Über die Protestanten und ihren Kuschelgott

In der Religion geht es um die ersten und letzten Dinge.

Wirklich?

Wenn man einen ganz normalen evangelischen Gottesdienst besucht, hat man diesen Eindruck nicht. Wenn man liest und hört, was die Vertreter der evangelischen Kirche öffentlich zu sagen haben, hat man diesen Eindruck erst recht nicht.

Da geht es um:

den Bundeswehreinsatz in Afghanistan,
die Betroffenheit über das Böse in der Welt (Protestantinnen und Protestanten sind immer arg betroffen über fast alles!),
um lustige Mutter-Kind- und Bastelnachmittage,
um böse Atomkraftwerke und liebe Windkraftwerke,
um Lesben und Schwule,
um die Eine oder die Dritte Welt und den Regenwald,
und so weiter, und so fort.

Sicher hängt das alles auch irgendwie mit der Religion zusammen, wie ja alles irgendwie mit allem zusammenhängt. Aber man muß doch als erwachsener Mensch zwischen dem Kern und dem Rand, zwischen dem Zentrum und der Peripherie unterscheiden!

Basteln kann ich auch ohne Religion, selbstbewußt schwul sein auch. Ich kann mir über den Hunger in der Dritten Welt oder den Einsatz in Afghanistan meine Gedanken machen ganz ohne jede Religion.

Die Religion brauche ich, wenn es wirklich ernst wird. Wenn der Tod anklopft, zum Beispiel. Aber davon ist kaum mehr die Rede – und wenn, dann in einer bloß einstudierten Predigtform, die der Ungeheuerlichkeit von Tod und Ewigkeit nicht gewachsen ist.

Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf hat vor kurzem viele der Mißstände in der evangelischen Kirche auf die „Feminisierung“ des Pfarrerberufs zurückgeführt. In seinen Seminaren in München, so schreibt er, dominieren

junge Frauen, meistens eher mit einem kleinbürgerlichen Sozialisationshintergrund, eher Muttitypen als wirklich Intellektuelle, und eine Form von Religiosität, in der man einen Kuschelgott mit schlechtem Geschmack verbinden kann.

Das ist natürlich provokant ausgedrückt (und auch so gemeint!), aber es stimmt leider, daß dieses immer mehr ausufernde Kuschel- und Betroffenheits-Christentum sehr stark von weiblichen Pfarrern geprägt wird.

„Spiritualität können Frauen besser“, das war der Satz, der Graf zu seiner Philippika angeregt hat, und in diesem Wort steckt auch schon die ganze Misere. Spiritualität – das ist ein Schwamm, der alles aufsaugt: den buddhistischen Mönch, Esoterisches ohne Ende, weise Frauen, immerwährende Betroffenheit (siehe oben), Überirdisches jeder Art – und sogar, wenn’s denn sein muß, auch ein bißchen Christentum (aber nur, wenn es auch schön meditativ ist!).

Aber was nutzt mir das alles, wenn es ans Sterben geht? Ich will doch wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält, was davor war und was danach kommt, ich will (auch und gerade im Gottesdienst!) etwas von der Hauptsache erfahren, nicht von all diesen läppischen Nebensächlichkeiten. Wie kann man denn Pfarrer sein und dieses zentrale, alles bestimmende Wort, nämlich GOTT, nur noch ganz beiläufig erwähnen?

Ich bin in einer katholischen Familie aufgewachsen, da war der „liebe Gott“, obwohl meine Eltern nie in die Kirche gegangen sind, eine Selbstverständlichkeit. Man hat nicht über ihn diskutiert, man hat ihn nicht in die weltlichen Auseinandersetzungen hineingezerrt, er war einfach immer da. In diesem Wort vom „lieben Gott“ war keine Verniedlichung, es war auch keine Respektlosigkeit, wenn man so von ihm gesprochen hat. Er war eben immer der gnädige Gott, der über uns wacht und der für uns im Gebet erreichbar ist. Das halte ich immer noch (und jetzt wieder) für eine schöne Vorstellung.  Ein Gott, der sich in die Niederungen unserer Tagespolitik begibt, wäre mir schon ein bißchen suspekt.

Also, liebe Pfarrerinnen und Pfarrer: redet mehr von den Dingen, in denen Eure „Kernkompetenz“ liegt, wie man das heute nennt! Und vergeßt die Spiritualität – die ist nämlich überall billig zu haben.

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