Die „Ethikkommission“ zur Energiewende ist, wie man in der heutigen F.A.Z. lesen kann, „zu einem nicht geringen Teil mit Kirchenleuten besetzt“. Vor allem die evangelische Kirche gibt ja seit Wiederbewaffnung und Ostpolitik zu allen aktuellen Themen ihren Senf dazu. So war es klar, daß sich auch der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU (EAK) am Freitag mit der (deutschen) Mutter aller Themen beschäftigen würde. Umweltminister Röttgen ist zwar katholisch, aber er war trotzdem ein gern gesehener Gastredner im Konrad-Adenauer-Haus. Er bedankte sich mit einer Formulierung, die es in sich hat. Die Energiewende, so sagte er, sei
schöpfungsethisch fundiert
und werde „mit marktwirtschaftlicher Kompetenz vollzogen“.
Schöpfungsethisch fundiert – darauf muß man erst einmal kommen! Klar, die Schöpfung sollte erhalten und den künftigen Generationen einigermaßen intakt hinterlassen werden. Das wußte ich übrigens schon, als Herr Röttgen noch in Rheinbach die Schulbank drückte. Neu ist mir freilich, daß jetzt jedes Windrad und jeder Sonnenkollektor unter dem besonderen Schutz des lieben Gottes steht.
Es gibt Länder, in denen der gesunde Menschenverstand, der common sense, regiert. In solchen Ländern ist gut leben. Aber bei uns herrscht neuerdings die Maxime
Seid ethisch, ethisch, ethisch!
Wir sollen morgens schon mit einem schlechten Gewissen aufwachen (ist der Kaffee auch wirklich fair gehandelt? stammt die Milch von glücklichen Kühen?), und so geht es den ganzen Tag weiter, bei jedem Bissen, bei jeder menschlichen Regung, bis wir abends im Bett noch einmal über unsere ganz persönliche CO2-Bilanz des Tages nachgrübeln.
Lebe ich noch in einem freien Land? Oder entscheidet, wie zu Zeiten von Robespierre und Danton, ein comité de salut public (auch eine Art Ethikkommission!) darüber, was gut und gerecht ist?
Mein Land befindet sich zur Zeit in einer Art seliger Trunkenheit. Eine große Mehrheit berauscht sich am Guten, Edlen, ökologisch Korrekten, man ist so ethisch, so gut, daß einem fast schon übel wird. Aber der Kater wird kommen.
Der Volkswirtschaftler Carl Christian von Weizsäcker spricht von einer „Zwangsernährung mit ökologisch korrekten Produkten“, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung nennt es Ökotyrranei. Gegen diese „herzliche Ökodiktatur“, schreibt sie, sei nicht anzukommen. „Gegenwehr ist zwecklos.“
Tröstlich ist nur, daß auch der tiefste Rausch einmal der Nüchternheit weicht.