Ein neuer Brief an den Genossen Putin

Lieber Wladimir Wladimirowitsch,

jetzt machst Du aber Nägel mit Köpfen! Kaum Präsident, schon tust Du alles, um der Straßendemokratie ein Ende zu bereiten. Respekt – aber ich habe auch nichts anderes von Dir erwartet. Man kann doch nicht einfach zusehen, wie sich die russischen Menschen auf den Straßen versammeln – das wäre ja noch schöner. In der guten alten Sowjetzeit haben sich zwar auch Menschen auf den Straßen versammelt, aber doch nur, wenn sie die Partei dahin abgeordnet hat. Daß sie jetzt immer öfter ohne Erlaubnis zusammenströmen und häßliche, staatsfeindliche Plakate in die Höhe halten – das, lieber Wladimir Wladimirowitsch, ist ein Spuk, den Du unbedingt so schnell wie möglich beenden mußt.

Aber was sage ich – Du hast ja schon alles in die Wege geleitet, und zwar ganz schön raffiniert! Wer eine Demonstration anmeldet, ist praktisch schon vorher finanziell ruiniert, denn er haftet für alles, was passiert. Wenn zum Beispiel mehr Menschen kommen als angekündigt, muß er eine saftige Strafe zahlen. Wenn die Demonstranten den Verkehr behindern (und das tun sie ja praktisch immer!) oder „in der Masse dichter stehen als erlaubt“, oder wenn gar ein Mensch zu Schaden kommt (durch Deine Milizionäre?), dann droht dem Anmelder eine Strafe von bis zu 300.000 Rubeln oder, wenn ihm das lieber ist, 200 Stunden Zwangsarbeit.

Das ist aber noch nicht alles. Die vaterlandslosen Gesellen, die sich Dir widersetzen (sie sind natürlich allesamt aus dem feindlichen Ausland gesteuert!), haben in letzter Zeit eine besonders perfide Strategie entwickelt: sie machen „Spaziergänge“. Jeder erinnert sich noch an den Spaziergang, bei dem sich Mitte Mai Zehntausende in Moskau versammelt haben, um – spazierenzugehen. So wird das gute russische Recht verächtlich gemacht und ausgehebelt! Aber da haben sie die Rechnung ohne Dich, Wladimir Wladimirowitsch, gemacht. Jetzt wird endlich auch das staatsfeindliche Spazierengehen unter Strafe gestellt. Deine Juristen haben bestimmt ganz schön lange gegrübelt, bis ihnen da die richtige Formulierung eingefallen ist: verboten ist jetzt nämlich auch der „gemeinsame massenhafte Aufenthalt von Bürgern an öffentlichen Orten, der nicht den Charakter einer öffentlichen Veranstaltung hat“. Wunderbar!

Man könnte es so zusammenfassen: verboten ist jetzt alles, was Du, Wladimir Wladimirowitsch, nicht ausdrücklich erlaubt hast.

In diesem Sinne wünsche ich Dir, Genosse Putin – ich darf Dich doch so nennen? – auch weiterhin viel Erfolg in Deinem Kampf gegen die Straßendemokratie!

Dein Lupulus
aus dem feindlichen Ausland.

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