Die Frankfurter Rundschau, die Berliner Zeitung und ein Untermensch namens Sarrazin

Gestern erst hatte ich die Frankfurter Rundschau gelobt, weil sie das Gespräch zwischen Steinbrück und Sarrazin als „sehr sachliches Gespräch“ bezeichnet hatte.

Dieses Lob nehme ich mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Es wird nicht wieder vorkommen.

Denn inzwischen hat sich in diesem Blatt einiges getan. Mit einem großen Artikel von Robert von Heusinger ist nun auch die FR in den Kreis der Zeitungen zurückgekehrt, denen es vor allem darum geht, Sarrazin zu diffamieren. Wohlgemerkt: zu diffamieren, nicht zu widerlegen – denn ihn zu widerlegen, wo er irrt, wäre sogar die ureigene Aufgabe eines Journalisten. Nein, schon die Sprache zeigt, daß hier eine Abrechnung stattfindet.

Sarrazin, so von Heusinger, „schürt Ressentiments“ und „täuscht“, es ist ein „hässlicher nationalistischer Ton“ da. Für die Sarrazin angedichtete Forderung „Zurück zur D-Mark“ sei ihm alles recht: „auslassen, weglassen, umdeuten, bewusst falsch interpretieren“. Kurz und bündig: es sei „ein widerliches Buch“.

Da hört man den Haß heraus, den viele „linksliberale“ Blätter immer noch gegen Sarrazin hegen, weil er mit seinem letzten Buch die schöne (ebenso romantische wie falsche!) Illusion von der multikulturellen Gesellschaft gestört hat. Das werden sie ihm nie verzeihen.

Also: ein „widerliches Buch“.

Legen wir jetzt aber einmal diese hohen ethischen Maßstäbe an die Frankfurter Rundschau selbst an. Sie hat, ebenso wie die Berliner Zeitung, mit der sie in einem Redaktionspool verbunden ist, auf ihren Online-Seiten einen Artikel der deutsch-kurdischen Journalistin Mely Kiyak veröffentlicht, in dem der nach einem Schlaganfall immer noch beeinträchtigte Sarrazin als „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“ bezeichnet wird. Das ist eine ungeheuerliche Entgleisung, für die natürlich erst einmal Frau Kiyak selbst die Verantwortung übernehmen muß (sie hat sich bis jetzt nicht dafür entschuldigt). Fast noch schlimmer ist aber, daß beide Zeitungen inzwischen das Kiyaksche Zitat klammheimlich entschärft haben – der zitierte Nebensatz wurde kommentarlos entfernt, als ob es ihn nie gegeben hätte. Auch von den Redaktionen: kein Wort der Erklärung oder gar Entschuldigung.

Im alten Rom hat man die Namen und Abbildungen von unliebsamen Kaisern einfach ausgelöscht. Die beiden Zeitungen, die sich als Hort des Liberalismus und der Demokratie begreifen, machen es nicht anders als die antiken Despoten – und die Möglichkeiten, die ihnen das Internet bietet, nutzen sie. Aber das gelingt nur auf den ersten Blick.

Der Satz von Frau Kiyak hat wirklich dagestanden, das ist inzwischen genauso dokumentiert wie die klammheimliche Löschung. Aber es kommt keine Erklärung, man will das Problem einfach aussitzen. Und die Journalistin, darauf möchte ich wetten, wird ihre Kolumne behalten.

Einen solchen Satz, der auch im Stürmer hätte stehen können, zu veröffentlichen, nur weil man sich mit einer jungen Journalistin mit Migrationshintergrund schmücken will, ist eine Schande. Das journalistische Ethos wird hier mit Füßen getreten. Aber daß man dann, kaum daß der Sturm losbricht, zum wortlosen Löschen übergeht – aus dem Netz, aus dem Sinn! – und damit zum Instrumentarium der altrömischen Kaiserzeit greift, ist durch nichts zu rechtfertigen.

Es ist – um ein Wort von Robert von Heusinger zu gebrauchen – einfach nur „widerlich“.

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