Die Mao-Bibel – revisited

Also beginnt das Buch, das eine weltweite Auflage von etwa einer Milliarde Exemplare haben soll:

Genosse Mao Tse-tung ist der größte Marxist-Leninist unserer Zeit. In genialer, schöpferischer und allseitiger Weise hat Genosse Mao Tse-tung den Marxismus-Leninismus als Erbe übernommen, ihn verteidigt und weiterentwickelt; er hat den Marxismus-Leninismus auf eine völlig neue Stufe gehoben.

Ich habe das „rote Buch“ in unserer Bibliothek wiederentdeckt und ein bißchen darin gestöbert – mit wachsendem Entsetzen. Es ist übrigens die deutsche Ausgabe von 1967, erschienen im Verlag für fremdsprachige Literatur in Peking. Der vollständige Titel lautet: Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung.

Aber: was für ein armseliges Sammelsurium von Sätzen!

Ein paar Beispiele:

Im Klassenkampf siegen gewisse Klassen, während andere vernichtet werden. Das ist der Lauf der Geschichte.

Außer anderen Besonderheiten hat die sechshundertmillionenköpfige Bevölkerung Chinas eine augenfällige Besonderheit: sie ist einmal arm, zum andern weiß wie ein unbeschriebenes Blatt.

Die Politik ist Krieg ohne Blutvergießen.

Die Dinge entwickeln sich ständig.

Was ist Arbeit? Arbeit bedeutet Kampf.

Mit Idealismus und Metaphysik kommt man in der Welt am leichtesten durch; denn man kann dann soviel Unsinn zusammenschwatzen wie man nur will.

Im Kampf gibt es immer Opfer, ist der Tod eines Menschen keine Seltenheit.

Wir müssen es erlernen, die Dinge allseitig zu sehen.

Und so geht es weiter – 373 grauenhaft öde Seiten lang. Bei so viel geistiger Schlichtheit mag man sich nur schwer vorstellen, daß in den 60er und 70er Jahren erwachsene, intelligente Menschen dieses Geschmurksel Wort für Wort andächtig gelesen, interpretiert und nachgeplappert haben.

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