Vor ein paar Jahren haben wir unsere alten Dokumentarfilme digitalisiert – ein Schatz auf mehreren hundert VHS-Bändern, der bis weit in die 80er Jahre zurückreicht. Das Frappierendste beim Überspielen auf DVD waren nicht die Filme selbst, sondern die damals mit aufgenommenen Minuten vor, nach und zwischen den Filmen.
Nicht ein einziger Trailer war da zu sehen!
Statt dessen hat eine wohlfrisierte Ansagerin (manchmal war es auch ein männlicher Ansager, die Hand graziös auf einen kleinen Tisch im Studio gestützt) den Film – angesagt. Das alles beim Überspielen wiederzusehen, war fast ein kleiner Kulturschock. Ja, das hat es wirklich einmal gegeben: Ansager, die sich freundlich an den Zuschauer gewandt und ihm erzählt haben, was gleich auf ihn zukommt. Es war, verglichen mit den heutigen Zuständen, ein Zeitalter der Höflichkeit, man hat sich noch die Zeit genommen, dem Zuschauer etwas zu erzählen, und die persönliche Ansprache („Liebe Zuschauer, wir zeigen Ihnen jetzt …“) hat beim Wiedersehen etwas so wohltuend Höfliches, Respektvolles, daß einem fast wehmütig wird.
Heute werden einem die Filme ja sozusagen vor die Füße geworden. Da hast du deinen Film, Zuschauer! Kein Wort erfährst du von uns! Statt dessen knallen wir dir drei, vier, fünf Trailer vor den Latz.
Damals hat man jedem Film Zeit gegeben, der ganze Nachspann wurde gesendet, ohne daß er unterbrochen, abgeschnitten oder zugedröhnt wurde. Das war vor der verhängnisvollen Entscheidung, Privatsender zuzulassen – mit ihnen sind eigentlich alle Unsitten ins Fernsehen eingezogen.
Eine der schlimmsten dieser Unsitten ist die Abschaffung der Ansager und ihre Ersetzung durch brüllende, reißerische Trailer. Diese Trailer sind eine wahre Pest. Oft ist der Film noch gar nicht zu Ende, da schreit schon einer: „Und morgen sehen Sie …“
Dabei will ich das gar nicht wissen – man muß einen Film, gerade einen guten Film, doch ausklingen lassen! Je berührender der Film war, desto unverschämter ist dieses Marktgeschrei, das jedes Gefühl, jedes Nachdenken nach einem Film im Keim erstickt.
Auf dem Fischmarkt in Hamburg oder auf dem Wochenmarkt in Hintertupfingen mag das angehen, aber doch nicht im Fernsehen! Das Problem ist, daß wir uns diese geringschätzige Behandlung bieten lassen. Mit der MTV-Generation hat es angefangen – wenn man sich nämlich einmal an das irrsinnige optische Stakkato der Musikvideos gewöhnt hat, erscheint einem das alles völlig normal. Aber es ist nicht normal. Auf dem Jahrmarkt oder im Basar werde ich auf diese Weise bedrängt, aber wenn ich zuhause im Wohnzimmer sitze, möchte ich nun einmal nicht angeschrien werden.
Ich weiß: es wird keine Rückkehr zu den höflichen Ansagern geben. Aber schön wär’s.