Heutzutage denken vermutlich schon Vorschulkinder darüber nach, ob sie nicht „zeitnah“ ihre Autobiographie schreiben sollten. Ein Geräteturner jedenfalls, der kaum das Abitur hinter sich gebracht hat, fühlt sich zur Beschreibung seines langen und ereignisreichen Lebens geradezu verpflichtet. Einen Verlag muß er nicht lange suchen – da zählt nur der Prominenzfaktor.
Kann man es Lothar Matthäus da verübeln, wenn er – er ist immerhin schon in seinem 52. Lebensjahr! – seine Autobiographie schreibt? Na ja, „schreibt“ ist vielleicht zuviel gesagt, denn der Zusatz „mit Martin Häusler“ deutet schon an, daß ihm ein Ghostwriter die Feder geführt hat. Aber darüber wollen wir heute gar nicht reden, es gibt ja kaum einen Politiker, der sich seine Reden nicht von einem Ghostwriter schreiben läßt.
Nein, wir wollen einmal betrachten, wie der Verlag Bastei Lübbe mit dem Werk seines Autors umgeht. Ich war letztes Wochenende auf der Buchmesse, und da lag am Verlagsstand einladend ein Foto des Fußballers mit Zwei- oder Dreitagebart. Auf der Rückseite stand in großen Buchstaben (man höre und staune!):
Spitzenfußballer, Visionär, Lebenskünstler!
Der Weltfussballer, wie ihn niemand kennt.
Der „Weltfußballer“ Matthäus – das ist ja nun schon eine Weile her. In der Presse hat man von ihm eher wegen seiner jungen Gespielinnen gehört. Das könnte mit einiger Phantasie in die Rubrik „Lebenskünstler“ fallen.
Aber was macht ihn – um alles in der Welt – zum „Visionär“? Welche Vison treibt ihn um? Dazu müßte man natürlich das Buch lesen, und das, lieber Leser, kann nun wirklich niemand von mir verlangen.
Zumal ich den Verdacht habe, daß uns am Ende doch nur eine Vision des Ghostwriters angedreht wird.
„Viele seiner Tore“, schreibt der Verlag, „schrieben Geschichte und brannten sich tief ein ins kollektive Gedächtnis“. Ach, die Marketing-Leute! Ihre Lyrik berauscht immer noch wie ein schlechter Fusel. Da wird Loddas „Genialität auf dem Platz“ gelobt und – man staune noch einmal – sein „mutiger bis wagemutiger Umgang mit der Öffentlichkeit“. Von „schicksalhaften Entscheidungen“ ist die Rede, aber am Ende steht leider eine Drohung:
Sein Motto war und ist, immer alles zu geben. Und er hat noch viel vor.