Die Welt hat trotz vieler und guter seriöser Artikel immer noch (oder schon wieder?) einen Hang zum Boulevard und zur wenig gelungenen Ironie. Mit der Ironie verhält es sich nämlich so: sie scheint leichtfüßig daherzukommen, aber es steckt viel harte Gedankenarbeit in ihr. Dahingeschluderte Ironie erkennt man sofort – sie wirkt billig.
Michel Friedman zum Beispiel durfte an einer Wallfahrt zum Heiligen Rock von Trier teilnehmen und in der Welt darüber schreiben. Wer ihn kennt, weiß, daß da wenig Tiefes zu erwarten war. Er redet von „Jesus‘ Unterhemd“ (wie lustig!), und als Pater Johannes im Bus das Geld für die Wallfahrt einsammelt, schreibt er: „Bei aller Liebe für Gott, bezahlt werden muss auf Erden.“ Dann fragt er einen Jugendlichen, was er von den Wallfahrern hält, und bekommt die Antwort, die er wohl erwartet hat: „Die haben doch einen Knall!“
Nehmen wir – aus gegebenem Anlaß – einen anderen Artikel der Welt. Heimo Schwilk schreibt (hier nachzulesen) über das Philosophische Quartett, dem das ZDF nun endgültig den Garaus gemacht hat. Schon der Titel klingt gequält ironisch: „Philosophie im Ohrensessel“. Wer im Ohrensessel sitzt, will er damit wohl sagen, sollte das Philosophieren besser lassen. Aber philosophieren kann man überall! Wichtig ist doch nicht, wo man philosophiert, sondern daß und wie man philosophiert.
Bei den alten Griechen hat man meistens im Gehen gedacht, und das war keine so schlechte Wahl: wenn man körperlich in Bewegung ist, das weiß man, ist auch der Geist beweglicher. Aber notwendig ist das nicht – die vielen Sendungen des Philosophischen Quartetts, bei denen die Gäste stets im Schwilkschen „Ohrensessel“ saßen, sind der Beweis dafür, daß es sich auch im Sitzen ganz wunderbar philosophieren läßt. Aber Schwilk, ob er nun beim Verfassen seines Artikels am Schreibtisch gesessen hat oder auf seiner Terrasse auf und abgegangen ist, mag Sloterdijk nun einmal nicht.
Sloterdijk, so beschreibt Schwilk das übliche Auftreten des Philosophen,
presste mit dem ihm eigenen näselnden Singsang alle Luft aus den Zwischenräumen seiner Wort- und Satzkaskaden, verstrickte sich in allzu narzisstisch anmutende Metapherngestöber.
„Metapherngestöber“ – das ist ein schönes und treffendes Wort, wenn es auch nicht von Schwilk, sondern von Celan stammt. Sloterdijk ist tatsächlich ein Meister im Umgang mit der Sprache. Was daran aber verwerflich sein soll, begreife ich nicht. Mir jedenfalls ist jeder Mensch angenehm, der die deutsche Sprache so beherrscht wie er. Und „narzißtisch“? Mein Gott, jeder Journalist ist doch heutzutage narzißtisch, auch wenn er nur davon träumen kann, die Sprache so gekonnt einzusetzen wie Sloterdijk. Nicht wahr, Herr Schwilk?
Schwilk versucht, die beiden Moderatoren des Philosophischen Quartetts gegeneinander auszuspielen. So heftig, wie er Sloterdijk niedermacht („Selbstberauschungen“), so sehr lobt er Safranski. Der nämlich gebe „den medientauglicheren Part“ der beiden. Da ahnt man schon, worauf alles hinausläuft: auf den Nachfolger, Richard David Precht:
Ob der Bestsellerautor der Fernsehphilosophie mehr Glanz zu geben vermag, steht in den Sternen. Vorsichtshalber disqualifizierte Sloterdijk seinen smarten Nachfolger schon einmal als „Popularisator“ – als sei massenmediale Verständlichkeit ein Anschlag auf Komplexität.
Na ja – daß Precht „medientauglich“ und „massenmedial verständlich“ sein wird, daran zweifelt nun wirklich niemand.
Aber was, um Himmels willen, haben solche Eigenschaften mit Philosophie zu tun?