Der Abgesang auf den Naturschutz hat begonnen – begleitet und massiv unterstützt von den Grünen und den großen Naturschutzverbänden. Überall im Land geht es nur noch um Energie, Windkraft und den Abbau von Mitbestimmungsrechten der Bevölkerung. Der geplante Abbau des Naturschutzes geht also – auf breiter Front und unter dem Applaus der Verbände, die es besser wissen müßten – mit dem Abbau von Demokratie einher. Dieselben Politiker, die beim Bau von Bahnhöfen und Flughäfen immer wieder auf das Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung gepocht haben, setzen sich jetzt energisch für den Abbau dieser Rechte ein. Wer gegen Stuttgart 21 demonstriert hat, war ein guter Demokrat, wer sich gegen einen Windpark wehrt, ist ein rückwärtsgewandter Nörgler. Wer ist gut, wer ist böse? Das entscheiden, ohne viel Federlesens: die Grünen, die SPD, Angela Merkel, die Linke, die FDP. Das ist eine große Koalition, wie es sie in dieser Breite in Deutschland noch nie gegeben hat. Im politischen Bereich ist man, wenn man gegen den Wahnsinn und den Dilettantismus der Energiewende ist, tatsächlich – alternativlos. Man könnte auch, psychologisch treffender, sagen: hilflos.
Man lernt daraus zumindest eines: in einer repräsentativen Parteiendemokratie gibt es Situationen, in denen man – noch dazu in einer Frage von solcher Dramatik! – allein durch den Stimmzettel seinen Willen nicht bekunden kann. Den möglichen Einwand, man könne ja selbst eine Partei gründen, kann man getrost vergessen, denn schon jetzt stehen in Deutschland weit über 20.000 Windräder, und bis man auch nur die rechtlich vorgeschriebenen Regularien für eine Parteigründung erfolgreich hinter sich gebracht und erste Erfahrungen gesammelt hätte, wäre die Energiewende schon, wie es die Kanzlerin auch gewollt hat, „unumkehrbar“. Die handstreichartig durchgesetzte „Energiewende“ war in der Tat eine politische Aktion, die so vorher nicht zu erwarten gewesen war und die auch so tief in das wirtschaftliche und politische Leben eingreift, daß es schwer, sehr schwer werden wird, zu einer vernünftigen, maßvollen Politik zurückzukehren.
Die einzige Hoffnung besteht einstweilen darin, daß die Kosten dieser waghalsigen und dilettantisch durchgeführten Aktion so massiv auf den privaten Stromverbraucher durchschlagen werden, daß er die Folgen seiner nur emotionalen Zustimmung zur Energiewende am eigenen Leibe spürt. Denn die Windkraft boomt ja nur, weil wir der Windkraftlobby, die steuerlich in einer Art Schlaraffenland lebt, auf Jahrzehnte unsere Steuergelder schenken. Daß die monatlichen Stromkosten für einen normalen Haushalt dadurch fast unbezahlbar werden, ist gut möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich.
Es könnte sein, daß der Druck auf die Parteien dann so groß wird, daß sie zu einem Umdenken genötigt werden. Wie gesagt, sicher ist das ganz und gar nicht, aber eine andere Möglichkeit, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten, sehe ich nicht.
Das ist freilich Zukunftsmusik. Die Gegenwart sieht anders aus.
Da hat sich zum Beispiel der hessische Wirtschaftsminister Rentsch (FDP) eindringlich für eine „Lockerung“ der europäischen Naturschutzvorschriften ausgesprochen, um „die Verspätung beim Umbau der Stromnetze“ aufzuholen. Nun hat die Natur, wie man weiß, noch nie zur Klientel dieser unsäglichen kleinen Klientelpartei gehört, die leider immer noch in einigen Parlamenten vertreten ist. Es müsse, sagte Rentsch wörtlich,
möglich sein, dem Bau von Strommasten Vorrang vor dem Naturschutz einzuräumen.
Am besten machen wir es doch so: wir fügen in alle europäischen und nationalen Naturschutzgesetze folgenden Paragraphen ein:
Dieses Gesetz findet nur insoweit Anwendung, als es dem Ausbau der Windenergie nicht im Wege steht.
Das wäre doch in Ihrem Interesse, gell, Herr Rentsch?
Aber wenn Du jetzt denkst, lieber Leser, das wäre schon die Pointe, dann irrst Du Dich! Die Pointe kommt – wie so oft – von den Grünen. Ursula Hammann nämlich, die Sprecherin der hessischen Landtagsfraktion der Grünen für den Naturschutz, nennt den Vorstoß des Ministers „absoluten Unfug“. Und dann sagt sie einen Satz (er wird im Lokalteil der F.A.Z. vom Freitag zitiert), den man im Mittelalter in den Bereich des credo quia absurdum gestellt hätte:
Weder der Natur- noch der Tierschutz stünden im Widerspruch zur Energiewende … Die EU-Naturschutzrichtlinien seien sogar ein effektives Mittel, um mögliche Interessenkonflikte beim Bau von Stromleitungen zu lösen. Der Wirtschaftsminister versuche, mit populistischen Parolen Energiewende und Naturschutz gegeneinander auszuspielen.
Wie bitte? Also, liebe Frau Hammann, ich habe mich mit der antiken Sophistik beschäftigt, ich habe sogar Thomas von Aquin gelesen, aber was Sie sagen, ist (falls das Zitat stimmt) wirklich too much für mich. Da ist mir ja der Herr Rentsch noch sympathischer – der macht Druck für die Windkraftlobby und betreibt eine ordentliche Klientelpoilitk, wie man es von der FDP nicht anders kennt. Und Sie? Sie betreiben genau dieselbe Klientelpolitik für die Windkraftlobby wie Herr Rentsch, nur tun Sie so, als sei das alles überhaupt kein Problem. Gewaltige Stromleitungen von bis zu einem Kilometer Breite, die im dichtbesiedelten Deutschland die Wälder und Berge durchpflügen werden – das soll mit dem Naturschutz nicht im Widerspruch stehen?
Da biegen sich die Balken.
Dem hessischen Wirtschaftminister ist der Naturschutz im Grunde wurscht, und die demokratischen Rechte, sich gegen Behörden zu wehren, sind es ihm offenbar auch – obwohl erst diese Rechte aus Untertanen am Ende Bürger gemacht haben. Beides, der Naturschutz und die Widerspruchsmöglichkeiten gegen Behörden, soll jetzt auf Biegen und Brechen eingeschränkt werden, um die zum Scheitern verurteilte Energiewende doch noch durchzusetzen.
Das ist unverbrämte Klientelpolitik. Die Grünen verbrämen ihre um keinen Deut bessere Politik mit dem schon bekannten, aber löchrigen und ausgefransten grünen Mäntelchen. Ich jedenfalls empfinde die Behauptung, diese monströsen Windräder und die nicht weniger monströsen Stromleitungen seien mit dem Schutz der Natur vereinbar, als Beleidigung meiner Intelligenz.