Böse Kolonialherren, armes Afrika

Als die afrikanischen Kolonien in die Unabhängigkeit entlassen wurden, war ich ungefähr zehn Jahre alt. Mit Ghana hatte es 1957 angefangen – ich habe damals, wie die meisten Kinder, Briefmarken gesammelt, und noch heute erinnere ich mich an die ersten bunten Marken des von der Kolonialherrschaft befreiten Ghana. Sogar Fußballspieler waren darauf abgebildet – völlig unvorstellbar im guten alten Europa. Drei Jahre später erhielten auf einen Schlag gleich 17 afrikanische Länder ihre Unabhängigkeit, in den Jahren bis 1968 kamen 15 weitere dazu. Fast der ganze Kontinent war jetzt von den bösen Kolonialherren befreit, der Aufbau einer neuen Welt konnte beginnen.

Was ist daraus geworden? Heute bestimmen in großen Teilen des Kontinents korrupte (farbige!) Eliten den Kontinent, die ihre Länder aussaugen und ein halbes Jahrhundert lang nichts für den Aufbau einer demokratischen Zivilgesellschaft getan haben. Mugabe ist so einer, der ein blühendes Land in wenigen Jahren in den Abgrund getrieben hat. Immer wieder hat es Lichtblicke gegeben – natürlich. Der leuchtendste und wirkungsvollste von ihnen war Nelson Mandela, aber schon sein Nachfolger Zuma ist nur noch eine peinliche Karikatur seines Vorgängers. Mandela war – buchstäblich – ein Glücksfall, ein Mann wie er war nicht zu erwarten, und einen Nachfolger wird er nicht haben.

Fast überall sonst in Afrika herrschen deprimierende Zustände. Fürchterliche Despoten, Warlords oder ganz gewöhnliche und unauffällige Blutsauger beherrschen den Kontinent. Vor allem Zentralfrika kommt nicht zur Ruhe – Milizen, Kindersoldaten, marodierende Banden und „Befreiungsarmeen“ geben keine Ruhe. Jeder Regierungschef, jeder Präsident, der nicht ganz so habgierig, nicht ganz so brutal ist wie seine Kollegen, wird von der ganzen Welt bejubelt und ermuntert.

ABER …

Jetzt stelle ich mir vor, daß mir eben beim Schreiben Renate Künast mit kritisch zerfurchter Stirn über die Schulter blickt. Die Kolonialherren sind doch schuld an allem! Sie haben die Länder ausgeplündert, ihre Rohstoffe gestohlen und dann auch noch ohne jede Rücksicht auf die Ethnien (das Wort „Stämme“ ist ja inzwischen auch tabu) Nationalstaaten gegründet. Ohne diese Kolonialherren wäre Afrika heute ein blühender Kontinent, ein Paradies auf Erden.

Ja, so oder ähnlich würde Renate Künast reden, und Trittin, Ströbele und wie sie alle heißen auch. Grüne und Linke, das muß man ihnen zugutehalten, leben in ihrer ganz eigenen Welt. So wie es bei manchen Computerprogrammen eigene Ebenen oder Layers gibt, die man z.B. über Landkarten oder Fotografien legt, so legen sie schon seit langer Zeit ihre grünen und linken Layers über die normale Welt. Und das Wunder geschieht – die normale Welt ist nicht wiederzuerkennen, sie wird durch grüne und rote Brillen bis zur Unkenntlichkeit gefiltert.

Daß das Verkehrssystem in manchen afrikanischen Ländern noch heute ohne die Schienen, Lokomotiven und Dampfschiffe aus der Kolonialzeit zusammenbrechen würde, ist natürlich eine glatte Lüge. Daß die einheimischen Blutsauger, die ihre Länder ausplündern, mit der kolonialen Vergangenheit nichts, aber auch gar nichts zu tun haben, ist auch gelogen. Alles, was nicht in dieses doch eher primitive Weltbild fortschrittlicher Frauen und Männer paßt, ist gelogen. Der Kolonialismus muß gefälligst an allem schuld sein, heute, morgen und auch noch in tausend Jahren. Basta!

Wenn man aber den fortschrittlichen Layer entfernt und den Blick auf die Wirklichkeit richtet, erschrickt man. Denn dieser wunderschöne Kontinent, der heute übrigens vor allem von den völlig hemmungslosen chinesischen Kolonialherren ausgebeutet wird, hat es nicht verdient, nach dem völligen Versagen der heimischen Eliten ausgerechnet von grünen und linken Ideologen so billig exkulpiert zu werden. Statt die Schuld in wohlfeiler Art auf uns zu nehmen, sollten wir den afrikanischen Staaten helfen, ihre postkolonialen „Eliten“ möglichst schnell loszuwerden. Das wird aber – so wie die Dinge heute liegen – ein in jeder Hinsicht langer und schmerzhafter Prozeß werden.

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