Andreas Köhler, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, stellt Merkel in eine Reihe mit Hitler! Kein Wunder, daß alle Welt aufschreit. Aber sehen wir uns einmal in Ruhe an, was Köhler auf der Weihnachtsfeier seiner Bundesvereinigung wirklich gesagt hat (hier nachzulesen):
„Alle sind sich einig, dass sich nur ein einziger roter Faden durch die Geschichte Europas zieht: die Vorliebe der Bewohner für kleine, selbstständige Nationen; die Vorliebe ihrer Politiker, diese zu einigen“, sagte Köhler demnach vor rund 300 Mitarbeitern. „Julius Cäsar, Karl der Große, Napoleon, Adolf Hitler, Angela Merkel – die Liste der Staatsleute, die versuchten, Europa zu einigen, ist sehr lang. Und stets scheiterten die Bemühungen an folgendem: niemand kann sich vorstellen, zusammen in ein und demselben Haus Europa zu wohnen.“
Wenn irgendwo in Deutschland der Name Hitler auftaucht, kommt es bei Grünen und Linken (einschließlich der SPD) zu einem merkwürdigen Pawlowschen Reflex. Der Name muß begleitet sein von einem Bekenntnis tiefer Abscheu und dem Aufruf, daß so etwas nie wieder geschehen darf. Das hat Köhler – pflichtvergessen – nicht getan, und historisch mögen die angeführten Namen auch reichlich unvergleichbar sein. Aber wenn man auch nur eine Spur guten Willens hat, sieht man doch, was Köhler meint, und da bin auch durchaus mit ihm einig: der größte Schatz dieses alten Europas ist gerade die Verschiedenheit der Nationen und ihrer Kulturen. Was Merkel will, also die politische Einigung Europas, wollen viele in unserem Land nicht – es dürfte sogar die Mehrheit sein. Ich bin sicher, daß auch in den meisten anderen europäischen Staaten eine große Mehrheit diesen Riesenstaat Europa nicht will.
Nein, wir haben seit dem Krieg wunderbar zusammengelebt, ohne eine politische Einheit zu sein, und das können wir auch jetzt. Warum denn nicht? Im Gegenteil: es ist doch viel schöner, wenn jeder in seinem eigenen Haus wohnt, als mit anderen Nationen gewaltsam zusammengepfercht zu werden! Ja, es ist geradezu die Bedingung für eine gute Nachbarschaft, daß jeder seine eigene Wohnung hat.
Köhler hat also eigentlich etwas ganz und gar Banales gesagt und ganz und gar nicht „Hitler mit Merkel“ verglichen.
Im übrigen: hat er unsere Kanzlerin nicht auch mit Caesar, Karl dem Großen und Napoleon „verglichen“?
PS: Inzwischen rudert Köhler zurück und behauptet, alles sei ironisch gemeint gewesen. Ich kann freilich in den oben zitierten Sätzen nichts Ironisches entdecken. Wahrscheinlich will er nach dem shitstorm nur wieder seine Ruhe haben.