Norbert Lammert, unser Bundestagspräsident, ist ein Glücksfall. Er hat etwas, was in der Bevölkerung selten und unter Politikern fast unauffindbar ist – Humor. Und damit meine ich nicht das, was man heute gern comedy nennt, also ein billiges Witzereißen, meist unter der Gürtellinie und damit auch anatomisch weit entfernt von Hirn und Herz. Humor kann man nicht lernen oder für die Bühne einstudieren – er ist das schwer erkämpfte Produkt gelebter Erfahrung, er setzt Höhen und Tiefen voraus, und bewältigte Leiden und Freuden. Deshalb findet man Humor fast nur unter älteren Menschen – jüngere können witzig oder lustig sein, aber Humor im eigentlichen Sinne des Wortes haben sie fast nie.
Lammert hat ihn.
Jetzt hat er freilich einen Vorschlag gemacht, bei dem sich zumindest die SPD als völlig humorlos erweist. Er fordert nämlich, daß die Erweiterung der EU – denn sie soll tatsächlich entgegen aller Vernunft immer noch weiter erweitert werden! – erst einmal auf Eis gelegt wird, bis die Situation der EU konsolidiert ist. Ist das unbillig? Nein, es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Besonders im Südosten haben wir schon jetzt überstürzt aufgenommene Mitgliedsstaaten, die nicht einmal bescheidenen demokratischen Normen entsprechen. Die Zustände in Rumänien sind nichts weniger als eine offene Verhöhnung der Europäischen Union. Auch Bulgarien hätte nie aufgenommen werden dürfen. Und selbst in Ungarn greift die Regierung Orbán, wenn auch geschickter und mit einer ausgesprochenen Scheinheiligkeit, zu autoritären Eingriffen in die demokratischen Rechte, die an eine unselige Vergangenheit erinnern.
Die SPD, die unter Schröder für die maßlose Erweiterung der EU verantwortlich war, schreit jetzt Zeter und Mordio, weil nicht gleich morgen auch Kroatien, Mazedonien, Serbien usw. aufgenommen werden. Ein Moratorium? Niemals! Das sei „leichtfertiges Gerede“. Wer den Beitritt Kroatiens in Frage stelle, so Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich (SPD) im Spiegel, „der spricht der EU die Kraft ab, auch in Zukunft Frieden in Europa zu stiften.“
Dieser Satz gehört zu den vielen anderen ganz und gar dummen Sätzen, die man in letzter Zeit von Politikern aller Couleurs hört.
Viel nachdenklicher und vernünftiger äußert sich da der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier (hier nachzulesen):
„Man kann nicht blindlings alles zentralisieren und immer nur an den weiteren Ausbau Europas denken“, sagte Papier der Welt am Samstag. Viele Bürger sähen die europäische Integration eher skeptisch als Projekt der Eliten. Die überaus segensreiche europäische Idee dürfe nicht an einer Überdimensionierung Europas scheitern, sagte Papier. „Ich warne davor, die Europäer zu überfordern.“