Senioren – ab zur Arbeit, marsch, marsch!

Wer auf seinem Smartphone die Tagesschau-App installiert hat, konnte heute eine erstaunliche Überschrift lesen:

Merkel fordert Integration von Älteren.

Was will die Kanzlerin damit sagen? Sollen die älteren Menschen, nachdem sie ein Leben lang gearbeitet und ihre Kinder großgezogen haben und dann – endlich! – ihren verdienten Lebensabend genießen, nun den Respekt bekommen, der ihnen gebührt? Na, das wäre ja noch schöner!

Wohin der Hase läuft, sieht man erst, wenn man die Meldung selbst aufruft:

Merkel fordert Integration von Älteren ins Arbeitsleben.

Die Kanzlerin hat neuerdings eine heftige und sich sogar noch verstärkende Neigung zum Verklausulieren. Auch brutale Forderungen bekommen so ein geschöntes oder doch wenigstens ein scheinbar nüchternes Gesicht. (Man müßte einmal ein Spezial-Wörterbuch zusammenstellen, vielleicht unter dem Titel Kanzlerin-Deutsch / Deutsch-Kanzlerin!)

Die „Älteren“, so Frau Merkel auf dem Katholikentag, sollen also „ins Arbeitsleben integriert“ werden. Das ist eine reichlich merkwürdige, eine fast gespenstische Forderung, denn die Älteren waren ja ihr ganzes Leben lang ins Arbeitsleben integriert, und fast alle haben am Ende schon die Tage und Wochen gezählt, bis sie endlich desintegriert wurden.

Ja, es gibt auch  die happy few, die in ihrem Traumberuf gearbeitet haben. Sie möchten eigentlich immer weitermachen – aber das ist doch, um Himmels willen, nicht die Regel. Die Regel ist, daß man arbeitet, um leben zu können, und die Regel ist auch, daß man schon mit Fünfzig vom Arbeitgeber umworben wird – aber nicht etwa umworben, um zu bleiben und seine beruflichen Erfahrungen an die jüngeren Kollegen weiterzugeben. Nein, man wird umworben und umgarnt und mit bisweilen unglaublich hohen Abfindungen dazu gedrängt, aus dem Unternehmen möglichst zeitnah auszuscheiden. Es sind oft die jungen Führungskräfte, die eben ihren Abschluß an einer der Eliteuniversitäten gemacht haben und dann – ohne je das wirkliche Leben oder gar einen anständigen Umgang mit Menschen kennengelernt zu haben – an die Schaltstellen von Unternehmen berufen werden, die in einer geradezu rüpelhaften, auf jeden Fall aber schamlosen Weise mit ihren lästig gewordenen, älteren Arbeitnehmern umgehen.

„Integration von Älteren ins Arbeitsleben“ kann unter den heutigen Bedingungen (die Frau Merkel sehr genau kennt!)  nur heißen:  noch mehr Menschenmaterial für Niedriglohn-Arbeitsplätze herbeischaffen, denn viel anderes wird es für Ältere nicht geben.

Das ist die Wirklichkeit. Und es gehört auch zur Wirklichkeit, daß viele alte Menschen ohnehin schon unermüdlich tätig sind: für ihre Familie, für die Kinder und Enkelkinder und in Ehrenämtern. Dazu brauchen sie keinen Druck aus dem Kanzleramt, das tun sie gern und freiwillig. Aber für eine parasitär lebende Schicht von Managern und „Entscheidungsträgern“ (ein Lieblingswort unserer Kanzlerin!) für einen Hungerlohn zu arbeiten, damit die keine ordentlichen Vollzeitarbeitsplätze schaffen müssen, das will niemand, der ein Leben lang im Arbeitsleben gestanden hat.

Schade, daß die Kanzlerin auf dem Katholikentag offenbar nicht die rechte Antwort bekommen hat. Die katholische Soziallehre hätte dazu doch viel zu sagen.

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