Ein Axtmörder als gefeierter Staatsheld

Totschläger, Mörder und Amokläufer gibt es in allen Gesellschaften der Welt. Normalerweise werden sie gesucht, verhaftet und eingesperrt.

Aber nicht allen widerfährt dieses Schicksal.

Ramil Safarow zum Beispiel ist ein Glückskind. Er nahm 2004 als aserbaidschanischer Offizier an einem Nato-Seminar in Budapest teil. Auch Offiziere aus Armenien, dem alten Feindesland, waren anwesend. Safarow ging also in einen Supermarkt, kaufte eine Axt und tötete den friedlich schlafenden armenischen Leutnant Gurgen Margaryan mit 16 Axthieben. Dessen Kopf wurde dabei fast vollständig abgetrennt. Es hatte keinen Streit gegeben, auch eine Frau war nicht im Spiel. Es genügte, daß das Opfer ein christlicher Armenier war. Schon ein Jahr später wurde der feige Mörder von einer aserbaidschanischen Partei zum „Mann des  Jahres 2005“ gewählt. Der Vorsitzende dieser Partei sagte (hier nachzulesen):

Es ist mir vollkommen egal, wie er den armenischen Offizier getötet hat. Wichtig ist, daß es jetzt einen ‚Gurgen‘ [gemeint ist Armenier] weniger gibt, und je mehr Aserbaidschaner Armenier töten werden, desto weniger werden sie.

Natürlich wurde der Mörder von den ungarischen Behörden verhaftet und erst einmal ins Gefängnis gesteckt. Aber dann ereignete sich Wundersames. Trotz des Urteils (lebenslänglich mit frühestmöglicher Freilassung im Jahr 2036) wurde er soeben nach nur acht Jahren von Ungarn nach Aserbaidschan überstellt. Der ungarische Ministerpräsident Orbán hatte sich in Verhandlungen mit der Regierung in Baku persönlich dafür engagiert, bestand allerdings darauf, daß Aserbaidschan den Mörder bis 2036 einsitzen läßt. Angeblich wurde das auch schriftlich zugesichert.

Nun muß man wissen, daß es Ungarn wirtschaftlich sehr schlecht geht. Vor einiger Zeit, als China dem Land großzügige Hilfe zusagte, hatte Orbán schon großmäulig den ewigen Wohlstand ausgerufen, aber daraus wurde offenbar nicht viel. Jetzt setzt er seine Hoffnungen auf Aserbaidschan, und die Überstellung des Axtmörders sollte dabei wohl eine Art door opener werden. Aserbaidschan ist reich an Öl, und Orbáns Hoffnung war wohl, daß die Regierung in Baku ungarische Staatsanleihen kauft.

Also: der Meuchelmörder trifft in seiner Heimat ein – und was geschieht? Wird er gleich ins Gefängnis gesteckt?  Weit gefehlt! Er wird von der aserbaidschanischen Regierung als „Held“ begrüßt, zum Major befördert, er erhält dazu noch amtlicherseits eine schöne Wohnung – und rückwirkend seinen Sold für die acht Jahre, die er im ungarischen Gefängnis zugebracht hat. Wer einen armenischen Christen heimtückisch im Schlaf abschlachtet, kann ja nur ein guter Mensch sein. Ein guter Muslim auf jeden Fall!

Nur ein Wort noch zu Aserbaidschan und Armenien. Es gibt Völker, die durch einen unerforschlichen Ratschluß der Geschichte immer wieder zu Schlachtopfern werden. Die Juden gehören dazu, sie vor allem – aber die Armenier auch. Ihre grausame Verfolgung durch die Jungtürken während des Ersten Weltkriegs prägt sie bis auf den heutigen Tag. Wie in Israel hat sich auch im nun endlich unabhängigen Armenien die geschichtliche Überzeugung durchgesetzt, daß man nie mehr Schlachtopfer sein will. Die Armenier haben deshalb die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Enklave Bergkarabach, die isoliert mitten im aserbaidschanischen Territorium liegt, erobert und wollen sie trotz verschiedener UN-Resolutionen nicht wieder hergeben.

Ich verstehe das, und die Welt, die dem türkischen Völkermord an den Armeniern einfach zugeschaut hat, sollte verstehen, daß dieses Land, das – wie Israel – von muslimischen Staaten umgeben ist, das Recht hat, seine Existenz auch militärisch zu sichern. Niemand will immerfort Pogromen ausgesetzt sein.

Und Armenien, das wollen wir auch nicht vergessen, ist das erste christliche Land der Welt. Dort wurde 301 n. Chr. das Christentum zur Staatsreligion erklärt. Da war an Mohammed noch nicht zu denken.

PS: Wenn Sie einmal einen guten historischen Roman über den Völkermord an den Armeniern lesen wollen, dann sollten Sie unbedingt zu Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh greifen. Aber was heißt gut! Es ist einer der besten historischen Romane, die je geschrieben wurden. Und er wurde mit einer so warmen Anteilnahme am Schicksal des armenischen Volkes geschrieben, daß dieses kleine, verfolgte, immer wieder unterdrückte und geteilte Volk Werfel bis heute als seinen Landsmann honoris causa begreift.

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