, wie bei den NSU-Morden, um ein schweres Verbrechen geht. Der Gerichtssaal darf kein Ort für ein Kaschperl-Theater werden, wie es uns die Gerichtsshows bei SAT 1 und anderswo vormachen. Deshalb sind auch Zwischenrufe oder Unmutsäußerungen des Publikums zurecht verboten.
Aber: darf das Publikum lachen? Die Taliban haben ja, wie man sich erinnert, den afghanischen Frauen das Lachen verboten – aber gilt das auch für einen deutschen Gerichtssaal?
Diese Frage ist gestern von den Verteidigern von Beate Zschäpe aufgeworfen, oder besser: verursacht worden. Die drei Verteidiger haben sich nämlich für eine merkwürdige Strategie entschieden, über die alle Welt den Kopf schüttelt. Es sieht fast so aus, als wollten sie den Beginn der Beweisaufnahme so lange hinauszögern, wie es irgend geht. Sie bombardieren das Gericht mit immer neuen Anträgen (Befangenheit des Richters, Reihenfolge der Wortmeldungen usw.) – aber warum? Niemand weiß es. Prozeßrechtlich ist das natürlich alles in Ordnung, und ein bißchen taktische Plänkelei begleitet fast jeden Prozeßauftakt. Aber hier nehmen die Anträge kein Ende, und nicht nur die Angehörigen der Opfer und ihre Anwälte sind ratlos. Eine solche Verschleppung ist der Bedeutung dieses Prozesses genauso wenig angemessen, wie es das merkwürdige Verhalten des Gerichts vor dem Prozeß war.
Nehmen wir einmal folgende Szene aus einem beliebigen Kindergarten:
Kind A: Ich war zuerst da!
Kind B: Nein, ich!
Kind A: Warst du nicht!
Kind B: War ich wohl! usw. usw.
Genau so ging es gestern beim Oberlandesgericht München zu. Einer der Verteidiger drückte offenbar in einem fort auf einen kleinen roten Knopf, um wieder einen neuen Antrag zu stellen, und als der Herr Vorsitzende das Wort stattdessen einem der Opferanwälte erteilte, war der Anwalt sehr ungehalten. Er wollte wissen, nach welchen Prinzipien und in welcher Reihenfolge das Gericht das Wort erteile. Der Richter kam aber offenbar nicht dazu, diese Frage gleich zu beantworten, denn neben dem Verteidiger, der munter weiterredete, redete gleichzeitig auch die Vertreterin der Nebenklage, und beide ließen sich das Wort nicht nehmen.
In dieser Situation, die ja von der beschriebenen Kindergartenszene nicht allzu verschieden ist, kommt im Publikum Gelächter auf. Jetzt wird der Verteidiger aber richtig sauer. Er sagt zwar nicht „Menno! Die haben mich ausgelacht!“ – aber es klingt irgendwie ähnlich:
Es geht nicht, dass gelacht wird, wenn ich rede!
Und sein Kollege ruft, bevor er – unter Zurücklassung seiner Robe – wütend den Gerichtssaal verläßt:
Das kann doch nicht sein, dass hier der ganze Saal lacht, wenn prozessuale Anträge gestellt werden!
Und als diese Bemerkung neues Lachen hervorruft, sagt der andere Verteidiger vorwurfsvoll:
Aber es wird ja immer noch gelacht!
Das belustigt das Publikum natürlich erneut. Und es regt zu der Frage an: sind Juristen humorlos? Und wenn ja, sind sie es sozusagen von Berufs wegen, oder ist es so, daß überhaupt nur ein bestimmter Menschenschlag die juristische Laufbahn einschlägt?
Wir wollen diese Frage einmal im Raum stehenlassen und jenem Vertreter der Nebenklage von Herzen beipflichten, der am Ende dieses absurden Theaters lapidar feststellte, Lachen sei eine einfache „menschliche Regung“.
So etwas muß man vielen Juristen offenbar erst einmal sagen.
Die Gerichtsreportage können Sie übrigens hier nachlesen.