Die Grünen sind längst von einer Naturpartei zu einer Energiepartei geworden. Im Zweifelsfall, dann also, wenn sie sich entscheiden müssen, handeln sie für die Energiegewinnung und gegen die Artenvielfalt in der Natur – oder sie vollführen einen peinlichen Eiertanz.
Das läßt sich sehr schön an einem Brief von Jürgen Trittin vom Januar 2011 exemplifizieren, der auf der Seite von abgeordnetenwatch.de nachzulesen ist.
Es gebe „ein Potenzial für nachhaltig erzeugte Biomasse“, schreibt er dort. Aber:
Biokraftstoffe dürfen nicht aus Rohstoffen herstellt werden, die auf Flächen mit hohem Wert hinsichtlich der biologischen Vielfalt oder hohem Kohlenstoffbestand erzeugt werden. Dazu zählen Tropenwälder, Feuchtgebiete, Torfland, aber auch natürliches oder künstlich geschaffenes Grünland.
Das sind nicht einmal mehr fromme Wünsche, nein – was er hier schreibt, grenzt an eine Verdummung der Bevölkerung, denn die Zerstörung der biologischen Vielfalt für die Energiegewinnung ist seit über einem Jahrzehnt in vollem Gange, und sie nimmt immer beängstigendere Ausmaße an. Über den Siegeszug der Ölpalme, den man nur noch als Naturkatastrophe von globalen Ausmaßen bezeichnen kann, habe ich den letzten Tagen an dieser Stelle Material zusammengetragen, die Situation bei Zuckerrohr, Mais, Raps, Weizen usw. ist vergleichbar. Die Natur wird zunehmend nur noch als Reservoir für die Energiegewinnung gesehen, sie wird rücksichtslos ausgeplündert, damit in China und Brasilien und natürlich auch in Europa jeder sein Auto fahren kann. Die Vorstellung, daß man diese brutalen Naturzerstörungen etwa in den Schwellenländern Südamerikas durch den Trittinschen Ausnahmenkatalog eingrenzen kann, ist mehr als lächerlich. Trittin weiß das sehr genau.
Und selbst wenn man diesen Katalog in der Praxis durchsetzen könnte: welche Flächen bleiben eigentlich für die „Energiepflanzen“ noch übrig, wenn das alles ausgeschlossen wird? Es sind die Brachen und und die bis jetzt nur extensiv genutzen Ackerflächen – und gerade die sind wahre Schätze an biologischer Vielfalt. Jeder Botaniker, jeder Zoologe weiß das, auch die Naturverbände wissen es – und sogar viele Grüne an der Basis.
Trittin nicht.
Er fordert, als sei die Entwicklung gerade erst am Anfang,
die Schaffung eines Zertifizierungssystems, das verbindliche ökologische und soziale Standards für den Anbau von Energiepflanzen und die Produktion von Agrotreibstoffen festlegt.
Wieder so ein Satz aus Onkel Trittins Märchenstunde! Ein Mensch, der noch einigermaßen bei Verstand ist, kann doch nicht im Ernst glauben, daß man Ländern wie Indonesien, Kolumbien und Brasilien mit ihren korrupten Behörden durch ein Zertifizierungssystem beikommt. Da wird zertifiziert werden, was das Zeug hält – während der einträgliche Raubbau weitergeht.
Nein, hier darf es kein Lavieren mehr geben. Die Zerstörung der Natur für die Energiegewinnung wird alles in den Schatten stellen, was wir bisher an Raubbau erlebt haben – und die grüne Bewegung legt diesem Treiben auch noch ein grünes Mäntelchen um und gibt ihren Segen dazu.
Die Utopie, daß man seine Energie zu einem beträchtlichen Teil aus Pflanzen gewinnen könne, muß sofort und ohne Wenn und Aber ad acta gelegt werden. Die Schäden an der Natur, die solche dummen, nur auf Wunschdenken und wohligen Gefühlen gründenden Pläne überall auf der Welt angerichtet haben, sind schon heute kaum mehr reparabel.
Was wir brauchen, ist also eine völlige Neubesinnung in der grünen Bewegung. Sie kann wahrscheinlich nur von unten, von der Basis her kommen. Und sie kommt, wenn auch erst zaghaft, vor allem aus den betroffenen Ländern selbst, nicht aus dem satten, zufriedenen Europa mit seinen immer satteren, immer zufriedeneren Grünen.
In Deutschland berauschen sich die Grünen zur Zeit an ihren Wahlsiegen – das macht sie noch unempfindlicher für Kritik. Aber die Zeit der Siege wird, wie alles unter dem Mond, einmal zu Ende gehen. Dann wird man sehen, was aus der Welt geworden ist, während wir gebannt Onkel Trittins und Tante Künasts Märchenstunde gelauscht haben. Es wird ein böses Erwachen sein.