Na, das wäre ja ein merkwürdiger Pharao, der nach einem halben Jahr die unumschränkte Macht, die er eben an sich gerissen hat, wieder an das gemeine Volk abgibt!
Wer’s glaubt, zahlt einen Taler …
Nein, niemals werden diese feinen Muslimbrüder ihre Macht freiwillig wieder abgeben, es sei denn – ja, es sei denn, das liberale, das demokratische Ägypten zwingt sie dazu. Wer diesen Machtkampf am Ende gewinnen wird, ist längst nicht entschieden. Eines zeigt der Putschversuch des Präsidenten (denn nichts anderes war es) auf jeden Fall: der Wahlsieg der Muslimbrüder war für sie nur ein erster Schritt. Sie hatten nie vor, die Macht mit den demokratischen Kräften zu teilen. Sie wollen die ganze Macht.
Daß sich Mursi, kaum daß sein „Friedenswerk“ im Gazastreifen getan war, zum unumschränkten Herrscher über Ägypten ausrufen wollte, daß er also schon den allerersten günstigen Augenblick dazu mißbrauchte, zum neuen Mubarak zu werden, und zu einem viel schlimmeren Mubarak, als der alte es war, mit der Scharia und dem Segen von oben, das hat den Widerstand im Volk jetzt kräftig angefacht. Die Muslimbrüder haben sich am Kampf gegen den Diktator kaum beteiligt und wollen jetzt ernten, was sie nicht gesät haben. Die 100.000 oder 200.000 Ägypter, die gestern in Kairo gegen den verschlagenen Präsidenten demonstriert haben, wissen das – und sie haben Mut.
Das ist ein gutes Zeichen.
Und Obama, der jedes Jahr 1,3 Milliarden Dollar (!) als Militärhilfe nach Ägypten schickt, sollte dem Präsidenten und seiner Bruderschaft klarmachen, daß dieser Geldfluß auch einmal versiegen kann. Alles andere wäre ein Verrat an der immer noch schwachen, aber mutigen Demokratiebewegung.