Putinsche Dörfer – oder: Die autoritären Regime und das paranoide Syndrom

Alle autoritären Regime sind paranoid. Ob das jetzt die Führungen in Rußland oder China sind, sie werden alle von der Angst gepeinigt, daß ihre Völker eines Tages aufstehen und sie vertreiben. Ihre Paranoia überdecken sie mit gespieltem Selbstbewußtsein, das von echtem Selbstbewußtsein leicht zu unterscheiden ist. Wenn wir die Amtseinführungen von Gauck und Putin miteinander vergleichen, sehen wir den Unterschied genau: dem Bürger Gauck, der seine Stärken und Schwächen sehr genau kennt, steht in Rußland ein Präsident gegenüber, der nach seiner Wahl den Pomp, die Inszenierung braucht. Wie sich da im Kreml die Flügeltüren öffnen und Putin unter dem Beifall von 3.000 geladenen Gästen (unter ihnen die Putinfreunde Schröder und Berlusconi) in den güldenen Zeremoniesaal hereinstürmt, das ist nicht nur pompös, es ist in seiner Übertreibung fast schon eine Farce. Es ist auf jeden Fall zaristischer, als je ein Zar gewesen ist.

Aber auf den zweiten Blick ist es doch nichts anderes als billiges showbusiness. Denn alles, der Glanz, das Pompöse, das Großmannssüchtige wird, sobald die Show vorbei ist, sofort wieder überlagert von Angst und Mißtrauen. Alle autoritären Regime sind zerfressen von Angst – an China sieht man das ganz besonders deutlich. China steht als wirtschaftliche Supermacht da, seine Waren überschwemmen den ganzen Erdball, es kauft Konzerne auf, bringt in Afrika ganze Länder wirtschaftlich unter seine Kontrolle, und trotzdem – ein Mann wie der Dalai Lama, ohne Macht, ohne Armee, ohne Geheimdienst, wird für dieses übermächtige, bis an die Zähne bewaffnete Regime mit seiner Milliardenbevölkerung zu einer Gefahr. Überall wittern diese Regime eine Bedrohung, und daß die chinesische KP gerade den Dalai Lama so fürchtet, ist typisch: mit feindlichen Staaten, Panzern, Raketen, Atomsprengköpfen können sie umgehen, das ist ihre Welt, aber kaum sieht ihnen eine Nichtregierungsorganisation (leider ein ziemlich häßliches Wort für eine gute Sache!) auf die Finger oder eine Bürgerinitiative aus ihrer Mitte oder eine kritische Zeitung – schon ist die Ruh‘ hin.

Bedrohungen kommen für solche Regime immer aus dem feindlichen Ausland. Kein anständiger Russe würde je an Putin zweifeln. Tut er es doch, so hat ihn das feindliche Ausland bezahlt. Ein kritischer Russe ist also immer – ein Agent!

Deshalb ist es nur folgerichtig, daß der Genosse Putin nach seinem Versammlungsgesetz, das jeden in den wirtschaftlichen Ruin treiben kann, der eine Demonstration anmeldet, jetzt ein Agentengesetz folgen läßt. Wenn ausländische Gruppen die russischen Demokraten unterstützen, dann gilt das von nun an als Agententätigkeit. Die willfährige Duma macht das alles brav mit – es fällt schwer, diese Versammlung von Claqeuren ernsthaft als Parlament zu bezeichnen. Eine besonders üble Rolle spielt übrigens die orthodoxe Geistlichkeit, die auch dieses Gesetz ausdrücklich begrüßt hat.

Und warum macht Putin das alles? Weil er Angst hat vor seinem eigenen Volk. Und weil er durch die Demonstrationen – „Rußland ohne Putin!“ – tief in seiner Eitelkeit gekränkt ist. Er wird immer mißtrauischer werden, und daß er als paranoider Gewaltherrscher à la Mugabe oder Lukaschenko enden wird, ist leider nicht auszuschließen.

Aber da hat das russiche Volk ein Wörtlein mizureden.

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