Die Entlassung von Norbert Röttgen, in ihrer brutalen Durchführung beispiellos für die Regierung Merkel, war ein Fanal. Sie war gleichzeitig das Eingeständnis, daß die Energiewende auf die gemütliche Art nicht durchzusetzen ist. Erst einmal mußte der Zauderer entfernt werden, von jetzt an wird unerbittlich durchgegriffen.
Warum? Die kritischen Stimmen zur Energiewende mehren sich, bis in die Regierungskoalition hinein. Das könnte, wenn es zu einer Lawine wird, für die Kanzlerin gefährlich werden. Außerdem fordert die Windkraftlobby, die sich an unseren Steuergeldern förmlich mästet, daß endlich der Ausbau vor allem der Stromleitungen vorangetrieben wird. Auch der Bau von Windkraftanlagen im Inland soll von allen bürokratischen Hemmnissen befreit werden. Städte und Gemeinden, betroffene Bürger und örtliche Naturschutzgruppen sollen in ihren Mitbestimmungsrechten weitgehend beschnitten werden. Röttgen war da offenbar zu zögerlich, jetzt hat Merkel ihn durch ihren treuen Heinrich ersetzt. Von Altmaier ist kein Widerwort zu erwarten, er redet schon so wie seine Chefin: es gebe „keinen Weg zurück“. Ja, sind wir denn im Krieg – oder machen wir rationale Politik? Wenn wir im Krieg sind, können wir alle Brücken hinter uns abbrechen. Aber Politiker, wenn sie denn diesen Namen verdienen, müssen immer auch Alternativen haben. In der Politik gibt es nichts Unumkehrbares.
Die Kanzlerin weiß, daß sie ihren dummen Plan, ausgerechnet ein hochentwickeltes Land wie Deutschland der Windenergie auszuliefern, nur brutalstmöglich durchsetzen kann, denn mit jedem Windpark vor der Haustür und in unseren schönen Mittelgebirgen – und vor allem mit dem Bekanntwerden der gigantischen Stromtrassenpläne! – sinkt die Akzeptanz in der Bevölkerung. Viele von uns haben zunächst nur gute Gefühle gehabt, und auf den ersten Blick war es ja auch plausibel, die gefährliche Atomenergie nach und nach durch Wind und Sonne zu ersetzen. Aber die Folgen sind für Natur und Landschaft (und damit letztlich auch für den Menschen!) verheerend.
Nehmen wir nur einmal die neuen Stromleitungen. Ein großer Teil des Stroms soll in den großen Offshore-„Windparks“ erzeugt werden. Wie kommt der Strom jetzt nach Ruhpolding und Nesselwang? Die Planungen der vier großen Netzbetreiber – Tennet, Amprion, 50Hertz und TransnetBW – sehen vor, daß etwa die Hälfte der Leitungen „angesichts des Widerstandes in der Bevölkerung“ (so der Tennet-Geschäftsführer) auf schon bestehenden Trassen gebaut wird, und zwar auf einer Länge von 4.000 km. Daß die Breite der heutigen Trassen ausreichen wird, muß bezweifelt werden, es war nämlich schon vor Monaten von einer Trassenbreite von bis zu 1 km (!) die Rede.
Dazu kommen mindestens 3.800 km völlig neue Trassen, sog. „Stromautobahnen“, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat. Jeder kann sich vorstellen, was solche gewaltigen Schneisen für ein dicht besiedeltes Land wie Deutschland und für seine Natur bedeuten. Auch deshalb bin ich so entsetzt über die Haltung der großen Umweltverbände (allen voran BUND und NABU), die so tun, als könnte man alles, aber auch alles „naturverträglich“ gestalten. Hier wird ein gigantischer Flächenverbrauch stattfinden, und das ist – darauf beharre ich – ein Verbrechen an der Natur und am Menschen. Denn mit diesen Stromautobahnen ist es ja nicht getan, sie bilden nur (hier nachzulesen) das Rückgrat des Leitungssystems.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, erinnerte daran, dass es nicht nur um rund 4000 Kilometer Stromautobahn gehe. Der Strom müsse ja auch verteilt werden. Dabei gehe er von einem Verteilnetz von 198.000 Kilometern aus, das auch noch gebaut werden müsse. Im Deutschlandfunk schlug er zudem eine Straffung von Gerichtsverfahren vor, um ordnungsrechtlich schneller voranzukommen.
Da sind wir schon beim nächsten Punkt, den explodierenden Stromkosten. Davon will die Kanzlerin natürlich gar nichts wissen – das sei „Kaffeesatzleserei“. Zum drohenden starken Anstieg der Einspeisevergütung für Sonnenstrom zum Beispiel seien „seriöse Aussagen noch nicht möglich“.
Der Bau der Stromtrassen soll übrigens insgesamt 32 Milliarden Euro kosten. Die Erfahrung lehrt aber, daß die Kosten am Ende viel höher sein werden als veranschlagt.
So, jetzt habe ich noch eine Verstandesfrage für meine Leser: wer, glauben Sie, wird für diese Kosten am Ende aufkommen? Folgende Antworten sind möglich:
a) Frau Merkel persönlich
b) die Energiekonzerne, oder
c) die Steuerzahler.
Ich kenne die Antwort. Sie auch?