Enzensberger hat es in einem inzwischen berühmten 3sat-Interview gesagt: der Rückbau der EU auf ein überschaubares, menschliches Maß ist unumgänglich. Sehr schwer, gewiß, auf den ersten Blick fast unmöglich, aber es wird kein Weg daran vorbeiführen. Die dumme und maßlose Erweiterung der EU unter Schröder und Fischer war eine der schlimmsten Fehlentscheidungen der Nachkriegszeit. Die gegenwärtige Entwicklung in Rumänien, Ungarn, Bulgarien müßte doch jedem zeigen, wie dramatisch die Lage in diesen Ländern ist.
Europa ist eben nicht Amerika, wir brauchen keinen europäischen Bundesstaat, wir brauchen nicht immer mehr europäische Bürokratie (die schon gar nicht!), und wir brauchen auch, da hat Sarrazin völlig recht, nicht einmal eine gemeinsame Währung – schon gar nicht, wenn sie soviel Unheil anrichtet wie der Euro.
Was wir wieder brauchen, ist ein kleines, bescheidenes Europa, ein „Europa der Vaterländer“, das endlich damit aufhört, immer und immer nur ans Geld zu denken. Ich bin doch nicht der einzige, der diesen ganzen Finanzmist aus Rettungsschirmen, bad banks, Zentralbanken und Währungsfonds nicht mehr hören kann! Sind wir auf einmal in eine Welt von geistigen Zwergen geraten, die sich ein Leben ohne Börse und Ratingagenturen nicht mehr vorstellen können? Sie selbst mögen ein so armseliges Leben führen – ich möchte es nicht!
Europa ist zu einem Tummelplatz von Fachidioten der Finanzbranche verkommen. Fast göttergleich herrschen sie über Volkswirtschaften und Regierungen.
Wird man so in der Welt respektiert? Bestimmt nicht. Gefürchtet vielleicht, aber nicht respektiert.
Fragen Sie doch einmal einen japanischen Touristen, was er mit Deutschland verbindet. Er wird – neben ein paar der üblichen Klischees (Würstchen, Heidelberg, Neuschwanstein usw.) – bestimmt Beethoven und Goethe nennen. Nicht die Deutsche Bank, nicht das Triple A, nicht den Dax – und auch nicht den Euro! Warum, um alles in der Welt, definieren wir uns dann hier nur noch über wirtschaftliche Kennziffern? Und warum ist Betriebswirtschaft das begehrteste Studienfach? Was ist das für ein merkwürdiger Zeitgeist? Wir waren vor ein paar Jahren am Gardasee, und ein Pärchen, das über uns wohnte, hat fast nur über den Dax geredet. Sogar im Urlaub! Ist das nicht pervers?
Jetzt kann man natürlich gegen den Zeitgeist wenig tun. Aber Politiker, die sich ihm auf Gedeih und Verderb unterwerfen, könnte man schon abstrafen. Aber wir tun es nicht! Angela Merkel, die immer wieder einen der dümmsten Sätze aufsagt, die man sich vorstellen kann – „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa!“ -, gewinnt damit nur noch an Beliebtheit. Warum? Das weiß wahrscheinlich nicht einmal der liebe Gott.
Das Europa der Banker und Zocker verdient in meinen Augen nur eines: Verachtung. Der Zeitgeist hat sie für ein paar Jahrzehnte nach oben gespült, der Zeitgeist möge sie – bitte, bitte! – auch wieder entsorgen. Europa hat ein großes, lebendiges Erbe, das von Heraklit bis Schopenhauer, von Homer über Shakespeare bis Goethe reicht. Wie können sich da selbstsüchtige, armselige Gestalten, die das Geld ihrer Kunden veruntreuen, erdreisten, den Geist dieses Europas zu definieren? Und wie klein im Geiste müssen Politiker sein, die dieses elende Spiel mitspielen?
Kehrt zu den Quellen zurück, möchte man diesen Menschen zurufen. Europa ist viel, viel mehr als all diese Fonds und Agenturen und Börsenkurse. Warum macht ihr euch so klein, wenn ihr eine so große Vergangenheit habt? Werdet endlich wieder stolz und mutig und selbstbewußt!
Und schickt all diese arroganten und selbstverliebten Banker und Zocker dahin, wo der Pfeffer wächst.