Könnte es sein, daß man Peer Steinbrück die ganze Zeit überschätzt hat? Gut, er hat einen angenehm trockenen Humor, wie er in der Politik selten geworden ist. Und er hat (was bei den Deutschen schwer wiegt) den Segen des Altbundeskanzlers Helmut Schmidt. Aber wenn man hört, was er gestern im Bundestag etwa über das Betreuungsgeld gesagt hat, dann schrumpft er intellektuell doch auf ein sehr durchschnittliches Maß. Er teilt nämlich die dumpfen, ideologischen Ressentiments, wie sie zur Zeit überall in voller Blüte stehen.
Das Betreuungsgeld – das ist sein Kernsatz – sei nicht nur „bildungs-, finanz-, gesellschafts- und arbeitsmarktpolitisch falsch“, sondern „schwachsinnig“.
Warum, um alles in der Welt, ist das Betreuungsgeld „bildungspolitisch falsch“? Sollen Einjährige jetzt in der Kinderkrippe schon das kleine Einmaleins lernen, statt zuhause, wie immer suggeriert wird, geistig zu verkümmern? Oder wie meint er das sonst? In Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt: das Betreuungsgeld ist bildungspolitisch richtig, denn ein Kind, das in den ersten Jahren durch die liebevolle Erziehung durch Vater und Mutter ein Urvertrauen aufbaut, hat es später auch in der Schule viel leichter. Sozialkontakte werden erst dann wichtig, wenn dieses Vertrauen da ist, also im eigentlichen Kindergartenalter. Deshalb sind Kindergartenplätze für die vier- und fünfjährigen Kinder enorm wichtig. Man sollte sogar überlegen, ob man neben der Schulpflicht nicht auch eine Kindergartenpflicht einführt.
Die Krippenplätze sind auch wichtig, aber nicht für das Kind, sondern nur für die Mütter und Väter, weil die Arbeitgeber, die jetzt großmäulig gegen das Betreuungsgeld argumentieren, zwar von ihren Mitarbeitern eine permanente Flexibilität verlangen, selbst aber so flexibel sind wie eine eingerostete Schraube.
Und warum ist das Betreuungsgeld „gesellschaftspolitisch falsch“? Betet Steinbrück da das dumme Argument aller fortschrittlichen Menschen nach, daß man nur durch die Krippen die Kinder des Prekariats aus den Klauen der häuslichen Vernachlässigung befreien kann? Das ist eine Argumentation am Rande des Schwachsinns, denn man sagt damit: wenn die Eltern, die dem Prekariat angehören, kein Betreuungsgeld bekommen, werden sie ihre Kinder ohne Verlierung einer Minute in die Kinderkrippe schicken. Dieses Argument ist so schwach, daß man es nicht einmal Cornelia Pieper zutrauen würde! Hier versucht Steinbrück, dem aus seiner Partei viel Widerstand entgegenschlägt, sich dem linken und feministischen Flügel der SPD anzubiedern. Deshalb redet er von der „nackten Not von Frauen“ und von einer „biedermeierlichen Idylle“. Eine Idylle, lieber Herr Steinbrück, ist nichts Garstiges, Schlimmes – eine Idylle ist etwas Schönes, etwas, das wir uns alle wünschen. Oder sollen wir jetzt nur noch das Prekäre, das Patchwork, das Alleinerziehen herbeiwünschen? Ist es schon so weit, daß uns mißlungene Beziehungen, mißlungene Familiengründungen mehr am Herzen liegen sollen als die gelungenen, die es doch auch über all im Land gibt?
Das einzige der Steinbrückschen Argumente, das klar und eindeutig ist: das Betreuungsgeld sei „arbeitsmarktpolitisch falsch“. Da werden sich die Reinigungsunternehmen, die Discounter und die Zeitarbeitsfirmen aber freuen, daß der SPD-Kandidat die jungen Mütter so schnell wie möglich wieder ins Arbeitsleben zwingen will! Da gehören sie ja auch hin – und nicht etwa zu ihren neugeborenen Kindern, nicht wahr? Auf die Arbeitsmarktpolitik läuft es am Ende, wenn alle Argumente widerlegt sind, immer hinaus.
Nun habe ich ja volles Verständnis dafür, daß die Firmen selbst auf die jungen Frauen, denen sie oft nur Hungerlöhne zahlen, nicht verzichten wollen. Da wären sie ja schön blöd. Aber was bringt einen Spitzenkandidaten der SPD, was bringt gar den Deutschen Gewerkschaftsbund dazu, denselben Schmarrn zu erzählen? Es ist nichts anderes als der ideologische Verzicht aufs selbständige Denken. Nicht umsonst hatten es Staaten mit kommunistischer Ideologie besonders eilig, schon die kleinsten Kinder in die öffentlichen Betreuungseinrichtungen zu verfrachten.
Das Betreuungsgeld ist also nicht „schwachsinnig“, ganz im Gegenteil. Es ist allerdings, so wie es geplant ist, viel zu niedrig.
Aber die grün-links-feministischen Ideologen haben es offenbar auch bei uns geschafft, den Frauen einzureden, es sei irgendwie pervers, die eigenen Kinder selbst zu erziehen. Nein, es ist pervers, ein Kind, kaum daß es auf der Welt ist, in eine Kinderkrippe zu stecken.
Basta!