Chen Guangchen ist seit seiner Kindheit blind. Er brachte sich sein juristisches Wissen selbst bei und wurde zum „Barfußanwalt der Bauern“. Erst verteidigte er Behinderte, dann immer öfter Frauen, die wegen einer zweiten Schwangerschaft mit brutalen Mitteln zur Abtreibung gezwungen wurden. Das hatte Folgen – nicht nur für ihn selbst, sondern auch für seine Familie (hier nachzulesen). Die Sippenhaft ist in China an der Tagesordnung.
Er wurde unter fadenscheinigen Vorwänden („Verkehrsbehinderung“, „Anstachelung zur Zusammenrottung“) zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Kaum war er wieder zuhause, begann – wie man es von China kennt – das eigentliche Martyrium: die lokalen Behörden stellten nicht nur ihn unter Hausarrest, sondern auch seine Frau, seine Mutter und seinen kleinen Sohn. Dann kamen die Schlägertrupps: sie wickelten ihn und seine Frau in Decken ein und schlugen stundenlang auf die beiden ein, bis die Rippen brachen. Auch seine Mutter wurde mißhandelt, bis sie schrie. Rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, beobachteten die primitiven Schergen des Regimes seine Wohnung. Niemand durfte das Haus verlassen, niemand durfte es betreten.
Solche Schlägerbanden aus dem Lumpenproletariat hat in China offenbar jeder bessere Parteifunktionär an der Hand.
Aber Chen Guangchen ist seinen Peinigern entkommen. Er befindet sich an einem sicheren Ort in Peking, wie es heißt – und damit seine Familie unter der Flucht nicht leidet, hat er seine Geschichte in einem viertelstündigen Interview erzählt. Und er nennt die Namen seiner Peiniger, sicher alles verdiente Parteisekretäre, die seine Familie seit Jahren verfolgen . Es ist ein bewegender Bericht, und wer die Leidensgeschichte von chinesischen Dissidenten kennt, kann erahnen, wieviel Mut zu einem solchen Schritt gehört.
Aber Mut wird belohnt – und wo Gefahr ist, so hat es Hölderlin in seinem Gedicht Patmos gesagt, „wächst das Rettende auch“. Die ganze Parteibürokratie mitsamt ihren Schlägerbanden aus dem kriminellen Milieu wird zusammenbrechen, und zwar viel früher, als sie glaubt.
Eine Partei, die ihre Herrschaft nur noch mit Hilfe der kriminellem Unterwelt aufrechterhalten kann, darf und wird keinen Bestand haben.
An Chen Guangchen aber und an seinen Mut wird das chinesische Volk noch in Dankbarkeit denken, wenn es die Namen der erbärmlichen Parteibonzen schon lange vergessen hat.