Der Fußball – zu Gast beim Diktator?

Julia Timoschenko ist in den Hungerstreik getreten – man kann es ihr nicht verdenken. Nach einem Bandscheibenvorfall hat sich ihre Behandlung auf die Gefängnisärzte beschränkt, eine Behandlung in ukrainischen Kliniken lehnt sie mit guten Gründen ab. Sie weiß, wie willfährig nicht nur die Justiz dem autokratischen Herrscher Janukowitsch ist. Dieser „Präsident“ füllt seine Gefängnisse mit allen Oppositionellen, die ihm gefährlich werden könnten, und da steht Frau Timoschenko ganz oben auf seiner Liste.

Nach ihrer Weigerung ist sie von Gefängniswärtern geschlagen worden, ihr Körper weist, wie ihr Verteidiger berichtet, schwere Blutergüsse auf. Der zuständige Staatsanwalt sagte nur, das Gesetz erlaube es den Wachleuten, „physische Gewalt anzuwenden“.

Bald wird sich der Herrscher der Ukraine im Licht der Fußball-Europameisterschaft sonnen – soll man ihm das gönnen? Nein, um Himmels willen! Hat man denn nichts aus den Olympischen Spielen 1936 in Berlin gelernt? Das war ein einziger Propagandaerfolg für Hitler. Kein deutscher Fußballer darf in einem ukrainischen Stadion einlaufen, solange es dort noch politische Häftlinge gibt, die – wie Julia Timoschenko – um ihre Gesundheit und ihr Leben bangen müssen.

Besteht Hoffnung, daß der Fußballverband dem Autokraten Janukowitsch ein Ultimatum stellt? Ich fürchte nicht. Die internationalen Sportverbände – sagen wir es einmal ganz zurückhaltend – gehen eher nach dem Gelde als nach der Moral.

Aber wer sollte unsere Mannschaft daran hindern, bei ihrem ersten Spiel am 9. Juni in Lemberg mit einem großen Bild von Julia Timoschenko ins Stadion einzulaufen? Ich fürchte freilich, daß es nicht einmal zu einer solchen (eher symbolischen!) Handlung kommen wird.

Wenn man in einer Parteidiktatur wie China fröhlich und ungerührt Olympische Spiele abhält, wird man wohl kaum die Ukraine ethisch strenger bewerten.

The games must go on, wird auch die UEFA sagen und über die Häftlinge in den ukrainischen Gefängnissen großzügig hinwegsehen.

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