Die Kanzlerin meinte auf dem „Demographiegipfel“ der Bundesregierung zum Thema Altersarmut lapidar: da müßten Lösungen gefunden werden.
Das stimmt – aber wir haben seit fast sieben Jahren eine Regierung Merkel, und in dieser ganzen Zeit ist der Regierung bis auf die gebetsmühlenartig wiederholte Aufforderung zur „privaten Vorsorge“ nichts, aber auch gar nichts eingefallen. Das Thema war tabu – bis Ursula von der Leyen es auf die Tagesordnung gesetzt hat. Da hat man im Kabinett und in den Regierungsparteien nicht mit Dankbarkeit, sondern sehr pikiert reagiert.
Die Sache mit der „privaten Vorsorge“ hat gleich mehrere Haken.
Einmal wälzt man damit die ganze Verantwortung für die Folgen der gesellschaftlichen und demographischen Entwicklungen auf den Einzelnen ab. Das ist nichts anderes als die Mitt Romney’sche Lösung des Problems.
Zum anderen ist es für große (und immer größere!) Teile der Bevölkerung finanziell völlig unmöglich, selbst vorzusorgen. Wie könnten sie auch? Vielen reicht ja nicht einmal der Vollzeitlohn zum Leben. Da ist es völlig wirklichkeitsfremd, sie könnten einen Teil davon für die Rente anlegen.
Und einen dritten Grund gibt es, der gegen die private Vorsorge spricht. Das ist die Erfahrung, die viele Menschen in den letzten 15 Jahren mit solchen Anlagen gemacht haben. Viele Banken haben ihnen Aktienpakete als perfekte Alterssicherung aufgeschwatzt. Vor allem durch den Zusammenbruch des Neuen Marktes, aber auch durch andere Börsenflops in den Jahren danach haben viele gutgläubige Menschen einen großen Teil ihres Geldes verloren. Man traut deshalb den Banken nicht mehr, und was die sich in den letzten Jahren geleistet haben, bestärkt die Menschen in ihrer Meinung – zurecht. Der Verdacht nämlich, daß die Geldinstitute in der privaten Altersvorsorge nur eine weitere Möglichkeit sehen, an Kapital für ihre oft riskanten Geschäfte zu kommen, ist nicht unbegründet. Auch deshalb sinkt die Bereitschaft zur privaten Vorsorge immer mehr.
Seit wir unsere Bundesrepublik mit ihrer Sozialversicherung und der sozialen Marktwirtschaft haben, hat man sich wenigstens auf eines immer verlassen können: daß man nach einem langen Arbeitsleben endlich Zeit für sich und seine Angehörigen hat, daß man sich noch Wünsche erfüllen und das Leben ruhig ausklingen lassen kann. Für viele ist das (neben dem Lottoschein) die einzige Hoffnung, die sie – gerade in der heutigen Arbeitswelt mit ihrem ständigen Leistungsdruck und den menschlich oft völlig unqualifizierten Vorgesetzten – noch am Leben hält. Wenn man den Menschen auch noch die Hoffnung auf einen auskömmlichen Lebensabend nimmt, wird das zu sozialen und psychischen Folgen führen, die unsere Gesellschaft an den Rand des Abgrunds bringen.
Mit ein paar dümmlichen Sprechblasen, etwa daß hier „Kreativität gefragt“ (Merkel) sei, ist es nicht getan. Die ganze Kreativität dieser Regierung wird auch in Zukunft darin bestehen, eines der größten sozialen Probleme unseres Landes einfach zu privatisieren.