Jeder schimpft auf Griechenland – die Griechen selbst übrigens am meisten, denn sie sind ja der Klientelwirtschaft, die sich unter den beiden großen Parteien Pasok und Nea Demokratia entwickelt hat, seit Jahrzehnten unmittelbar ausgesetzt, ohne daß sie das Geringste dagegen tun können. Was sich aber Christine Lagarde, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (das Bild habe ich dem Wikipedia-Artikel über sie entnommen), vor einigen Tagen geleistet hat, wäre noch vor ein paar Jahren unvorstellbar gewesen. Sie hat für die Griechen nur Haß und Verachtung übrig.
Ihr Charme sei legendär – so leitet der britische Guardian seinen Artikel über Christine Lagarde ein. Das mag sein, aber es ist ein typisch französischer Oberschicht-Charme, schließlich ist sie one of the world’s most powerful women, wie es im Guardian heißt. Sehen wir uns einfach einmal an, wie diese Frau denkt. Damit Sie den Text auch selbst beurteilen lönnen, zitiere ich ihn im Original (das Interview wurde in englischer Sprache geführt) und füge meine eigene Übersetzung hinzu.
Decca Aitkenhead, die Interviewerin des Guardian, fragt Frau Lagarde, ob sie denn über dem Studium der griechischen Bilanzen auch an die schwangeren Frauen in Griechenland denke, die sich keine Hebamme mehr leisten können, an die Kranken, die keine Arznei mehr bekommen, an die Alten, die aus Mangel an Pflege sterben. Blendet sie das alles aus, wenn sie harte Maßnahmen gegen Griechenland verlangt?
No, I think more of the little kids from a school in a little village in Niger who get teaching two hours a day, sharing one chair for three of them, and who are very keen to get an education. I have them in my mind all the time. Because I think they need even more help than the people in Athens.
Nein, ich denke eher an die Schulkinder in einem kleinen Dorf in Niger, die zwei Stunden am Tag Unterricht haben und sich zu dritt einen Stuhl teilen müssen, und die eifrig am Lernen sind. An die denke ich die ganze Zeit. Weil ich nämlich glaube, daß sie viel mehr Hilfe brauchen als die Menschen in Athen.
Nach einer Weile fügt sie hinzu:
As far as Athens is concerned, I also think about all those people who are trying to escape tax all the time. All these people in Greece who are trying to escape tax.
Was Athen betrifft, da denke ich an die Leute, die sich die ganze Zeit davor drücken, Steuern zu zahlen. Diese ganzen Leute in Griechenland, die keine Steuern zahlen.
Denkt sie denn nicht auch an die wachsende Zahl der Arbeitslosen in Griechenland?
I think of them equally. And I think they should also help themselves collectively.
An die denke ich auch. Ich glaube, sie sollten sich selbst helfen, gemeinsam.
Und wie?
By all paying their tax. Yeah.
Indem sie ihre Steuern zahlen, ja.
Heißt das, so fragt die Journalistin: ihr habt eine schöne Zeit gehabt, jetzt geht es ans Bezahlen?
That’s right. Yeah.
Genauso ist es, ja.
Aber die Kinder! Sie kann man doch nicht verantwortlich machen.
Well, hey, parents are responsible, right? So parents have to pay their tax.
Also für die sind doch die Eltern verantwortlich, stimmt’s? Die Eltern müssen nur ihre Steuern zahlen.
Also, ich habe selten so eine Eiseskälte gespürt wie in diesem Interview. Und das Infamste daran ist, daß Lagarde die alte Armut in Afrika und die neue Armut der Griechen gegeneinander ausspielt.