Maßlos in Mainz (und anderswo)

Es gibt eine Maßlosigkeit im Fernsehen, die offenbar immer weiter fortschreitet. Das neueste Beispiel dafür sind die Kochsendungen.

Alles begann 1994 mit Alfred Bioleks alfredissimo. Biolek war immer ein höflicher und gebildeter Gastgeber, das kann man leider nicht von allen seinen Nachfolgern sagen. Denn irgendwann kochte Kerner mit Kerners Köchen, und seither quillt alles über von Köchen.

Kochen auf allen Kanälen, fast rund um die Uhr!

Schuhbeck kocht, Tim Wälzer kocht, Lafer kocht natürlich auch, Sarah Wiener kocht, Lichter kocht, Rainer Sass kocht, Alexander Hermann kocht, Cornelia Poletto kocht, Kolja Kleeberg kocht, Zuschauer kochen, Schmankerlkönige kochen, Sterneköche kochen, Kräuterfrauen kochen, sogar Ralf Zacherl mit seinem Ho-Chi-Minh-Bärtchen kocht – alles kocht, einfach alles!

Hier kommt offenbar ein neues Gesetz zum Vorschein, das es erst seit ein, zwei Jahrzehnten gibt. Nennen wir es die Tumorisierung des Fernsehens.

Sobald ein Sendeformat auch nur halbwegs erfolgreich ist, bildet es in allen anderen Sendern bösartige Metastasen. Jemand erfindet zum Beispiel eine dämliche Gerichtsshow, in dem die Zeugen immerfort sagen: „Das müssen Sie mir glauben, Herr Richter!“, die Sendung hat trotzdem ordentliche Einschaltquoten – und was passiert? Bald haben wir ein halbes Dutzend davon, und Salesch, Alexander Hold, Lenßen und Partner, und wie sie alle heißen, füllen ganze Nachmittage.

Ein anderes Beispiel. Der Tatort war früher eine Delikatesse, jetzt ist er Massenware. Kein Sonntag ohne Tatort, und selbst an Werktagen läuft immer irgendwo in einem Dritten eine Wiederholung. Der Freitagskrimi im ZDF hat sich schon lange verdoppelt – aber möchte wirklich irgendjemand zwei Krimis hintereinander sehen?

Es wird kopiert, kumuliert, metastasiert ohne Sinn und Verstand. Kein Maß ist mehr da, keine sinnvolle Beschränkung, keine Zurückhaltung. Sobald auch nur der vage Verdacht besteht, dem Zuschauer könnte etwas gefallen, wird es verhundertfacht, und er wird gemästet damit wie ein armer Truthahn.

Ist es da ein Wunder, daß einem beim Genuß dieser Programme manchmal speiübel wird?

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