Jean-Jacques Rousseau

Wer vor ein paar Tagen in arte den schönen Film über Rousseau gesehen hat, mag Lust bekommen haben, ein bißchen in Rousseaus Werken zu stöbern. Schauen wir einmal, was er in seinem Gesellschaftsvertrag über die Demokratie geschrieben hat, die er sich offenbar nur als direkte (nicht als repräsentative!) Demokratie vorstellen kann.

Wenn man das Wort in der ganzen Strenge seiner Bedeutung nimmt, so hat es noch nie eine wahre Demokratie gegeben und wird es auch nie geben. Es verstößt gegen die natürliche Ordnung, daß die größere Zahl regiere und die kleinere regiert werde. Es ist nicht denkbar, daß das Volk unaufhörlich versammelt bleibe, um sich den Regierungsgeschäften zu widmen, und es ist leicht ersichtlich, daß es hierzu keine Ausschlüsse einsetzen kann, ohne die Form der Verwaltung zu ändern.

Und er fügt hinzu:

Wie viele schwer zu vereinigende Dinge setzt diese Regierungsform überhaupt voraus! Erstens einen sehr kleinen Staat, in dem das Volk leicht zu versammeln ist und jeder Bürger genügende Gelegenheit hat, alle anderen kennenzulernen; zweitens eine große Einfachheit der Sitten, die keine Veranlassung zu vielen schwierigen Arbeiten und Verhandlungen gibt, sodann fast vollkommene Gleichheit in bezug auf Stand und Vermögen, ohne die auch die Gleichheit der Rechte und der Macht keinen langen Bestand haben könnte; endlich wenig oder gar keinen Luxus, denn der Luxus ist entweder die Folge des Reichtums oder macht ihn nötig; er verdirbt nicht nur den Reichen, sondern auch den Armen, jenen durch den Besitz, diesen durch die Lüsternheit.

Sehr aktuell ist bis heute dieser Satz:

Nichts ist gefährlicher, als der Einfluß der Privatinteressen in den öffentlichen Angelegenheiten.

„Schließlich will ich noch bemerken“, sagt Rousseau,

daß keine Regierung in so hohem Grade Bürgerkriegen und inneren Erschütterungen ausgesetzt ist als die demokratische oder Volksregierung, weil keine andere so heftig und so unaufhörlich nach Veränderung der Form strebt und keine mehr Wachsamkeit und Mut zur Aufrechterhaltung ihrer bestehenden Form verlangt. Namentlich in dieser Verfassung muß sich der Staatsbürger mit Kraft und Ausdauer waffnen und jeden Tag seines Lebens im Grunde seiner Seele nachsprechen, was ein edler Woiwode auf dem polnischen Reichstage sagte: Malo periculosam vitam quam quietum servitium. (Ich ziehe eine gefahrvolle Freiheit einer ruhigen Knechtschaft vor.)

Gäbe es ein Volk von Göttern, so würde es sich demokratisch regieren. Eine so vollkommene Regierung paßt für Menschen nicht.

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